Gesundheitsvorsorge beginnt vor Ort
Die selbstbestimmte Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen, zu fördern und zu sichern ist ein zentrales Ziel der anwaltschaftlichen Lobbyarbeit des Deutschen Caritasverbandes (DCV). Teilhabe bedeutet, Zugang zu sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Möglichkeiten der Gesellschaft zu haben. Somit umfasst dieser Anspruch auch den Zugang zu gesunden und Gesundheit fördernden Lebens- und Umweltbedingungen. Der DCV konzentriert seine Arbeit bei der Kooperation mit Partnern und bei seiner Mitwirkung in Kooperationsverbünden und Netzwerken besonders auf die gesundheitliche Situation von Menschen, deren Zugang zu den materiellen, gesellschaftlichen und kulturellen Ressourcen eingeschränkt ist. Ziel des anwaltschaftlichen Engagements ist es, diesen Gruppen Zugänge zum medizinischen System zu verschaffen und sie darin zu unterstützen, ein gesundheitsbewusstes Leben zu führen. Menschen sollen darin gestärkt werden, ihren Anspruch zu erkennen und einzufordern, aber auch das für sie tragbare Maß an Verantwortung für sich und solidarisch für andere zu übernehmen.
Die Schwerpunktsetzung des DCV basiert auf Erkenntnissen und auf Befunden von Public Health und den Ergebnissen der Gesundheitsberichterstattung. Folgende Befunde sind dabei handlungsleitend:
- Das unterste Fünftel (gemessen an Einkommen und Bildung) der Bevölkerung trägt in jedem Lebensalter ein deutlich höheres Risiko, ernsthaft zu erkranken oder vorzeitig zu sterben, als Angehörige des obersten Fünftels.
- Viele chronische Erkrankungen sind trotz Fortschritten in der kurativen Medizin nicht heilbar, sondern benötigen lebenslange Aufmerksamkeit, Kontrolle und Unterstützung. Das Auftreten chronischer Erkrankungen ist in hohem Maße abhängig von individuellem Verhalten sowie von gesundheitlichen Belastungen aus der sozialen Umwelt. Chronische Erkrankungen bei Kindern nehmen zu.
- Die Ungleichheit der Gesundheitschancen erklärt sich neben der ungleichen Verteilung von Belastungen auch durch die ungleiche Verteilung von gesundheitsrelevanten Ressourcen. Letzteres erklärt unterschiedliches gesundheitsrelevantes Verhalten in den gesellschaftlichen Schichten und Milieus, obwohl das Wissen um gesundheitsschädliches Verhalten weitgehend gleich verteilt ist.
- Die durchschnittliche Lebenserwartung wächst in Deutschland pro Jahrzehnt um etwas mehr als ein Jahr. Die älter werdenden Menschen bleiben länger gesund. Der überwiegende Anteil des medizinischen Fortschritts geht auf das Konto allgemein verbesserter Lebensbedingungen und günstigen Gesundheitsverhaltens.
Soziale Gesundheit, was ist das?
Der Deutsche Caritasverband favorisiert das Konzept der sozialen Gesundheit. Gesundheit und Krankheit sind danach nicht allein auf das Individuum zu beziehen, sondern ihre materiellen, kulturellen und gesellschaftlichen Ursachen und Rahmenbedingungen sind vorrangig zu betrachten und in eine umfassende Gesundheitspolitik umzusetzen. Damit liegt die Verantwortung für Gesundheitsförderung nicht nur beim Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen. Der Ansatz zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden. Menschen sollen dazu befähigt werden, ihre eigene Gesundheit und die ihrer Umgebung zu erhalten und zu gestalten.
Ohne die Ergebnisse des DCV-Projekts Verbandsentwicklung mit den beiden Unterprojekten Föderalismusreform und Kommunalisierung vorwegzunehmen, kann man behaupten, dass bei der Umsetzung des Konzepts der sozialen Gesundheit auch in der Gesundheitspolitik eine Kommunalisierung zu erwarten ist. Noch immer versucht die Bundesregierung in Kombination mit den Sozialversicherungsträgern, über die Gesetzgebung den untersten Verwaltungseinheiten bestimmte Aufgaben bundeseinheitlich zu übertragen (vgl. Pflegestützpunkte nach dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz). Doch dies gelingt immer weniger und wird nach dem Aufgabenübertragungsverbot durch Artikel 84 GG für den Bundesgesetzgeber noch schwieriger.
