Professionalisieren, profilieren, positionieren
In den Diskussionen um die Zukunft des kirchlichen Arbeitsrechts und um die künftige Gestaltung der Tarifpolitik im Caritasverband betonen alle Seiten den Begriff der Dienstgemeinschaft. In der Tat muss es darum gehen, den fairen Interessenausgleich zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern so zu strukturieren und so zu gestalten, dass der besondere "gemeinschaftliche" Charakter der Caritas, ihrer Gliederungen und Einrichtungen gewahrt bleibt.
Dazu aber muss zunächst einmal anerkannt werden, dass es auch in einer "Gemeinschaft" handfeste Interessenunterschiede gibt. Auch wenn es ein Fundament caritativer Unternehmen ist, dass Dienstgeber und Dienstnehmer sich gemeinsam und gemeinschaftlich dem Auftrag der Caritas verpflichtet fühlen, ist es doch auch in der Caritas eine Selbstverständlichkeit, dass die beiden Seiten in ihren jeweiligen Rollen eben auch unterschiedliche Interessen haben. Und gerade im Sinne einer lebendigen und langfristig lebensfähigen Gemeinschaft ist es unerlässlich, die unterschiedlichen Interessen und Anliegen beider Seiten zunächst einmal klar zu profilieren - um sie dann in einer "harten, aber fairen" Aushandlung zwischen selbstbewussten Partnern ausgleichen zu können. Je besser jede Seite für sich selbst weiß, was sie will, desto selbstbewusster und zugleich kompromissbereiter können beide Seiten verhandeln.
In diesem Sinne gilt auch für die Dienstgeberseite: Je professioneller sie ihre eigenen, internen Interessenunterschiede abstimmt, je zügiger sie zu gemeinsamen und profilierten Positionen kommt, desto souveräner und effektiver kann sie mit der Dienstnehmerseite verhandeln und deren legitimen Forderungen aus einer Position der Stärke heraus entgegenkommen. Eine Stärkung der Dienstgeberseite im Sinne einer Professionalisierung ihrer Arbeit schwächt nicht, sondern stärkt die Dienstgemeinschaft. Worin aber besteht der Professionalisierungsbedarf?
Verhandler brauchen fachlich gute, rasche Zuarbeit
Die AK wird nur dann in einem angemessenen Tempo zu sachgerechten und fairen Vereinbarungen kommen, wenn sich die Verhandlungen auf das Aushandeln der wesentlichen tarifpolitischen Eckpunkte konzentrieren und sich nicht etwa in der detaillierten Textarbeit an Einzelformulierungen erschöpfen. Die Vertreter(innen) der Dienstgeber in den Kommissionen müssen also mehr als bislang das eigentliche "Verhandlungs- und Tarifgeschäft" gestalten; sie können und sollen keine fachlichen Arbeitsrechtsexperten sein.
Dafür aber muss die fachliche Zuarbeit durch "eigene", also eindeutig der Dienstgeberseite zugeordnete Mitarbeiter(innen) ausgebaut, fachlich fundiert und zügig gestaltet werden. In dieser Zuarbeit müssen die tarifpolitischen Eckpunkte und die dazu passenden konkreten Anträge entworfen, entwickelt und abgestimmt werden - in einem kontinuierlichen kommunikativen Wechselspiel zwischen den Leitungen der vertretenen Caritas-Gliederungen und -unternehmen sowie den Kommissionsmitgliedern.
Für diese Zuarbeit bedarf es erstens einer großen fachlichen Kompetenz zur juristischen Beratung sowie zur betriebswirtschaftlichen Einschätzung (beispielsweise in Modellrechnungen für verschiedene Optionen). Zweitens braucht es eine große Kompetenz der Zuarbeitenden bezüglich Organisation, Kommunikation und Moderation - schließlich gilt es, tarifpolitische Eckpunkte und Anträge über die Regionen und Sparten mit ihren teils unterschiedlichen Interessen hinweg zu erarbeiten und abzustimmen. Vor allem aber braucht es ausreichende personelle Ressourcen und eine klare Rollenaufteilung.
Neutrale Kommissionsgeschäftsführung
Die dem AK-Vorsitzenden zugeordnete Geschäftsführung sollte weiterhin für die Organisation und Protokollführung der gemeinsamen Sitzungen sowie für die quasi "notarielle" Überprüfung verantwortlich sein. Da die Vorlagen durch die beiden Seiten erstellt und eingebracht werden sollen, kann und soll sich die Geschäftsführung inhaltlich neutral auf die formale Überprüfung der Vorlagen und der Verhandlungsergebnisse hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit beschränken.
