Jugendliche erfahren Toleranz und Demokratie durch Peertrainer
Rund 20 Prozent der jungen Bevölkerung in Deutschland haben eine Migrationsbiografie. Die Öffentlichkeit sieht diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen eher als „Problemgruppe“, anstatt sie als gesellschaftliches Potenzial wertzuschätzen. Deren Fähigkeiten nicht zu nutzen wäre auf Dauer sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich eine Verschwendung von Ressourcen. Um dem entgegenzuwirken, hat die Katholische Jugendsozialarbeit Region Nord (KJS) 2010 im Rahmen des Kinder- und Jugendplanes des Bundes ein Modellprojekt gestartet. In diesem werden junge Menschen mit und ohne Migrationsbiografie zu sogenannten Peertrainer(inne)n für interkulturelle Kompetenz qualifiziert. Diese sollen in Jugendzentren, im Jugendmigrationsdienst oder in anderen Jugendhilfeeinrichtungen tätig werden. Das Projekt dient der Demokratieentwicklung. Gemeinsam mit Fachkräften vor Ort will es Jugendlichen in den Einrichtungen den Blick für andere Kulturen öffnen.
15 Jugendliche im Alter von 16 bis 27 Jahren – davon acht mit einer Migrationsbiografie – haben am Projekt teilgenommen, um als zukünftige Peertrainer(innen) zur interkulturellen Öffnung in der Jugendsozialarbeit beizutragen.
Inhaltlich ging es in der Schulung der Peertrainer(innen) vor allem darum,
- die eigenen Stärken und Potenziale zu entdecken und zu entwickeln;
- Grundlagen für ein gegenseitiges Verständnis von jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu erarbeiten;
- eine eigene Haltung zu entwickeln, die geprägt ist von Respekt und Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Menschen;
- als Peertrainer(in) Ideen der eigenen „Lotsenfunktion“ zu entwerfen und dabei den Gedanken der Partizipation in der Peergruppe aufrechtzuhalten;
- in den Einrichtungen, in denen die Peertrainer(innen) tätig sind, neue Erfahrungen zu ermöglichen, um damit zur interkulturellen Öffnung und zur Integration junger Menschen beizutragen.
Dem Peer-Projekt liegt der Ansatz des Trainings „Eine Welt der Vielfalt“ zugrunde, das 1985 in den USA entwickelt wurde. Es thematisiert Vielfalt als Chance, aber auch als Ursache für Ungleichbehandlung und Unterdrückung.
Kerngedanke dieses Projektes der KJS Nord ist: Jugendliche (die Peertrainer) erarbeiten zusammen mit anderen Jugendlichen ein gemeinsames Demokratieverständnis. Die Peertrainer haben die gleichen Fragen, Themen und Probleme wie ihre Altersgenossen. Sie sind nah an den Jugendlichen dran, mit denen sie zusammenarbeiten. Sie treten nicht als „Oberlehrer“ auf, sondern sie sind „eine(r) von ihnen“. Sie haben eher Vorbildfunktion.
Sie haben gelernt, Gruppen zu leiten
Für ihre Qualifizierung zum „Peertrainer/ zur Peertrainerin“ haben sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen an drei Wochenenden für jeweils drei Tage zusammengefunden. Sie wurden von ausgebildeten Peertrainern unterstützt und haben gelernt, Gruppen anzuleiten, Informationen zu veranschaulichen und zu vermitteln, aber auch schwierige Situationen
in der Gruppe zu meistern. Eine wesentliche Grundlage dabei war die kulturelle Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie die Stärkung des eigenen Einfühlungsvermögens. Ende Mai 2011 haben alle Teilnehmer(innen) die Qualifizierung abgeschlossen.
Das Training wird nun in den Einrichtungen vor Ort fortgesetzt. Die Träger und ihre Kooperationspartner schaffen Gelegenheiten dafür, dass die neuen „Peertrainer(innen)“ ihr Wissen an den jeweiligen Standorten an Jugendliche der gleichen Altersgruppe weitergeben können. Eine Projektbegleitung bleibt erhalten.
Seit Beginn des Projektes gibt es eine Internetplattform, über die die Jugendlichen miteinander in Kontakt treten können. Diese wird nun, nach Abschluss der Qualifizierungsphase, stärker genutzt, da die Jugendlichen erste Erfahrungen als „Peertrainer(in)“ austauschen und sich gegenseitig beraten. Die weitere Anbindung an das Projekt erfolgt über telefonische Kontakte der Projektleitung mit den Beteiligten sowie Besuche der Einrichtung vor Ort.
In Eigeninitiative hat sich die Peertrainer-Gruppe dazu entschlossen, zwei weitere Wochenenden miteinander zu verbringen, um noch einmal gemeinsam die Umsetzung des Gelernten zu üben und in der Funktion als „Peertrainer(in)“ sicher zu werden.
Gibt es schon erste Effekte in den Einrichtungen?
Zur Ergebnissicherung sind nun Workshops in den jeweiligen Einrichtungen vor Ort vorgesehen. Dort werden die Erfahrungen der jungen „Peertrainer(innen)“ sowie der Betreuer(innen) bewertet. Es wird außerdem überprüft, ob bereits Effekte in den Einrichtungen zu erkennen sind.
Das Projekt endet im Frühjahr 2012 mit einer Abschlussveranstaltung. Dort werden die Beteiligten ihre Projektergebnisse der Fachöffentlichkeit vorstellen. Die Ergebnisse werden in einer Dokumentation zusammengefasst. Am Ende soll ein sogenanntes „Toolbuch“ entstehen, das den Projektansatz als „good practice“ zum Transfer für andere Einrichtungen bereitstellt und damit der Fachpraxis als Handwerkszeug dient.