Auf dem Weg zu einer Caritas-Community im Web
Der Clip ging im Oktober 2015 auf der Facebook-Seite der Caritas Deutschland online. Acht animierte Fotos von Flüchtlingen, ergänzt um fiktive Perspektiven für deren Zukunft, wurden mit folgenden Fragesätzen untertitelt:
- Werden die beiden Afrikaner einmal deine Rente zahlen?
- Eröffnen die beiden Frauen dein neues Lieblingsrestaurant?
- Ist er der Handwerker, der tatsächlich kommt?
- Wird sie Stammkundin in deinem Geschäft?
- Werden die beiden jungen Leute die besten Nachbarn, die du jemals hattest?
Das Video wurde zu einem Zeitpunkt ins Netz gestellt, als sich die Stimmung im Land zu verändern begann. Die Begeisterung für Flüchtlinge war abgeebbt. Zweifler meldeten sich vermehrt und sprachen vom Untergang des Abendlandes. Die Social-Media-Kanäle füllten sich mit Hassparolen und Verschwörungstheorien. Die Aussagen des Caritas-Videos polarisierten. Im Minutentakt gingen Kommentare ein, das Video wurde geteilt, verhöhnt, gelobt und immer wieder geteilt (Link zu unserem Facebook-Videopost).
Mit Social Media kann die Caritas viele Menschen erreichen
An diesem Beispiel wird deutlich: Die Caritas kann – mit relevanten Inhalten zum richtigen Zeitpunkt –über soziale Medien viele Menschen erreichen. Sie kann sich hierüber als Anwältin und gesellschaftliche Gestalterin positionieren.
Die statistische Auswertung zeigt: Obwohl die Facebook-Seite der Caritas Deutschland bei der Veröffentlichung des Videos nur 8.300 Fans hatte, wurde der Beitrag rund sechs Millionen Menschen angezeigt. Das Video lief 2,25 Millionen Mal und provozierte 128.000 Reaktionen, darunter knapp 14.000 Kommentare.
Online-Partizipation für eine intensive Kommunikation
Seit 2009 nutzt der Deutsche Caritasverband zunehmend die sozialen Medien. Er twittert, bloggt und experimentiert mit immer neuen Kommunikationsformen. Dabei setzt er verstärkt auf online-basierte Partizipation.
- 2011 entstanden in einem öffentlichen Dialogprozess die Social Media Guidelines.
- Um die "digitalen Protagonist(inn)en" der Caritas besser zu vernetzen, läuft seit 2014 ein auf drei Jahre angelegtes Digitalisierungsprojekt, das von einer Agentur begleitet wird. Der daraus hervorgegangene "Digitale Stammtisch" bringt die digital Bewegten des Verbandes monatlich in einer Videokonferenz zusammen.
- Bei einer Digital-Werkstatt in Frankfurt im September 2015 fanden Barcamps statt. In diesem Format entsteht das Programm spontan, indem die Teilnehmer(innen) ihre Themen und Erfahrungen einbringen und dazu Workshops anbieten. So entstanden viele Ideen für virtuelle Teams.
- Im Sommer 2015 konnten sich Einrichtungen des Verbandes mit ihren digitalen Projekten bei der Zentrale in Freiburg bewerben. Sie erhielten Unterstützung bei der Realisierung ihrer Projekte. In zweitägigen Digital-Laboren entstanden ein Azubi-Blog der Caritas Altenhilfe Berlin und die Facebook-Seite der Caritas Euskirchen.
- In mehreren Workshops entwickelten Vertreter(innen) aller Verbandsebenen die "Digitalen Kommunikationsprinzipien der Caritas".
Mithilfe der "Digitalen Kommunikationsprinzipien" konnte das Social-Media-Team der Caritas sicher und professionell mit der Kommentarwelle zum Flüchtlingsvideo umgehen. "Wir sind aufmerksam", "Wir antworten" und "Wir mischen mit" – mit diesen drei Maximen reagierten die Moderator(inn)en auf Facebook. Das Team las alle Kommentare, beantwortete viele und löschte nur wenige. Ein enormer Aufwand, doch er hat sich gelohnt. Es gelang, mit vielen Flüchtlingsgegnern ins Gespräch zu kommen. Die Moderator(inn)en kommentierten auch grenzwertige Äußerungen und positionierten die Caritas mit vielen guten Argumenten als Befürworterin einer Willkommenskultur.