Ibo aus Syrien und seine Integrationspatin Edith
Ich verlor Sicherheit und Vertrauen in das, was man mir sagte und versprach. Wie man mich auf der Flucht behandelte war oft würdelos. Ich heiße Ibrahim Mohamed, aber eigentlich nennen mich alle einfach Ibo. Mitte des Jahres 2015 kam ich in Deutschland in Passau an. Für einen Monat war ich in einer Wohngruppe für Minderjährige in Waldkirchen. Hier fühlte ich mich wohl. Endlich heil in Deutschland angekommen und außer Gefahr - wie im Paradies. Im August kam ich dann nach Bamberg in eine Gruppe für minderjährige Flüchtlinge im Don Bosco Jugendwerk. Meine Eingewöhnungszeit hier war sehr schwierig: Wieder Neuanfang und wieder Vertrautes verloren. Der Nachzug meiner Eltern war beantragt. Doch die "Bürokratie" arbeitete langsam und mein Geburtsdatum vom 18.12.1998 war von den Behörden mangels Pass auf 02.01.1998 festgelegt worden. Man muss wissen: In Syrien hat man als Minderjähriger selten einen Pass, als Kurde meist schon gar nicht. Am 02.01.2016 war der Antrag noch nicht genehmigt und damit die Chance des Nachzugs meiner Eltern vorbei, denn ich war ja laut Deutschem Ausweis nun volljährig.
Trotz Enttäuschungen fand ich Glück
Meine Enttäuschung war riesengroß und alles war schwer für mich zu verdauen. Dennoch war mein weiterer Integrationsweg hier in Bamberg von vielen glücklichen Umständen geprägt. Im Februar 2016 gab es im Rahmen des Projektes Schüler.Bilden.Zukunft im Don Bosco Jugendwerk die Möglichkeit für einige Jungs von uns Integrationspaten zu bekommen. Ich wollte unbedingt einen deutschen Paten. Bei einem "Café-Date" lernte ich dann meine heutigen Pateneltern kennen. Am Anfang war ich sehr vorsichtig und unsicher. Bei unserer ersten Begegnungen kochten wir gemeinsam ein syrisches Gericht und machten eine lange Wanderung - beides nicht wirklich mein Ding. Das erste Kennenlernen der Kinder meiner Pateneltern und der Oma bei Festen waren anstrengend. Ich musste erst herausbekommen wie sie zu Flüchtlingen stehen. Ich erinnere mich noch, dass meine Patin Edith Mall mir einmal ein Glaslicht mit der kurdischen Fahne gefilzt hat. Das hat mich sehr gefreut. Edith hat sich darum gekümmert, dass ich in den Ferien und dann auch im Zweiten Berufsschuljahr viele verschiedene Praktika machen konnte, um Erfahrungen zu sammeln, was mir liegt und, um deutsche Jugendliche kennenzulernen und Deutschsprechen zu üben. Mit ihrer Hilfe schaffte ich als Externer den Qualifizierten Abschluss.
Neue Freunde, Ausbildung und politisches Engagement
Ibo möchte nach seiner Ausbildung zum Kinderpfleger noch eine Erzieher-Ausbildung machen.
Wenn ich zurückblicke, kann ich sagen, dass folgende Erfahrungen meinen Weg in eine gute Integration sehr unterstützt haben. In der Berufsschule lernte ich im ersten Jahr Anna Lena kennen, die mir vorurteilsfrei begegnete. In den Ferien machte ich freiwillige Praktika in der Jugendarbeit, im Kindergarten, im Eine-Welt-Laden und in einem Sommerferienprogramm. Hier erfuhr ich Anerkennung und hatte die Chance Deutschreden zu üben. Durch Praktika im Zirkus Giovanni, im Hort und im AWO Wohnheim und all den anderen Praktika-Erfahrungen entschied ich mich dann für meine heutige Ausbildung zum Kinderpfleger. Gerne würde ich noch eine Ausbildung zum Erzieher anhängen. Mein Fernziel ist Journalismus oder eine politische Aufgabe. Durch eine Laienrolle im Theaterstück "die deutsche Seele" und als Teilnehmer des Theater Spielclubs in Bamberg entdeckte ich meine Freude am nach außen gehen und Theaterspielen. Mit meinem regelmäßigen Engagement bei der Bamberger Montags-Mahnwache, der Übernahme von Verantwortung bei der Gruppe Change und den Demos "Fridays for future" mache ich das, was mit wirklich am Herzen liegt.
Ich lerne viel von meiner Patin
Ibo gibt mittlerweile Vorträge an Schulen und spricht über kulturelle Vielfalt und Miteinander.
In der Berufsschule entstand der Film "Welcome", der auf Youtube zu sehen ist, in dem ich die Hauptrolle spielte. Als Folge stellten Ricardo Schreck aus der Bamberger Berufsschule und ich den Film an vielen Schulen vor. Die Schüler(innen) konnten mir Fragen stellen und ich berichtete von meinen Erfahrungen. Inzwischen werde ich für Vorträge immer wieder angefragt, um Verständnis zwischen Migranten und deutschen Jugendlichen aufzubauen. Ich habe damit begonnen meine Erlebnisse für ein Buch aufzuschreiben. Damit will ich zunächst alles selbst verdauen und dann zeigen, dass es gute Beispiele der Integration gibt. Das Besondere an meiner Beziehung zu meiner Patin Edith ist, dass wir viel miteinander reden, ich großes Vertrauen zu ihr und ihrem Wissen habe. Wir sind beide feinfühlig und verstehen schnell was der andere meint. Von ihr habe ich Perspektivwechsel und viel pädagogisches Wissen gelernt. Manchmal erklärt sie mir Dinge zu lang und ausführlich. Ferner putzen wir einmal in der Woche zusammen meine Wohnung, lernen zusammen für Schulaufgaben und ich darf auch mit in den Urlaub fahren. So war ich schon auf Mallorca, am Bodensee und in Paris.
Was ich anderen Geflüchteten weitergeben möchte
Die Sprache öffnet die Türe zum Verständnis und zum Miteinander in einem fremden Land.
Hinhören und einfügen ohne sich selbst zu verbiegen, das ist wichtig. Nehmen und geben gehören zusammen. Ich bekomme in Deutschland finanzielle Unterstützung. Ich gebe mein Bestes, um mich zu integrieren und meine Ausbildung zu machen. Von deutschen Bürgern wünsche ich mir: Verständnis dafür, dass eine Flucht sehr hart für einen jungen Menschen ist und, dass es da Verdauungszeit braucht. Und die Deutschen sollen Mut haben, Migranten kennenzulernen. Das baut hoffentlich Vorurteile ab.
Autor: Ibrahim Mohamed