Bildungseinrichtungen strategisch weiterentwickeln
Viele kirchliche Träger verfügen über eigene Bildungseinrichtungen, die seit geraumer Zeit einem Veränderungsprozess unterliegen. Beispielsweise sind sie gefordert, den veränderten Tätigkeitsprofilen im ärztlichen, pflegerischen, therapeutischen und medizinisch-technischen Bereich mit neuen Bildungsangeboten zu begegnen. Auch gibt es einen deutlichen Trend zur Akademisierung. Die an Bildungsprogrammen Teilnehmenden sind stark modulorientiert und streben vermehrt akademische Abschlüsse an. Darüber hinaus ist von einem verschärften Wettbewerb zwischen Bildungsanbietern auszugehen, wie die Etablierung überregionaler Bildungskonzerne belegt.
Vor diesem Hintergrund ist jede Bildungseinrichtung angehalten, ihre Rolle und die damit verbundene strategische Ausrichtung im regionalen Bildungsmarkt zu überprüfen. Zum Beispiel kann eine Bildungseinrichtung künftig die Systemführerschaft im Bildungsprozess einnehmen und damit zum langfristigen Karriereberater werden, oder sie kann sich auf hochspezialisierte Nischendienstleistungen konzentrieren. Entscheidend für die strategische Positionierung ist eine strukturierte Vorgehensweise. Hierbei helfen Bildungsbedarfsprognosen, die Orientierung an internen und externen Potenzialen sowie die Überführung der Ergebnisse in ein Ziel-Leistungsportfolio.
Bildungsbedarfsprognosen erstellen
Um abschätzen zu können, wie sich die Anzahl der Bildungskunden entwickeln wird, muss die Anzahl der Beschäftigten nach Dienstarten in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens aus dem Einzugsgebiet der Bildungseinrichtung ermittelt werden. Im nächsten Schritt ist anhand der demografiebedingten FallzahlEntwicklung der künftige Bedarf an Beschäftigten abzuschätzen. Die Fallzahlentwicklung ergibt sich aus der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung, wie sie von den Statistischen Landesämtern veröffentlicht wird. Für das Ausbildungsangebot, beispielsweise Studiengänge, spielt ebenso die künftige Zahl der Absolventen insbesondere mit (Fach-)Hochschulreife eine Rolle.
Externes Marktpotenzial ermitteln
Wie viele Bildungseinrichtungen und -plätze gibt es im Einzugsgebiet? Bei welchen Angeboten konkurriert die eigene Bildungseinrichtung mit vielen Anbietern? Welche Angebote stellen hingegen ein Alleinstellungsmerkmal dar? Welche Angebote sind in der Region unterdurchschnittlich vertreten? Mit diesen Fragen wird das Ziel verfolgt, die Marktposition der eigenen Bildungseinrichtung mit ihren bestehenden oder künftigen Angeboten hinsichtlich ihrer Chancen und Risiken zu ermitteln. Die als vermarktbar identifizierten Bildungsangebote können zu einer deutlichen Erlössteigerung oder zumindest zur Deckung von Fixkosten beitragen.
Internen Bedarf erheben
Der interne Aus-, Fort- und Weiterbildungsbedarf orientiert sich stark an den operativen Notwendigkeiten des eigenen Einrichtungsbetriebs. Er lässt sich durch Befragungen ermitteln, die auch dabei helfen, neue Angebote zu identifizieren. Bevor diese umgesetzt werden, lohnt sich eine Prüfung der Raumauslastung sowie der jeweiligen Produktivität der Lehrkräfte. In der Praxis hat sich gezeigt, dass innovative Bildungsangebote oft im Bereich der strategischen Personalentwicklung entstehen, wie beispielsweise Führungskräfteentwicklungsprogramme, die dann auch über die eigene Bildungseinrichtung umgesetzt werden. Zu klären ist, zu welchen Preisen oder Selbstkosten die internen Bildungsangebote veranschlagt werden sollen.