Die Stärkung dieser "Notar-Funktion" setzt voraus, dass die Geschäftsführung der AK und die Strukturen der beiden Seiten organisatorisch sauber voneinander getrennt sind.
Ausschüsse und Arbeitskreise
Eine wichtige Rolle in der Berücksichtigung der verschiedenen Perspektiven und Anliegen der verschiedenen Sparten und Einrichtungstypen spielen die Ausschüsse der AK und die Arbeitskreise der Dienstgeberseite. Konkreter Sachverstand und Praxiserfahrung werden hier eingebracht und gebündelt. Im Zuge der Zuarbeit der Kommissionsmitglieder müssen daher auch die Vorschläge und Stellungnahmen dieser Ausschüsse und Arbeitskreise angemessen erfasst und berücksichtigt werden. Auch dazu bedarf es ausreichender Kompetenzen und Ressourcen in der Zuarbeit für die Dienstgeberseite.
Geschäftsstelle der Dienstgeberseite
Um die hier skizzierte Zuarbeit gestalten zu können, sollte die Geschäftsstelle der Dienstgeberseite quantitativ und qualitativ deutlich ausgebaut und mit einem klaren Auftrag versehen werden.
Sie wäre dann zuständig für die juristisch wie ökonomisch fundierte Entwicklung und Aktualisierung tarifpolitischer Eckpunkte, für die Erarbeitung abgestimmter AVR-Änderungsanträge und AK-Vorlagen und für die verhandlungsbezogene Unterstützung und Beratung der Kommissionsmitglieder der Dienstgeberseite - auf Ebene der Bundeskommission wie auch der Regionalkommissionen!
Ebenso wäre die Geschäftsstelle - deutlich über den bestehenden Dienstgeber-Brief hinaus - zuständig für die laufende Information und Kommunikation der Dienstgeber bezüglich laufender Verhandlungen, Verhandlungsergebnisse und ihrer Konsequenzen sowie aktueller und sich abzeichnender arbeitsrechtlicher und tarifpolitischer Fragen. Neben einem aktuellen Medium ("Newsletter", beständig aktualisierte Homepage etc.) kommen auch eine eigene, dienstgeberorientierte Fachzeitschrift zu Fragen des Arbeitsrechts und der Tarifpolitik und auch aktuelle, bedarfsorientierte Informations- und Fortbildungsveranstaltungen infrage. Je fundierter und zügiger die Geschäftsstelle diese anspruchsvollen Kommunikationsaufgaben gestaltet, desto besser können auch die verschiedenen Gliederungen, vor allem die Diözesan-Caritasverbände, die Kommunikation und Abstimmung in ihrem jeweiligen Bereich gestalten.
Positionierung innerhalb der verbandlichen Strukturen
Die Profilierung der Perspektiven und Positionen der Dienstgeber-Seite sollten zwar in einer eigenen, von der AK-Geschäftsführung und von der Dienstnehmer-Seite klar unterschiedenen Struktur erfolgen. Allerdings muss diese auch weiterhin in die Strukturen des Caritasverbandes eingebettet sein. Daher sollte die Geschäftsstelle - wenngleich als Geschäftsstelle der Dienstgeberseite - innerhalb des Verbandes verbleiben und nicht etwa ausgegliedert werden. Eine Ausgliederung der Dienstgebervertretung aus den verbandlichen Strukturen widerspräche erstens dem Charakter des Verbandes als Dienstgemeinschaft und hätte zweitens zusätzliche Abstimmungsbedarfe zur Folge.
Die von manchen erhobene Forderung nach einem eigenständigen "Dienstgeberverband der Caritas" (siehe dazu neue caritas Heft 03/2011, S. 24) wird sich als desto weniger begründet erweisen, je mehr sich die Dienstgeberseite mit ihren AK-Mitgliedern und mit ihrer Geschäftsstelle als "die Stimme aller Dienstgeber" innerhalb des Caritasverbandes positionieren kann.
Stärkung des Dritten Weges
Eine professionell aufgestellte und dadurch gestärkte Dienstgeberseite ist weit eher als ein zersplittertes "Dienstgeber-Lager" in der Lage, sich auf eine konstruktive Suche nach Kompromissen einzulassen. Freilich erfordert der Dritte Weg Stärke und professionelles Agieren auf beiden Seiten: Eine selbstbewusste und gut positionierte Dienstgeberseite wird eine entsprechende Profilierung und Professionalisierung der Dienstnehmerseite nicht nur nicht fürchten, sondern als notwendige Voraussetzung eines "harten, aber fairen" Aushandelns auf Augenhöhe ausdrücklich begrüßen.