PatInnen unterstützen Kinder psychisch kranker Eltern
Die Krankheit von Linas Papa (46) kam wie aus heiterem Himmel. Ihn, Vater von drei Kindern, Hausmann, von Beruf Heilerziehungspfleger und in vielen Vereinen engagiert, traf die Wucht der Depression wie ein Hammer. Die Menschen im Ort konnten es zunächst nicht glauben. "Was, du?", fragten sie. - "Die Leute kriegen das einfach nicht zusammen. Sie realisieren nicht, dass jeder psychisch krank werden kann", sagt Sozialpädagogin Elke Schwarz, die die Familie gut kennt.
2018 war das, als die Krankheit zuschlug. Lina war fünf, ihre Schwester Hanna drei Jahre alt, der kleine Paul erst einige Monate. Voraus ging dem Ganzen eine langjährige Überforderung des Vaters, die schon in seiner Kindheit ihren Ursprung hatte. Mit seinen Depressionen fällt ihm morgens das Aufstehen schwer. Durch eine zusätzliche ADHS-Problematik macht ihm das Strukturieren Mühe. Dennoch, so Elke Schwarz, versorgt er die Kinder vorbildlich, macht sie morgens fertig für Schule und Kindergarten, schmeißt den Haushalt, so gut es eben geht - doch irgendwann ging auch das nicht mehr. Als bei ihm die Diagnose Krebs gestellt wurde, war das eine bedrohliche Situation für alle.
Dank dem Projekt "Hand in Hand" geht es leichter
Die Mutter, die als Altenpflegerin für die Familie den Lebensunterhalt verdient, suchte deshalb den Sozialpsychiatrischen Dienst (SpDi) der Caritas für den Schwarzwald-Baar-Kreis auf: "Wir brauchen Entlastung, und Lina braucht Unterstützung."
Elke Schwarz kennt solche Probleme gut. Die Sozialpädagogin des SpDi berät Menschen mit psychischen Erkrankungen und deren Angehörige und vermittelt weitere Hilfen. Linas Vater beispielsweise ist bei ihr in Soziotherapie. Ebenso gehört das Patenschaftsmodell "Hand in Hand" für Kinder mit psychisch belasteten Eltern zum Angebot: "Aus der Forschung ist bekannt, dass verlässliche Bezugspersonen die Resilienz der Kinder stärken können", begründet die 52-Jährige das Konzept.
PatInnen sind feste Bezugspersonen
So war für Lina bald eine Patin gefunden: Die Schulsekretärin Maria Bauer, die, wie auch die Kinder, in Wirklichkeit anders heißt, hatte sich auf die Suche nach einer ehrenamtlichen Aufgabe gemacht und sich bei "Hand in Hand" gemeldet. Das Tolle: Die Familie wohnt in ihrer Nachbarschaft.
Linas Schüchternheit beim ersten Kennenlernen war schnell verflogen. "Sie ist eine ganz Aufgeweckte, und sie erzählt ganz viel", berichtet Maria Bauer. "Das hat von Anfang an gepasst."
Spaziergänge, Picknick oder Backen
Eigentlich hatte die 39-jährige Ehrenamtliche sich vorgestellt, eine Art Tante für das Mädchen zu werden, die ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. "Doch Lina hat beschlossen, dass ich ihre große Freundin bin", erzählt sie. Es sind die scheinbar kleinen Dinge, die das Kind mit ihrer großen Freundin genießt: Spaziergänge, Picknick, gemeinsames Backen. Oder mit den anderthalb Jahre alten Zwillingen von Maria Bauer Höhlen aus Decken bauen oder auf den Spielplatz gehen.
Hin und wieder spricht das Mädchen über ihren Vater. Anlassbezogen, als er wieder stationär aufgenommen werden musste. Lina hat das Bild, dass ihr Papa manchmal kleine blaue Flitzer sieht, unruhig wird und sich dann ausruhen muss. So erklären die Eltern ihren Kindern seine Krankheit. "Aber ich bohre da nicht nach. Sie soll bei mir eine unbeschwerte Zeit haben. Wenn sie mit mir reden möchte, dann macht sie das", sagt die Patin.
Vertrauen zur großen Freundin
Vertrauen ist die Basis für eine Patenschaft - nicht nur zwischen dem Kind und der Patin, sondern auch zwischen den beteiligten Erwachsenen. Und: Das Modell steht und fällt, so Elke Schwarz, damit, ob sich Pat(inn)en und Eltern verstehen und respektieren. Probleme gibt es dann, wenn zwischen Mutter und Patin Konkurrenz entsteht oder das Kind von Anfang an hochauffällig ist.
Weil Linas Eltern sehr verantwortlich mit der Situation umgehen und sich auch die Hilfe einer Kinderpsychiaterin geholt haben, wissen sie: Ihre Kinder sind nicht in Gefahr.
Kinder von Eltern, die psychisch krank sind, tragen ein erhöhtes Risiko, selbst psychisch oder an einer Sucht zu erkranken. In Deutschland geht es 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen so wie Lina und ihren Geschwistern. Derzeit laufen bei "Hand in Hand" sechs Patenschaften für Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 17 Jahren.
Patin Maria Bauer hat fest vor, für Lina viele weitere Jahre eine Freundin zu sein. Und auch wenn es manchmal richtig viel Engagement erfordert: "Es lohnt sich, wenn ich sehe, wir tun was Gutes für die Kinder, und wie die Kinder sich entwickeln", sagt Elke Schwarz - und bestärkt so auch "ihre" Patinnen und Paten immer wieder.
Kontakt: Caritasverband für den Schwarzwald- Baar-Kreis, 78050 Villingen- Schwenningen, E-Mail: elke.schwarz@caritas-sbk.de
CARITAS-PROJEKT FÜR EHRENAMTLICHE PATINNEN UND PATEN
"Tandem" und "Tandem plus" der Caritas Schwarzwald-Baar-Kreis: Die Caritas bietet für Kinder psychisch oder an einer Sucht erkrankten Eltern auch die Gruppen "Tandem" für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren sowie "Tandem plus" für Teenies ab 13 Jahren an. Einmal pro Woche treffen sie sich mit zwei Sozialpädagoginnen, um ihre Freizeit zu gestalten und Spaß zu haben.
Beim letzten Mal wurde Pizza gebacken, sie malen, werken, gehen auf den Spielplatz oder zusammen schwimmen, dabei gestalten sie mit eigenen Ideen das Programm. Ihre Fragen werden beantwortet, ihre Sorgen ernst genommen. "Manchmal ist auch Thema: Wie gehen wir mit Gefühlen um?", erzählt Sozialpädagogin Andrea Klumpe-Burghardt. Die Kinder stellen pantomimisch dar, welche Gefühle es gibt, oder sie reflektieren: Worauf bin ich stolz, was kann ich gut? Der Corona-Lockdown hat sie schwer getroffen. In den Anfangsrunden kommt jetzt oft das Feedback: "Ich habe mich so gefreut, dass heute Gruppe ist", sagt die 59-Jährige. Viele Kinder sind über Jahre dabei. "Ich sehe uns als Lebensbegleitung."