Entscheidend ist die Kommunikation
Die Marienhaus GmbH ist in den Ländern Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und NRW vertreten. Im Jahr 1903 von der Ordensgemeinschaft der Waldbreitbacher Franziskanerinnen gegründet, verfügt sie über 25 Krankenhäuser, 17 Alten- und Pflegeheime, acht Hospize, zwei Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und sieben weitere Einrichtungen. Die Cusanus Trägergesellschaft Trier (ctt) im Saarland, Rheinland-Pfalz und NRW verfügt über vier Akutkrankenhäuser, fünf Rehakliniken und 20 Altenhilfeeinrichtungen.
Kooperationen und Fusionen sind für die Träger Marienhaus und ctt bei weitem kein Neuland. Dies ist dem Trend geschuldet, dass gerade wegen der ständig steigenden Kosten im Gesundheitswesen die Frage der Wirtschaftlichkeit eine immer größere Rolle spielt.
Wirtschaftliche Fundamente müssen erhalten bleiben
Auch Träger, die sich dem Leitbild der christlichen Werte verpflichtet fühlen, können und dürfen sich diesen Herausforderungen nicht entziehen, die Folgen wären fatal. Wer wie Marienhaus ein mehr als hundertjähriges Vermächtnis zu verwalten hat, wer Verantwortung für Einrichtungen trägt, die den Menschen mehr als nur medizinische Versorgung bieten, wer den Anspruch hat, nachhaltig auch in Zukunft christlichen Werten verpflichtete Einrichtungen führen zu können, muss alles dafür tun, dass die wirtschaftlichen Fundamente erhalten und weiterentwickelt werden.
Die stationäre Patientenversorgung bildet den wesentlichen Kern des gesamten Gesundheitssektors. Sie ist zugleich der größte Kostenfaktor. In einer Langzeitbetrachtung der letzten Jahrzehnte sind im Bereich der Krankenhäuser die Kosten doppelt so stark gestiegen wie die allgemeinen Ausgaben im Gesundheitsbereich. Wer immer das Gesundheitssystem reformieren will, und derer gibt es nicht wenige, kommt an dem System der Krankenhäuser nicht vorbei. Die Träger sind also gut beraten, wenn sie den Kostenträgern gegenüber deutlich machen, dass sie daran mitwirken, ein wirtschaftliches System auf hohem medizinischen Niveau bereitzustellen.
Vor diesem Hintergrund hat die Marienhaus GmbH schon früh damit begonnen, Kooperation und Fusionen anzustreben. Die Aktivitäten reichen bis in das Jahr 1979 zurück. Sie betreffen Krankenhäuser innerhalb der Organisation, aber auch externe Träger. Marienhaus kooperiert inzwischen mit zwölf verschiedenen Partnern in unterschiedlichen Rechtsformen.
Dabei handelt es sich um ein breites Spektrum: Dies sind Ordensgemeinschaften (Frauen- und Männerorden), Kommunen und kirchlich organisierte Trägerorganisationen. Weitere Kooperationen werden folgen: so auch die Fusion der Marienhausklinik Saarlouis mit dem ctt-Krankenhaus in Dillingen, die ganz aktuell ansteht.
Der Nutzen von Kooperation muss transparent werden
Jenseits der Betrachtung, ob sich Häuser von ihrer inhaltlichen und fachlichen Ausrichtung mehr ergänzen oder ob es Überschneidungen gibt, jenseits der sattsam diskutierten Frage, welche Synergien es im Organisations-, Personal- und Bewirtschaftungs- und Beschaffungsbereich zu heben gilt - die entscheidende Frage ist die der Kultur und der Kommunikation.
Der Nutzen von Kooperation und Fusion ist jedermann schnell erschließbar. Gerade in Zeiten eines enormen Reformdrucks bis hin zu politischen Vorgaben in den Landeskrankenhausplänen wird niemand widersprechen, wenn Entscheidungen auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gefällt werden. Allerdings müssen in den Häusern unterschiedliche Kulturen zusammengeführt werden. Dieser Prozess ist der eigentlich erfolgskritische Faktor bei jedem Fusionsprojekt.