Folgende Vorschrift im SGB IX ist beispielsweise bis heute nicht in allen Bundesländern umgesetzt: In der Frühförderung für Kinder mit Behinderung soll eine Komplexleistung mit einheitlichen Kriterien eingeführt werden, finanziert von den Krankenversicherungen und dem Sozialhilfeträger (Kommune).
Hilfe ist lokal zu gestalten
Abgesehen von der gesetzgeberischen Situation muss die Aktivierung und Unterstützung der gesundheitlichen Kompetenzen der Bürger an den konkreten Lebenswelten ansetzen. Das gilt besonders dann, wenn die Menschen erreicht werden sollen, die am Zugang zu den erforderlichen Ressourcen gehindert sind. Gesundheitsfördernde Initiativen und Aktivitäten müssen auf die Gesundheitsförderung vor Ort bezogen sein (beispielsweise die gemeinsame Analyse gesundheitsgefährdender Stressfaktoren, die Aktivierung von Ressourcen und sozialen Beziehungen und die soziale Unterstützung zur Alltagsbewältigung sowie Aufklärung oder niedrigschwellige Beratung). Auch hier gilt: "Man muss sich vor Ort gut auskennen, um helfen zu können."
Kommunen haben eine besondere Verantwortung in der Förderung der öffentlichen Gesundheit. Prävention und Gesundheitsförderung müssen einen größeren Stellenwert innerhalb der kommunalen Aufgabenskala erhalten. Die bestehenden Initiativen "Soziale Stadt" und die Kooperationen im "Gesunde-Städte-Netzwerk" sind auszubauen. Gesundheitsförderung muss sich vorrangig auf soziale Brennpunkte richten. Ein entsprechendes Quartiersmanagement muss Räume der Regeneration, der Sicherheit, der Kommunikation und Partizipation für Familien, Kinder und Jugendliche sowie ältere und behinderte Menschen schaffen. Der Schwerpunkt der Gesundheitsförderung liegt also nicht auf Angeboten zur Raucherentwöhnung, Kursen gegen Adipositas, Entziehungskuren oder Bewegungstraining, sondern auf der gemeinsamen Analyse der gesundheitsgefährdenden Stressfaktoren, der Aktivierung der Ressourcen und sozialen Beziehungen sowie in der sozialen Unterstützung zur Alltagsbewältigung.
Hierfür muss die zweite Stufe der Föderalismusreform dringend umgesetzt werden, damit die Kommunen für diese Aufgaben der Daseinsfürsorge finanziell ausreichend ausgestattet werden können.
Gesundheitsförderung in den Einrichtungen
Dienste und Einrichtungen können zunächst selbst prüfen, ob sie ihren Nutzern eine gesundheitsfördernde Umgebung bieten (Baubiologie, umweltgerechte Hauswirtschaft, Bewegungsspielräume, sinnliche Umwelt). Umweltgerechtes Wirtschaften sollte als Kriterium der Caritasqualität im QM-System verbindlich verankert sein.
Auch die inhaltlichen Konzepte der Angebote können daraufhin überprüft werden, ob gesundheitsfördernde Aspekte berücksichtigt sind: Verstärken die Zielvorgaben, die Organisation und die Arbeitsprozesse den Stress, oder werden gesundheitsfördernde Coping-Strategien (Bewältigungsstrategien) der Mitarbeitenden und der Hilfe- und Ratsuchenden und ihrer Angehörigen unterstützt? (Ist das Krankenhaus familienfreundlich? Sind die Tätigkeiten zwischen verschiedenen Berufsgruppen, zum Beispiel zwischen Ärzten und Pflegepersonal, an berufsständischen Interessen oder am Wohl der Patienten orientiert? Öffnet man sich für die Übernahme von Verantwortung des nicht-beruflichen Hilfesystems? Wird die Interessenselbstvertretung Angehöriger unterstützt?)
Einrichtungen müssen Teil des Gemeinwesens werden
Über die individuelle oder gruppenbezogene Beratung und Hilfe hinaus können Dienste und Einrichtungen nach den Gesundheit unterstützenden sozialen und materiellen Umweltbedingungen fragen, mit denen die Rat- und Hilfesuchenden leben. Dazu müssen Dienste und Einrichtungen ein Teil des Gemeinwesens werden. Um auf diese Bedingungen auch Einfluss nehmen zu können, sind die Leistungen ressourcenorientiert anzubieten: Zuerst werden die Selbsthilfekräfte und die Kräfte des sozialen Nahraums aktiviert, bevor die professionelle Hilfe greift.
