Gemeinsam statt einsam
Caritaseinrichtungen sind historisch gewachsen und müssen sich in Zeiten der Wirtschaftskrise neu ausrichten. In vielen Regionen Deutschlands gehen Orts-Caritasverbände, SkFs, SKMs und IN VIAs gemeinsam ins Gespräch. Sie sehen die Herausforderungen, aber auch die Chance eines Neuanfangs im Verbund. Strategische Allianzen, Gemeinschaftsunternehmen und Zusammenschlüsse bieten einen Weg, in dem die Zukunft aller Beteiligten sicherer werden kann (vgl. zum Thema Fusionen neue caritas Heft 11/2007, S. 9-24).
Die öffentlichen Mittel werden knapper, Kosten müssen gesenkt und Synergien aufgebaut werden. Der steigende Wettbewerbsdruck, die Nachfrage nach spezialisierten Leistungsangeboten und der Grundsatz "ambulant vor stationär" stellen viele Einrichtungen vor neue Herausforderungen.
Oft haben die Verbände eine jahrzehntelange Tradition. Sie werden überleben, wenn sie sich mit ihren Leistungen im zunehmend privaten Gesundheits- und Sozialmarkt behaupten können. Einen Mehrwert bietet die Marke Caritas in einer erfahrbaren Qualität und einem Profil, in dem Nächstenliebe in Dienstleistungserbringung und Anwaltschaftlichkeit spürbar werden. Trotz Wettbewerbsvorteilen ist absehbar, dass aufgrund der kritischen Kassenlage manchem nicht regelfinanzierten Dienst in den nächsten Jahren das Aus droht.
Die schwierige wirtschaftliche Perspektive stellt Leitungsverantwortliche vor neue Herausforderungen. Sie treffen Überlegungen, wie sie das Überleben der eigenen Einrichtungen und Dienste langfristig sichern können: Wo liegen die eigenen Chancen und Stärken, wo sollen Schwerpunkte gesetzt werden? Welche Synergien sind mit katholischen Partnern möglich und welche Vorteile haben Vernetzungseffekte und Größe?
Ein vorausschauendes Denken und die bewusste Entscheidung für einen Weg möglicherweise in eine neue Zukunft sind wesentliche Managementaufgaben. Fusionen, strategische Allianzen und Verbünde eröffnen die Möglichkeit, eigene Leistungsgrenzen auszugleichen, Angebote zu vernetzen und gemeinsam in neue Felder zu investieren. Die Aufteilung der Lasten setzt Synergien frei und bietet die Chance des gemeinsamen Überlebens.
Strategische Veränderungen sind immer mit Herausforderungen verbunden. Von den ersten Gesprächen bis zur formellen Beschlussfassung können viele Missverständnisse, Konflikte und unüberbrückbare Hindernisse entstehen. Nicht alle Restrukturierungen führen zu dem gewünschten Erfolg.
Aus den Erfahrungen vieler Veränderungsprozesse lassen sich drei Erfolgsfaktoren benennen:
- Offenheit und Vertrauen zwischen den Leitungsverantwortlichen. Eine Auseinandersetzung in Sachfragen ist zugelassen, ohne dass die persönliche Integrität der Beteiligten beschädigt wird.
- Die gemeinsame Verantwortung für das katholisch-caritative Angebot im Sozialraum steht im Mittelpunkt. Alle Beteiligten verpflichten sich auf die Gesamtperspektive und stellen persönliche Interessen hinten an.
- Eine offene Informations- und Kommunikationspolitik. In Vieraugengesprächen werden Unterstützer gewonnen und Bedenken ausgeräumt.
Was ein Caritas-Manager tun kann
Auf dem Weg zum Caritasverbund bedeutet Führung, den Weg der eigenen Organisation zukünftig mit anderen zu gestalten. Im Wandel sind Leitungsverantwortliche in ihrer Führungs-, Selbst- und Sozialkompetenz besonders gefordert. Entscheidungsfreudigkeit, Durchsetzungs- und Konfliktfähigkeit spielen eine wesentliche Rolle. Sie müssen im Umgang mit sich und anderen flexibel und belastbar sein, gravierende Probleme lösen können und über Organisationsvermögen verfügen. Soziale Kompetenzen wie Kommunikations-, Kritikfähigkeit und Einfühlungsvermögen stellen sicher, dass trotz unterschiedlicher Wünsche und Bedürfnisse der Partner ein gemeinsamer Weg gefunden wird.
Mitarbeiter müssen motiviert werden
Der Erfolg des Veränderungsprozesses hängt wesentlich davon ab, inwieweit die Mitarbeitenden für den strukturellen Wandel gewonnen werden können. Jede Veränderung löst Ängste bei ihnen aus. Mitarbeiter(innen) wünschen sich zu erfahren, was die Veränderung für sie persönlich bedeutet. Sie benötigen einen Überblick über Vorgehensweise, Inhalt und Umfang der Restrukturierung. Es interessiert sie, wie sie ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse einbringen können. Sie wollen wissen, was in Zukunft von ihnen gefordert wird und welche Ziele sie zu erreichen haben.
Caritasallianzen und -verbünde können in verschiedenen Formen aufgebaut werden, die jeweils ihre eigenen Anforderungen haben. Nach dem Einstieg in die Zusammenarbeit sind Markt- und Organisationsanalyse, Bildung gemeinsamer Ziele, Entwurf der neuen Struktur, Entscheidungsfindung, Mobilisierung der Beteiligten, Umsetzung sowie kontinuierliche Verbesserung (lernende Organisation) wichtige Schritte hin zum Verbund.
