Das Projekt KEIN RAUM
Schon seit 2009 portraitiert die Berliner Fotografin in ihrem künstlerischen Werk obdach- und wohnungslose Menschen. Mit Ausstellungen unter anderem im Deutschen Bundestag, in den Berliner Rathäusern und dem Abgeordnetenhaus hat sie sich bundesweit einen Namen in der Szene und in den Medien gemacht. Die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, der Spiegel und viele andere haben in den letzten Jahren über ihre Projekte berichtet. Ihre sensible und empathische Arbeitsweise ist das Markenzeichen von Debora Ruppert. Denn die Fotografin bezieht die Portraitierten eng in ihren Schaffensprozess mit ein. "Es ist mir wichtig, eine Beziehung aufzubauen, denn es geht mir nicht um Voyeurismus. Mein Ziel ist es, die einzigartigen Schicksale und Geschichten zu zeigen - und damit die Würde jedes einzelnen Menschen", sagt sie. Das Jahr 2024 ist ein ganz besonderes für die Künstlerin. Das Festival of Lights Berlin, eines der bekanntesten Lichtfestivals der Welt, wird ihre Portraits ins Programm aufnehmen. An stark frequentierten Orten werden Menschen ohne Obdach ab dem 4. Oktober überlebensgroß an die Hausfassaden projiziert. Eine Idee, die zusammen mit der Caritas im Erzbistum Berlin geboren wurde - schon vor fünf Jahren. Die Corona-Pandemie und ein aufwendiger Finanzierungsprozess mussten erst noch bewältigt werden. Anfang 2024 stand fest: Das Projekt KEIN RAUM wird umgesetzt, dank einer Förderung der Aktion Mensch. Damit hatten Debora Ruppert und die Caritas grünes Licht, um KEIN RAUM mit Leben zu füllen und tief in die Materie einzutauchen. Denn das Festival of Lights wird begleitet von zwei weiteren Events.
Begegnungen mit Menschen ohne Obdach
Zusammen mit dem Obdachlosenseelsorger Wolfgang Willsch und Fachleuten aus der Caritas-Arbeit entstand das Konzept für die multimediale Ausstellung "Stimmen der Straße". Hier werden Obdachlose und Wohnungslose selbst zu Kunstschaffenden. "Die Idee ist es, dass Betroffene mit Einwegkameras ihren Alltag und ihre Perspektive auf das Leben festhalten", erklärt Debora Ruppert. "Ich bin an insgesamt vierzehn Orte der sozialen Arbeit wie Notunterkünfte, Beratungs- und medizinische Behandlungsstellen gegangen, um hier mit Interessierten ins Gespräch zu kommen und sie für das Projekt zu gewinnen." Die entstandenen Fotos brachte Debora Ruppert in einem zweiten Termin vorbei. In Gesprächen zusammen mit den Urheber:innen machten sie sich ans Sichten und wählten die Favoriten aus. In Video-Interviews zeichnete die Künstlerin die Geschichte zu den Bildern auf. Bild und Ton zusammen schufen multimediale Einblicke.
In einer Ausstellung ab dem 11. September, dem Tag der Wohnungslosen, sind die "Stimmen der Straße" im Willy-Brandt-Haus zu sehen und zu hören. Eröffnet wurde das Event mit einer Podiumsdiskussion vor Ort, an der nicht nur Vertreter:innen aus Politik und Praxis zu Wort kamen. Auch die "Stimmen der Straße" selbst sollten sprechen - Lexi, die nach der Trennung von ihrem aggressiven Ex-Freund obdachlos wurde. Sie teilte ihre persönliche Geschichte an diesem Abend mit der Öffentlichkeit.
Ein weiterer Baustein des Projekts KEIN RAUM ist eine Lesung in der Kulturbrauerei, im Haus für Poesie. Die Autorin Janita Juvonen, die selbst von Obdachlosigkeit betroffen war, liest aus ihrem Buch "DIE ANDEREN - die harte Realität der Obdachlosigkeit". Musikalisch begleitet der norddeutsche Singer-Songwriter Florian Künstler, der als Straßenmusiker begonnen hat. Die Lesung trägt den Titel "BLICK:WECHSEL" und lädt Menschen ohne Obdach, Politiker:innen, Praktiker:innen und andere Interessierte als Gäste dazu ein.
"Das Projekt KEIN RAUM mit seinen einzelnen Bausteinen ist vielschichtig", sagt Debora Ruppert. "Ich möchte so das öffentliche und das politische Bewusstsein schärfen für die Notlage tausender Menschen, die auf der Straße leben. Aber nicht nur das. Wenn wir es schaffen, auch einen Dialog mit den Betroffenen zu initiieren, würde mich das sehr glücklich machen."
Festival of Lights Berlin
04. - 13.10.2024
Multimediale Ausstellung "Stimmen der Straße" (siehe auch Fotogalerie unten)
11.09. - 10.11.2024
Willy-Brandt-Haus
Lesung "BLICK:WECHSEL"
09.10.2024
Kulturbrauerei Berlin, Haus für Poesie
Das Projekt KEIN RAUM online: www.keinraum.com
Text: Christina Kölpin