Dienste und Einrichtungen müssen vernetzt sein. Konkret heißt das, dass die Mitarbeitenden der unterschiedlichen Dienste und Einrichtungen voneinander wissen, die Ziele, Angebote und Leistungen kennen. Im konkreten Fall können sie nach einer ersten Problemdefinition mit den Hilfe- und Ratsuchenden - wenn nötig - auch die Grenzen ihrer Kompetenz erkennen und an die "richtige" Stelle weiterleiten.
Weitere Anforderungen an die Mitarbeitenden sind:
- Gesundheitliche Aspekte bei der Problemdefinition erkennen.
- Die Ursachen von Problemen in der Lebenswelt erkennen und die Erkenntnisse weitergeben, so dass sie vom Caritasverband als Mitgestalter der lokalen Sozial- und Gesundheitspolitik in die (Lokal-) Politik eingespeist werden können.
Wenn gesundheitsfördernde Maßnahmen lokal zu initiieren und durchzuführen sind, kommt der verbandlichen Caritas vor Ort eine wesentliche Rolle zu. Dort sind die gesundheitsrelevanten Bedingungen der Lebenswelten zu analysieren, Verbündete zu suchen und/oder zu aktivieren, lokale Sozial- und Gesundheitspolitik mitzugestalten, Aktionen zu planen und durchzuführen.
Der Setting-Ansatz für Prävention und Gesundheitsförderung nimmt die Stadt, das Quartier und das Dorf als Gestaltungseinheit für gesundheitsrelevante Umweltbedingungen in den Blick. Die Aktivierung der Bewohner ist eine Aufgabe der örtlichen Caritas. Das kann sich in Initiierung von Aktionen niederschlagen (zum Beispiel Aktion der Wohnungslosenhilfe gegen Vertreibung aus dem öffentlichen Raum; Förderung von generationsübergreifenden Lerngemeinschaften ausgehend vom Kindergarten; Patenprojekte aus dem Projekt Service Learning).
Selbsthilfegruppen sind wichtige Partner
Selbsthilfegruppen chronisch kranker Menschen sind wichtige Schlüsselgruppen mit Schlüsselpersonen vor Ort. Sie sind in Zusammensetzung und in ihren Aktivitäten häufig auf die gesellschaftliche Mittelschicht bezogen. Von der Lokalpolitik werden sie in vielen Fällen als die einzig wahren Lobbyisten für die betroffenen Menschen betrachtet. Gegenüber der Caritas besteht häufig Skepsis, weil die Caritas zuerst als Vertreterin der Dienste und Einrichtungen (Lobbyistin für die Anbieter) und in ihrer Funktion als Mitgestalterin der lokalen Sozial- und Gesundheitspolitik als Konkurrenz gesehen wird. Die Zusammenarbeit der örtlichen Caritas mit den Selbsthilfegruppen sollte darum das Ziel haben, erstens diese Vorbehalte abzubauen und zweitens deren Blick für die Menschen zu schärfen, die sich durch mittelschichtorientierte Maßnahmen und Projekte kaum ansprechen lassen.
Damit das gelingt, benötigt auch die örtliche verbandliche Caritas für diese Aufgaben eine klare Rollendefinition für die Funktion als Mitgestalterin der lokalen Sozial- und Gesundheitspolitik.
Fachverbände haben sich zu Nachhaltigkeit verpflichtet
Fachverbände sollten ihre Mitglieder beim umweltgerechten Wirtschaften und bei der gesundheitsfördernden Organisation der Arbeitsprozesse unterstützen. Der Deutsche Caritasverband und die meisten Fachverbände haben in ihren Leitbildern oder Rahmenkonzeptionen die Selbstverpflichtung zur nachhaltigen und umweltgerechten Leistungserbringung formuliert. Die Mitverantwortung für die Bewahrung der Schöpfung wird genannt. Organisation und Arbeitsabläufe sollen in den Diensten und Einrichtungen umweltverträglich gestaltet werden. Das sind alles besonders gesundheitsrelevante Faktoren.
