“Ich möchte, dass Du bleibst!”
Wie ist das Projekt LebensWert inhaltlich aufgestellt?
Ramona Klemm: Unser Projektteam besteht aus drei Personen (Projektleitung Sabine Breimann, Ramona Klemm und Barbara Hollmann), die verschiedene Professionen aus sozialer Arbeit, Ethik, Therapie und Palliativpflege einbringen. Das Team gehört zum Fachbereich Ethik unter der Leitung von Ulrike Molitor. Wir entwickeln Konzepte und Schulungen für unsere Mitarbeitenden, die wir gemeinsam mit Referenten, u.a. der Uniklinik Köln, durchführen. In fast jeder stationären Altenhilfeeinrichtung haben wir speziell ausgebildete ethische Fallmoderatoren, die bei akuten Sterbewünschen angesprochen werden können. Zudem bieten wir Basis-Schulungen für alle Mitarbeitenden an, die gut angenommen werden. Der erste Kontakt für Menschen mit Sterbewunsch ist nicht unbedingt die Pflegekraft, sondern das kann der Haustechniker oder jemand aus der Reinigung sein. Deshalb bieten wir die Schulungen für alle Mitarbeitenden an. Die Begleitung erfolgt im Netzwerk aller Akteure, mit regelmäßigem Coaching und Einbeziehung des palliativ versorgenden Arztes. Unser Ethikrat steht als Beratungsinstanz zur Verfügung.
Welche Herausforderungen gab es in diesem Prozess?
Sabine Breimann: Unser Verbund hat vor einigen Jahren einen Leitbildprozess gestartet, begleitet von der Sozialethikerin Prof. Dr. Elisabeth Jünemann. Ein Gleichnis vom blinden Bartimäus veranschaulicht unsere Haltung: Jesus fragt: "Was willst Du, was ich Dir tue? " Das bedeutet im Gleichnis, den Wunsch zu hören, nicht unbedingt aber, ihn zu erfüllen. Wir im VKA hören zu, verurteilen niemanden wegen seines Sterbewunsches, sondern begleiten ihn.
Manchmal ist es wichtig, dass Angehörige sagen: "Ich möchte, dass Du bleibst! Du fällst uns nicht zur Last. " Um solche Botschaften klar zu senden, benötigen manche Angehörige unsere Begleitung. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft dürfen alternde Menschen nicht das Gefühl haben, eine Last zu sein. Denn ein solcher Eindruck kann dazu führen, dass Menschen den Wunsch haben, aus dem Leben zu scheiden.
Glaube und Spiritualität bieten Rückhalt für Betroffene und Mitarbeitende. Rituale wie ein gemeinsames Gebet oder der Glaube an ein Leben nach dem Tod helfen, ins Gespräch zu kommen. Unser Angebot ist aber ausdrücklich nicht an Glauben und Konfession gebunden.
Beim Thema Suizidassistenz ist es außerdem wichtig, die eigenen Werte und die des Trägers zu kennen. Der VKA führt keine Suizidassistenz durch, begleitet aber weiter und berät über Alternativen wie palliative Versorgung und hospizliche Begleitung. Menschen, die den assistierten Suizid planen, müssen die eigenen Optionen kennen.
Welche Optionen gibt es?
Ulrike Molitor: Menschen mit unheilbarer Erkrankung können freiwillig auf Nahrung und Flüssigkeit verzichten, um den Leidensweg zu verkürzen. Dies sollte in einer Patientenverfügung dokumentiert und pflegerisch sowie medizinisch begleitet werden. Im Netzwerk der gesundheitlichen Versorgungsplanung bieten wir kostenfreie Beratungen für unsere Bewohnerinnen und Bewohner unserer Einrichtungen an, um den Willen des Menschen abzusichern. Auch palliative Sedierung, also eine Schmerztherapie mit starken Mitteln, kann vereinbart werden. Unsere Einrichtungen beraten frühzeitig zur Einschreibung in das Palliativnetzwerk Paderborn, um die ärztliche Versorgung sicherzustellen.
Wir möchten den Menschen im letzten Lebensabschnitt helfen, ihre Lebensbindung zu stärken. Deshalb schulen wir unsere Mitarbeitenden in palliativer Haltung und Begleitung. Die Alternative zur Verkürzung des Leidensweges ist es, den Weg nach den Wünschen des Menschen so angenehm wie möglich zu gestalten. Wir schulen zu Themen wie Mundpflege, Genuss durch Schaumkost und auch zu Biografiearbeit, um noch offene Anliegen zu klären. Es gibt im Leben und beim Sterben immer mehr als nur einen Weg.