Wie eine Frau in der AfD-Hochburg Rastatt gegen Rassismus kämpft
Ute Kretschmer-Risché mit in Rastatt lebenden Kindern von Geflüchteten. Agentur Exakt
Kräftige Stimme, kluge Ideen, klare Ansagen: Ute Kretschmer-Risché wirkt resolut. Widrige Umstände schrecken die 60-Jährige nicht ab. Sonst hätte sie in den vergangenen Jahren wohl schon mehrmals ihr Ehrenamt an den Nagel gehängt. Hat sie nicht: Seit 40 Jahren engagiert sich Ute Kretschmer-Risché, auch für Geflüchtete. Das tat sie bereits in Zeiten, in denen sich kaum jemand dafür interessierte. Für einen Bericht über die Wohnverhältnisse von Geflüchteten erhielt sie 1990 den Caritas-Journalistenpreis. Für ihr großes Engagement hat sie 2023 das Bundesverdienstkreuz bekommen.
Bereits mit 14 Jahren engagiert sich die Tochter eines Arbeiters für vietnamesische Boatpeople. Ihre Eltern sind dafür die treibende Kraft. Die Familie ihres Vaters musste im Zweiten Weltkrieg aus Breslau fliehen und war in der neuen Heimat in Bayern nicht willkommen. Ihr Vater lehrt sie, Menschen zu achten, egal woher sie kommen und wie sie aussehen. "Das ist meine Maxime geworden: Sei hilfreich und gut." Seit den Neunzigern lebt sie in Rastatt. Mit ihrem Mann führt sie eine Kommunikationsagentur.
Menschenrechtlerin, Demokratin und Freundin
Einfach ist das Ehrenamt im nordbadischen Rastatt nicht. "Hier leben 130 verschiedene Nationen, 50 Prozent der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund und die vor vielen Jahren angekommenen Russlanddeutsche sind immer noch nicht integriert", sagt Kretschmer-Risché. Dazu kommt, dass die AfD im Gemeinderat zur zweitstärksten Kraft aufgestiegen ist. Während andere zu Forderungen wie "Remigration" nur den Kopf schütteln, bezieht die Journalistin unerschrocken Stellung gegen Rassismus und Demokratiefeindlichkeit. Wegen ihres Engagements für Geflüchtete wurde sie auch schon bedroht. "Wenn ich beleidigt oder bedroht werde, wehre ich mich mit einer Anzeige dagegen. Sie sollen merken, dass ich Beleidigungen und rechte Parolen nicht akzeptiere."
Ihr Ehrenamt gleicht einem Fulltimejob. Mit anderen begleitet sie Flüchtlinge bei Behördengängen, unterstützt sie bei Arbeits- und Wohnungssuche, fördert Deutsch- und Lesekompetenz und bereitet junge Menschen auf den Berufsweg vor. "Ich liebe es, mit jungen Leuten zu arbeiten, sie sind voller Überraschungen."
Sie lernt mit ihnen Betriebswirtschaft, gibt Bewerbungstraining oder behandelt in der Nähgruppe Themen zu Frauenrechten oder Gewalt gegen Frauen. Sie gründete den Verein "Junge Flüchtlinge Rastatt" - heute "Verein für internationale Vielfalt in Rastatt" (VIVE) - und initiierte die Online-Jugendzeitung "Ravolution", um den Jugendlichen die Demokratie nahezubringen.
Für Obdachlose organisiert Sie Essen und Geschenke
"Ich will junge Menschen ermutigen, ihren Bick für die Vielfalt der Welt und unsere lebendige Demokratie zu öffnen." Die sind ihr dankbar - und bereichern ihr Leben. "Unterm Weihnachtsbaum flüsterte mir ein junger Syrer zu: ‚Du wirst Oma‘ - das war vor sechs Jahren", erzählt sie, noch heute darüber glücklich.
Kretschmer-Risché engagiert sich nicht nur für Flüchtlinge. Sie hat die Bürgerstiftung Rastatt und den Verein "Leselust in Baden" mitgegründet und beteiligt sich konstruktiv und kreativ an zahlreichen sozialen Projekten des Zusammenlebens in Rastatt. Ihr außergewöhnliches Engagement gilt darüber hinaus dem Klimaschutz, der barrierefreien Stadt und der uneingeschränkten Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Für Obdachlose organisiert sie Essen und an Weihnachten Geschenke mit Hygieneartikeln.
Ihr Ehemann unterstützt sie bei all ihrem Engagement. Er habe es nicht immer leicht, sagt sie lachend. "Das Leben mit mir ist anstrengend, weil ich noch viele Ideen umsetzen will."