Um die Vision einer umweltgerechten Leistungserbringung zu verwirklichen, sind punktuelle Umweltschutzmaßnahmen von Einrichtungen und Diensten förderlich. Sie bleiben aber Stückwerk, da eine grundlegende Systematik fehlt. Dadurch wird das mögliche Potenzial nicht optimal genutzt. An diesem Punkt setzt ein Umweltmanagementsystem an, mit dessen Anwendung die Einrichtungen und Dienste angeleitet werden, sich Ziele hinsichtlich des Verbrauchs von Ressourcen/zum Schutz der Umwelt zu setzen, daraus Maßnahmen abzuleiten und deren Wirkung systematisch zu ermitteln.
Da Umweltmanagementsysteme auf der gleichen Systematik aufbauen wie Qualitätsmanagementsysteme (zum Beispiel DIN ISO 9001:2000 und ISO 14001), können sie in (bestehende) Qualitätsmanagementsysteme integriert werden. Der Aufwand für die Einführung und Aufrechterhaltung eines Umweltmanagementsystems wird dadurch reduziert. Die Praxis in Einrichtungen und Diensten, die ein Umweltmanagementsystem anwenden, hat gezeigt, dass dadurch erhebliche Einsparungen beim Verbrauch von Ressourcen erzielt werden können, mit einem zweifachen Nutzen: Es wurde ein nachweisbarer Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung geleistet, der sich auch noch in wirtschaftlicher Hinsicht auszahlt.
Weiter können Fachverbände Einfluss auf die Aus-, Fort- und Weiterbildung nehmen, damit Mitarbeitende Kompetenzen für die Vernetzung der Dienste und Einrichtungen und für deren Gemeindeorientierung erwerben. Da häufig auch die Aus- und Weiterbildungsstätten selbst Mitglied in Fachverbänden sind, liegt hier ein wesentliches Einflussfeld. Darüber hinaus können Fachverbände die Personalentwicklung ihrer Mitglieder unterstützen.
Soziale Gesundheit braucht politische Lobbyisten
Das Konzept der sozialen Gesundheit postuliert, dass Gesundheit in vielfältiger Weise abhängig von Bedingungen jenseits des eigenen Gesundheitsverhaltens ist. Das berufliche Umfeld, die Bildungsinstitutionen, die Wohnsituation, Verkehr und Umweltbelastungen sind gesundheitsrelevant. Wie dem Deutschen Caritasverband auf Bundesebene obliegt den Diözesan-Caritasverbänden auf Landesebene die Aufgabe, Einfluss auf die Politik zu nehmen und Stellung zur Gesundheitsrelevanz von politischen Entscheidungen zu beziehen. Für die fachliche Arbeit ist eine stärkere Vernetzung der Analysen, der Bewertungen und Aktionen der häufig getrennt arbeitenden Fachleute erforderlich.
Folgende Lebensräume und -welten sollten in den Blick genommen werden:
- Haushalt und Familie:
Die Familie ist der zentrale soziale Nahraum und grundsätzlich ein wichtiger Ort für ein gesundes Aufwachsen und die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern. Die Caritas ist mit dem Haushaltsorganisationstraining (HOT) als einem Beitrag für die Gesundheitsförderung und Prävention schon lange Zeit präsent.