Ziel-Leistungsportfolio aufstellen
Die Gegenüberstellung des externen Marktpotenzials und des internen Bedarfs in einer Matrix lässt eine systematische Ableitung möglicher Strategien der Weiterentwicklung und Positionierung im Markt zu. Hierzu zählen folgende Angebotsstrategien:
- defensiv (kein Aufbau von neuen Angeboten)
- offensiv (Auf- oder Ausbau von Bildungsangeboten)
- selektiv (Zusammenstellung aus defensiven und offensiven Elementen)
Dabei sollten insbesondere auch innovative Modellprojekte hinsichtlich ihrer Chancen und Risiken näher beleuchtet werden. Für eine "klassische" Pflegeschule kann dies beispielsweise die Gründung eines Studiengangs "Advanced Nursing Practice" mit dem Fokus Altenpflege in Kooperation mit einer Hochschule sein. Dieser bietet ein hohes externes Marktpotenzial. Daraus könnte sich je nach dem einrichtungsspezifischen Portfolio die Empfehlung ableiten, dieses Angebot einzuführen. Ähnliches könnte für eine einjährige Servicehelferausbildung gelten, für die sich bei der Bedarfsprognose vor allem interne und in gewissem Maß auch externe Nachfrage ergeben hat. Wenn das Ziel-Leistungsportfolio festgelegt ist, sollten bei der Umsetzung neben Fragen der Organisation, der Rechtsform, der Standortwahl und der Raumplanung folgende Themenfelder besonders berücksichtigt werden: Schlüsselkunden, Kooperationspartner und externe Dozenten.
Schlüsselkunden gewinnen
Die Gewinnung von Neukunden ist dann von besonderer Bedeutung, wenn sich die Bildungseinrichtung auf externe Kunden fokussieren möchte. Damit einher geht auch eine erhöhte Anforderung an die Wirtschaftlichkeit der Bildungsangebote. Neben Einzelkunden sind Schlüsselkunden, die durch ihre hohe und regelmäßige Teilnehmerzahl gekennzeichnet sind, von hoher Bedeutung. Die Leitung der Bildungseinrichtung ist daher angehalten, durch eine professionelle Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit sowie durch Beziehungspflege diesen Kundenstamm vorrangig zu identifizieren und zu entwickeln. Beispielsweise können hierzu andere Leistungserbringer zählen, die ein festes Teilnehmerkontingent für bestimmte Schulungsprogramme erwerben.
Kooperationspartner suchen
Je nach Ziel-Leistungsangebot sollten geeignete Kooperationspartner identifiziert werden. Hierbei kann es sich neben vorgelagerten Dienstleistern wie Haupt- oder Realschulen und Gymnasien auch um nachgelagerte Bereiche wie Hochschulen handeln. Für die Etablierung dualer Abschlüsse, die im Pflegebereich immer stärker an Bedeutung gewinnen, bieten sich für Pflegeschulen Kooperationen mit Fachhochschulen oder Universitäten an. Dem Kooperationspartner sollten die Vorteile für ihn immer klar genannt werden. Im genannten Beispiel sichert sich die Hochschule ihre Auslastung durch entsprechende Studienteilnehmer(innen).
Externe Dozenten einbinden
Bei einer Ausweitung von Bildungsangeboten ist, je nach aktueller Auslastung, mit weiterem Bedarf an Lehrpersonal zu rechnen. Insbesondere wird auch der Bereich der Koordination verstärkt werden müssen. Damit die fixen Personalkosten der Lehre konstant bleiben, empfiehlt es sich, primär auf externe Dozent(inn)en zurückzugreifen, die nach Aufwand vergütet werden. Bildungseinrichtungen, die Teil eines Trägerverbundes sind, haben hier auch die Gelegenheit, auf eigenes Fachpersonal, wie beispielsweise Chefärztinnen und -ärzte, Verwaltungs- oder Pflegedienstleiter(innen) zurückzugreifen und damit Personalkosten zu sparen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich angesichts der aktuellen Entwicklungen viele neue Anforderungen an das verbundeigene Bildungszentrum ergeben. Eine wohldurchdachte strategische Ausrichtung und Positionierung im Markt hilft dabei, den Anforderungen gerecht zu werden. Hierbei stehen insbesondere das zukünftige Leistungsportfolio, die Einbindung externer Kunden und die Bereitschaft zur Kooperation mit vor- und nachgelagerten Bildungsbereichen im Fokus der handelnden Akteure.