Die Kultur in einer Organisation wird eben nicht nur geprägt von der Führung, sondern gerade auch von der Gesamtheit der Mitarbeiter(innen). Deshalb ist der Dialog und die Kommunikation in Fusionsprozessen so wichtig: Es gilt, im komplexen System Krankenhaus alle Betroffenen mitzunehmen. Es geht um Dialog, nicht nur um einseitige Mitarbeiterinformation.
Denn wenn im System Krankenhaus Optimierungs- und Effizienzreserven wirksam genutzt werden sollen, braucht es das Potenzial der Mitarbeiter(innen), um diese Prozesse zu ermöglichen. Ausgangspunkt dieses Kommunikationsprozesses muss es sein, ein neues Bewusstsein in den Organisationen zu schaffen: das Bewusstsein, aufeinander angewiesen zu sein, um gemeinsame Ziele zu erreichen.
Die Leitung muss hinter einer Fusion stehen
Allzu oft wird dieser Anspruch schon von Anfang an durch Störungen in der Kommunikation unterlaufen. Doch bekanntlich wird die Treppe von oben gekehrt: Leitung und oberes Management müssen voll hinter den Fusionsprojekten stehen, müssen Wandel und neue Ideen tatsächlich leben. Wenn an der Spitze des Systems Bereichsegoismen, Abwehrmechanismen und Abschottung die maßgebliche Grundhaltung sind, dann kann in der Organisation kein innovationsfreundliches Klima der Kooperation entstehen. Fusionen sind keine Veranstaltungen, die in der berühmten Komfortzone stattfinden.
Im Gegenteil: Alle Beteiligten müssen sich auf einen Lernprozess einlassen, Konflikte dürfen auftreten und müssen auch benannt werden. Dies ist nicht negativ, sondern positiv: Es fördert eine produktive Atmosphäre. Umdenken und Neudenken werden so erst ermöglicht.
Die Unterschiede der Kulturen dürfen nicht unterschätzt werden. Die Unternehmenskultur ist Teil der Identität der Mitarbeiter(innen). Der Wechsel in eine neue Kultur ist dann auch ein Identitätswechsel mit all seinen Schwierigkeiten. Identität darf dabei kein Label, kein Etikett sein, das man auf der Stirn trägt, und hinter dem es anders aussieht. Identität ist der innere Zusammenhalt einer Einrichtung. Die neue Unternehmenskultur muss von allen gelebt werden. Die Kultur und die Identität des Partners stehen in keinem Geschäftsbericht und keinem Buchhaltungsauszug. Sie können nur im Verhandlungsgeschehen festgestellt werden. Dafür braucht es aber mehr als ein erstes Gespräch.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Fusionen ist die externe Begleitung, die objektiv Schwachstellen analysiert und sicher Geglaubtes infrage stellen kann, ohne dass der Prozess der Kooperation gefährdet wird. Die Erwartungshaltung aller Beteiligter muss den Realitäten angepasst werden. Wer eine optimale Lösung aller Probleme durch Fusionen erwartet, wird enttäuscht. Hier gilt es, das Erreichte zu würdigen und im weiteren Prozess notwendige Korrekturen vorzunehmen, ohne gleich alles zu hinterfragen.
Ohne handwerkliches Know-how geht nichts
Jedes Fusionsprojekt ist gleichzeitig auch ein Change-Projekt (englisch "change" meint hier Veränderung). Deshalb ist professionelles Change-Management erforderlich, das heißt, das Unternehmen muss dafür sorgen, seine Strategie ständig an sich ändernde Rahmenbedingungen auszurichten. Die Projektverantwortlichen brauchen also das strategische, aber auch das handwerkliche Rüstzeug, um erfolgreich zu sein.