Zudem sind Haushalt und Familie der Ort, an dem die Angehörigen ohne viel zusätzliche Hilfe für zwei Drittel der unterstützungs- und pflegebedürftigen älteren Menschen die erforderlichen Unterstützungs- und Pflegeleistungen erbringen. Die gesundheitserhaltende und -fördernde Unterstützung für dieses nicht-berufliche Hilfesystem in der Pflege muss dringend verbessert werden. Bezahlbare Alltagsbegleitung, Verbesserung des präventiven Hausbesuchs und die Ermutigung und Befähigung pflegender Angehöriger, ihre Interessen zu vertreten, sind Wege, die seit einiger Zeit in der Caritas erprobt werden. - Tageseinrichtungen für Kinder:
Die Gesundheitskompetenzen von Kindern müssen frühzeitig gefördert werden. Dazu tragen eine gesunde Ernährung, die Förderung der Bewegung, eine sinnvolle Freizeitgestaltung sowie das Erlernen sozialer Kompetenzen und Konfliktlösungsmechanismen bei. - Orte schulischer und außerschulischer Bildung:
In allen Schulen und in den Diensten und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe müssen Gesundheitskompetenzen gefördert werden. Zentraler Schwerpunkt müssen neben gesunder Ernährung und Bewegung Strategien zur Bewältigung von Stress und Aggressionen sein sowie die Sucht- und Drogenprävention. - Betriebe:
Psychische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch. Inzwischen ist die Anzahl der Krankheitstage infolge psychischer und psychosomatischer Erkrankungen höher als die infolge von körperlichen Erkrankungen. Diese Entwicklung lässt sich EU-weit betrachten. Hier müssen geeignete Maßnahmen zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz entwickelt und umgesetzt werden. - Gesundheitsinstitutionen:
Ärzte müssen in der Früherkennung von psychischen und gerontopsychiatrischen Erkrankungen besser ausgebildet werden. Psychisch kranke, pflegebedürftige Menschen, chronisch erkrankte Menschen und Menschen mit Behinderung sind präventiv häufig unterversorgt. Vorhandene Aktivierungs- und Rehabilitationspotenziale werden nicht eruiert und infolge dessen auch nicht ausgeschöpft. - Soziales Wohnumfeld/Quartier:
Die bestehenden Initiativen "Soziale Stadt" und die Kooperationen im "Gesunde-Städte-Netzwerk" sind auszubauen. - Selbsthilfegruppen:
Wie die Kooperation mit der Selbsthilfe vor Ort teilweise neu gestaltet werden muss, so ist auch in manchen Fällen ein neuer Ansatz auf Landesebene zu unterstützen und ausbauen. - Förderung des nicht-beruflichen Hilfesystems:
Nicht-berufliche solidarische Hilfeformen, die zwischen der individuellen Selbsthilfe der einzelnen Person und den institutionellen und beruflich organisierten Hilfesystemen stehen, umfassen Hilfen in Familien, die Nachbarschaft, die Selbsthilfegruppen auf örtlicher Ebene in informellen und formellen Strukturen ebenso wie ehrenamtliche Hilfen und Freiwilligenarbeit. Die Motivation, die Auswahl der Hilfefelder, die Inhalte, das konkrete Engagement ergeben sich meist aus dem persönlichen Bedarf oder dem zwischenmenschlichen Mitgefühl und den erreichbaren Ressourcen. Diese nicht-beruflichen Hilfeformen übernehmen in vielen gesundheitsrelevanten Hilfefeldern mehr als zwei Drittel der notwendigen Leistungen. Sie sind aber viel weniger im Blick als das berufliche Hilfesystem. Damit solche nicht-beruflichen Hilfenetze nicht frühzeitig reißen, müssen sie und ihre präventive Wirksamkeit identifiziert und unterstützt werden.
Wohnortnahe Versorgung für ein Altern in Gesundheit
Mit einigen Projekten nimmt der Deutsche Caritasverband das Konzept der sozialen Gesundheit auf. So hat in diesem Jahr ein Projekt "Gesundheit vor Ort" begonnen mit dem Ziel, die Zugangschancen und Teilhabemöglichkeiten an gesunden Lebensbedingungen, Vorsorge und Gesundheitsdienstleistungen besonders für ältere Menschen zu verbessern. Wohnortnahe Versorgungsstrukturen sollen etabliert werden, die den Gedanken der Familiengesundheitspflege aufnehmen. Das gesunde und aktive Altern im gewohnten Lebensraum soll gefördert werden, das Wohnquartier, die Familie, die Nachbarschaft als "Setting" der Gesundheitsförderung gewonnen werden.
Schließlich bleibt als Daueraufgabe für die Caritas der katholischen Kirche, als gesellschaftlich relevante Gruppe, als Sozialbewegung, als Solidaritätsstifterin die Aufmerksamkeit für die ethische und theologische Bedeutung der Gesundheit und Krankheit wachzuhalten. Wenn die WHO schon 1946 Gesundheit als einen "Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur Freisein von Krankheit und Gebrechen" definiert hat, ist der Weg nicht weit von der Illusion einer leidfreien Gesellschaft. Dass damit der Druck auf alle Menschen wächst, die diesem Ideal nicht entsprechen, wird immer wieder zu thematisieren sein. Auch eine soziale Gesundheit braucht eine "engagierte Gelassenheit", wie sie uns von Teilhard de Chardin empfohlen wird.