Der Einstieg in die Zusammenarbeit
Aller Anfang ist schwer und gerade die ersten Schritte stellen die Weichen für den Erfog. In der Einstiegsphase analysieren die Einrichtungsverantwortlichen die eigene Situation und ermitteln den Wandlungsbedarf. Oft reichen kleinschrittige Anpassungsprozesse nicht mehr aus, um den neuen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.
Bereits zu Beginn werden die notwendigen Voraussetzungen für den späteren Erfolg gelegt. Misserfolge sind vorprogrammiert, wenn die eigenen Kompetenzen überbewertet, die Synergiepotenziale überschätzt werden. Der Anfang ist geprägt von einer strategischen Standortbestimmung der eigenen Organisation sowie der Suche nach einem geeigneten Partner. Die Sondierung erfordert eine frühzeitige persönliche Kontaktaufnahme. Die ersten Gespräche sind von Vertraulichkeit und Diskretion geprägt.
Schritt 1: Geeignete Partner finden
Die Auswahl geeigneter Caritaspartner orientiert sich an der Zielsetzung der Zusammenarbeit: Für eine reine Erweiterung des regionalen Marktes kommen andere Akteure infrage als bei der Erweiterung der Angebotspalette. Vor der Suche wird geklärt, welche Ansprüche der Partner erfüllen soll. Es werden Soll-Profile erstellt, die eine Identifizierung geeigneter Einrichtungen und Dienste erlauben. In der Bewertungsphase wird entschieden werden, zu welchen Unternehmen Kontakt hergestellt wird.
Schritt 2: Die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit
Im Vorfeld werden mögliche Motive, Interessenlagen, aber auch potenzielle Vorurteile und Bedenken der anderen Einrichtung sondiert. In einführenden Gesprächen wird ein vertrauensvolles Klima geschaffen. Das Herausarbeiten von bestehenden Gemeinsamkeiten lässt Nähe entstehen. Die Interessen des Gegenübers herauszufinden, ist besonders bedeutsam. Dabei sind das persönliche Gespräch und der Kontakt von Angesicht zu Angesicht notwendig. Das aufgebaute Vertrauen schafft Handlungsspielräume, unterstützt die Problemlösungsprozesse und erlaubt eine höhere Fehlertoleranz.
Um Vertrauen aufzubauen, müssen unangenehme Themen auf eine faire und konstruktive Art frühzeitig und offen angesprochen werden. Bei entstehenden Konflikten ist es wichtig, dass alle Beteiligten schnell zu einem konstruktiven Ton in gegenseitiger Akzeptanz zurückfinden.
Schritt 3: Gegenseitiges Kennenlernen
Dem Kennenlernen des erweiterten Führungskreises kommt zu Beginn der Zusammenarbeit eine entscheidende Rolle zu. Durch intensive Informations- und Kommunikationsprozesse werden die gemeinsam entwickelten Verhaltensregeln auf der nächsten Hierarchieebene verankert. In den Gesprächen wird die jeweilige Ausgangslage geklärt und die Organisation mit ihren jeweiligen Stärken und Verbesserungspotenzialen vorgestellt.
Schritt 4: Ideen zur Zusammenarbeit entwickeln
Welche generellen Optionen es für die Zusammenarbeit gibt und welche Art der Kooperation sich eignet, hängt von Ausrichtung und Zielen der Beteiligten ab. Während bei der strategischen Allianz lediglich gemeinsame Strategien festgelegt werden, geben in der Fusion Träger ihre rechtliche Selbstständigkeit und ihre Marke auf (zum Beispiel bei einer Fusion durch Aufnahme). Im Rahmen einer Holding können rechtlich selbstständige Einrichtungen unter einer gemeinsamen Muttergesellschaft zusammengefasst werden.
Schritt 5: Kräftefeldanalyse
Für die Realisation von Caritasverbünden spielen die unterschiedlichen Interessengruppen eine wichtige Rolle. In der Kräftefeldanalyse werden die Positionen jedes relevanten Akteurs zur angestrebten Zusammenarbeit sowie weitere unterstützende und hemmenden Faktoren analysiert. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen, negativ eingestellte Gruppen in die Veränderungen einzubinden und ihre Bedenken zu bearbeiten. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Stärkung treibender Kräfte abgeleitet.
Schritt 6: Abschluss der Kooperationsvereinbarungen
Im Kooperationsvertrag werden die Ergebnisse der gemeinsamen Gespräche festgehalten. Der Vertrag dokumentiert, dass die Kooperationspartner eine Zusammenarbeit anstreben und hält das Ziel der Kooperation fest. Er umfasst die gemeinsame Strategie, die vereinbarten Maßnahmen sowie das angezielte Kooperationsmodell. Der Abschluss des Vertrages erfolgt durch die Gesellschaftsorgane.
Fazit: eine gestärkte Caritas
Wenn die richtigen Entscheidungen gefällt sind - von der Partnersuche über die gemeinsame Unternehmensanalyse bis zur Konzeption der neuen Struktur - gehen die Caritaseinrichtungen gestärkt aus der Reorganisation hervor. Sie können sich dem Wettbewerb stellen und auf der Basis des gemeinsamen Caritasprofils neue Angebote und Dienstleistungen entwickeln.