Die Klienten sind beteiligt
Träger und professionell Mitarbeitende in der Behindertenhilfe und Psychiatrie stehen vor einer doppelten Herausforderung. Einerseits verlangen Kostenträger und Sozialrechtsnormen ein umfassendes Qualitätsmanagement. Die Klient(inn)en fordern andererseits zu Recht personenzentrierte Hilfeleistungen, um ihre individuellen Ressourcen weiterzuentwickeln und ihre Teilhabechancen zu verbessern.
Mit der Implementation des Qualitätssystems PPQ für Behindertenhilfe und Psychiatrie lassen sich beide Anforderungen erfüllen. Durch die leitzielorientierte Qualitätsentwicklung in ambulanten und stationären Angeboten der Behindertenhilfe und Psychiatrie werden Effektivität (Zielerreichung) und Effizienz (Wirtschaftlichkeit) nachhaltig gesteigert.
Die Beteiligung von Nutzer(inne)n, Angehörigen und Mitarbeitenden sorgt für passgenaue Hilfen, welche die Ressourcen der Zielgruppen einbeziehen. Durch die Leistungstransparenz werden die Entwicklung regionaler Qualitätsstandards ambulanter und stationärer Komplexleistungen sowie Preistransparenz unterstützt. Die Vergleichbarkeit der Qualität von Hilfeleistungen bereitet die Träger besser für den Wettbewerb vor.
Anfang 2009 schließt das Gemeinschaftsprojekt PPQ von Diakonie und Caritas mit der Veröffentlichung des Qualitätsmanagementsystems im Psychiatrie-Verlag ab. Neben dem gedruckten Handbuch steht dann für die beständige Aktualisierung von "geprüften" Methoden und Instrumenten die Website www.ppq.info zu deren Download und Anpassung an die Erfordernisse der Träger bereit. Aufbauend auf PPQ ist dann eine externe Zertifizierung bei Bedarf jederzeit möglich.
Per Matrix Werte absichern
Dieses PPQ-Handbuch 2009 entwickelt sein ganzheitliches Qualitätsverständnis von den Anspruchsgruppen an Teilhabeleistungen her (Psychiatrie-Erfahrene und Menschen mit Behinderung, Angehörige, professionell Mitarbeitende, Leistungserbringer, Gemeinwesen, Kostenträger) und erweitert den Qualitätsbegriff des Standards DIN EN ISO 9000:2005. Ausgehend vom interaktiven Charakter der Hilfen, die immer wieder neu zwischen einem professionellen Mitarbeiter und einem hilfesuchenden Menschen entstehen, orientiert sich die Qualitätsentwicklung an den folgenden fachlich-ethischen Leitzielen:
1. Würde achten - Rechte sicherstellen;
2. Selbstbestimmung wahren - Eigenverantwortung stärken;
3. Verantwortung in gegenseitiger Achtsamkeit übernehmen;
4. Glaubens- und Sinnerfahrungen ermöglichen;
5. Teilhabe am Gemeinwesen solidarisch gestalten;
6. Leiden und Symptome vermindern;
7. mit Ressourcen nachhaltig umgehen.
Eine Werte-Matrix verknüpft diese Leitziele systematisch mit der Beschreibung der unterschiedlichen Leistungsprozesse: von der Kontaktaufnahme über die Planung der Hilfen bis zur Koordination der Dienstleistungen im Einzelfall. Personaleinsatz, -organisation und -qualifikation werden ebenso einbezogen wie die Leistungsdokumentation, das Finanzwesen, die Öffentlichkeits- und Gemeinwesenarbeit. Die Matrix ermöglicht zum einen die ethische Reflexion der fachlichen Arbeit, zum anderen lassen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln Indikatoren für die Qualität in den für das jeweilige Angebot wesentlichen Leistungsprozessen formulieren.
Eine Qualitätsbeschreibung unter aktiver Beteiligung aller relevanten Bezugsgruppen ist ein Gewinn für jeden Dienst und jede Einrichtung: Die bedarfsgerechte und personenorientierte Hilfequalität wird über den trilateralen Diskurs von professionellen Mitarbeiter(inne)n, Psychiatrie-Erfahrenen/Menschen mit Behinderung und Angehörigen entwickelt. Die Ressourcenorientierung des PPQ-Qualitätsbegriffs unterstützt die Hilfesuchenden in ihrer Selbstständigkeit, Selbstwirksamkeit und ihren persönlichen Stärken.
Als praxisintegriertes Qualitätssystem stellt PPQ den Anschluss der PPQ-Matrix an die Qualitätsdimensionen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität her, die in den Rechtsnormen der Kostenträger vorgegeben sind. Sämtliche Aktivitäten eines sozialen Dienstleistungsunternehmens lassen sich den folgenden PPQ-Qualitätsdimensionen zuordnen:
- Hilfeplanung, -gestaltung und -evaluation,
- Klient(inn)enbeteiligung,
- Angehörigenbeteiligung,
- Gemeinwesenorientierung,
- Organisationsentwicklung,
- Personalentwicklung.
Mit der Verständigung über die Architektur der PPQ-orientierten Qualitätsmanagement-Konzeption1 ist die Grundlage geschaffen, um zu jedem Zeitpunkt des Prozesses differenzierte Verabredungen in Form eines PPQ-"Bau- und Entwicklungsplans" zu treffen. Dieser sollte die jeweils aktuellen und verbindlichen Vereinbarungen über die Projektstruktur und die zu Beteiligenden enthalten, außerdem Zielvereinbarungen, Zeitpläne und Absprachen über die im Laufe des Prozesses vorgesehenen Rückmeldungen an die Leitung.
Qualitätsstandards werden dokumentiert
Qualitätsentwicklung ist als fortlaufender Prozess zu verstehen. Dieser hat in erster Linie das Ziel, erwünschte Haltungen und Handlungsweisen bei der Gestaltung sozialer Dienstleistungen zu fördern. Die dazu erarbeiteten Instrumente und Verfahrensweisen werden nach ihrer praktischen Erprobung von der Leitung autorisiert und im einrichtungsinternen PPQ- "Handwerksbuch" erfasst. Für die praktische Gestaltung von PPQ-orientierten Qualitätsmanagement-Prozessen steht eine differenzierte Checkliste zur Verfügung, eine Gliederung zur Erarbeitung eines einrichtungsspezifischen PPQ-Handwerksbuchs sowie strukturierte Qualitätsberichte zur Selbst- und Fremdbewertung ambulanter Hilfen und stationärer Angebote.
PPQ wurde ursprünglich zwar im Arbeitsfeld der Sozialpsychiatrie entwickelt. Inzwischen gibt es aber darüber hinaus verschiedenste Erfahrungen, den Ansatz des leitzielorientierten Qualitätsmanagements auch in der Behindertenhilfe gewinnbringend anzuwenden.
Der bundesweite PPQ-Qualitätszirkel beendet seine Arbeit mit einer großen Fachtagung am 5. März 2009 in Berlin2, bei der das neue PPQ-Handbuch der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
In der handlungsorientierten Umsetzung von ProPsychiatrieQualität wird das CBP-Kongress-Thema engagiert unterstützt, denn "Menschen schaffen Werte"!
Anmerkungen
1. Vgl. neue caritas Heft 18/2008, S. 21 ff.
2. Infos unter www.beb-ev.de, Suchbegriff "PPQ 2009".