Eine Fusion auf dem Reisbrett, im stillen Kämmerlein erdacht, wird nicht den Erwartungen, auch nicht geringeren Erwartungen, genügen. Deshalb sollten auf organisatorischer Ebene entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Hier gilt es einiges zu beachten und umzusetzen:
- Das Fusionsprojekt muss unter dem Aspekt der Dringlichkeit und Notwendigkeit gesehen werden. Eine fundierte Analyse muss zu dem Schluss kommen, dass eine Kooperation notwendig ist. Dazu muss die Konkurrenzsituation vor Ort zwischen verschiedenen Trägern ebenso betrachtet werden wie die Kosten der Leistungserbringung der Kooperationswilligen und die mit der Fusion verbundenen Verbesserungspotenziale. Das bedeutet, dass die Ausgaben vor der Fusion und die Erwartung für die Zeit nach der geplanten Fusion gegenübergestellt werden müssen. Auch der politische Hintergrund der Krankenhausfinanzierung spielt eine Rolle. Politische Vorgaben wie die Krankenhausfinanzierung fließen ebenfalls in die Rechnung ein.
Alle Voraussetzungen, die das Projekt notwendig machen, sollten immer und immer wieder kommuniziert werden. Somit entsteht eine breite Legitimationsbasis für die folgenden Einschnitte.
- Die Fusion benötigt nach dieser Ana-lyse und Einstimmungsphase eine klare Vision und Strategie. Schon bei der Strategieentwicklung müssen die Mitarbeiter(innen) integriert werden. Anschließend gilt wieder das Postulat der Kommunikation: Auf allen Ebenen und auf allen Kanälen muss diese Vision vermittelt werden.
- Natürlich ist bei der Umsetzung die Personalauswahl entscheidend. Die Mitglieder des Fusionsprojektes müssen fachlich wie menschlich für eine solche Maßnahme geeignet sein. Gerade in den Arbeitsgruppen sollten hierarchieunabhängig die Spezialist(inn)en sitzen, denen man die Arbeit zutraut. Eine reine Besetzung nach Rang- und Hackordnung führt zu keiner innovativen Arbeitsatmosphäre.
- Wichtig ist, dass man das Projekt aufgliedert und dezentrale Strukturen geschaffen werden. Es hat keinen Sinn, alle Detailfragen im Lenkungsausschuss zu erörtern: Man muss den Mut haben, bis in die Teilarbeitsgruppen Aufgaben zu delegieren. Dieses Vertrauen in die Teammitglieder wird durch konstruktive Zuarbeit belohnt.
- Im gruppendynamischen Prozess muss allerdings darauf geachtet werden, dass immer die Inhalte, nicht die Personen im Vordergrund stehen. Machtkämpfe, Vergangenheitsbewältigung und Schuldzuweisungen sind willkommene Verzögerungsstrategien für Veränderungsunwillige und müssen vermieden werden.
Positive Ergebnisse erhellen eine ungewisse Zukunft
Wer diese Regeln beachtet, wird bald auch schnelle Erfolge beim Fusionsprozess erzielen, da ein gutes Team ergebnisorientiert arbeitet. Diese sollten, ebenso wie die geplanten Teilphasen der Fusion, immer kommuniziert werden. Die ersten positiven Resultate sind sozusagen sichere Trittsteine in die noch als ungewiss empfundene Zukunft und müssen als solche vermarktet werden. Dann geht auch das Projekt in die richtige Richtung.
Auf Dauer werden wir in der Krankenhauslandschaft auf breiter Front um das Thema Kooperation und Fusionen nicht umhinkommen. Das erfordert große Anstrengungen des Managements und völlig neue Anforderungen an die Mitarbeiter(innen). Die Krankenhausträger werden gut beraten sein, wenn sie solche Projekte nicht nur punktuell angehen, sondern das Change-Management in der gesamten Unternehmensstrategie als Kernaufgabe sehen.
Doch es geht noch weiter: In Organisation und Verwaltung müssen neue Strukturen aufgebaut werden, die den Wechsel hin zu einer Kultur der Kooperation auf breiter Basis ermöglichen. Die Krankenhauslandschaft in Deutschland steht hier vor einem großen Wandel.