Vor Gott und den Menschen
Noch nie haben sich so viele Bürgerinnen und Bürger mit dem Wahl-O-Mat auf einen Wahltag vorbereitet. Mehr als 22 Millionen haben die 38 Fragen beantwortet. Das Spektrum der Themen war deutlich breiter als das, was immer wieder in Talkshows und auf den Social-Media-Kanälen auf uns einstürmte: "Wie hältst du’s mit der Migration?" Damit war er näher an der Lebenswirklichkeit als viele Debatten, die über Wochen den Eindruck zu erhärten suchten, die Migration sei die Mutter aller Probleme.
Aus unserer alltäglichen Beratungspraxis wissen wir: Innere und äußere Sicherheit haben die Menschen beschäftigt, die Anschläge von Magdeburg und Aschaffenburg haben sich als Angst-Spur in die Seelen der Menschen hineingefressen. Der Krieg in der Ukraine und die zunehmende Gewissheit, dass für den neuen US-Präsidenten die Sicherheit Europas weniger Wert hat, das alles hat die politischen Erwartungen geprägt. Aber auch die Bedeutung der sozialen Sicherheit war für das Wählerverhalten unübersehbar. Die neue Regierung sollte den Dreiklang aus innerer, äußerer und sozialer Sicherheit als gleichgewichtig annehmen.
Ein wenig abgeschlagen scheint die Klimapolitik. Vielleicht, weil sie nicht als Sicherheitspolitik verstanden wurde. Dabei lässt eine aktuelle Studie des BND an genau diesem Zusammenhang keinen Zweifel: Die Erderwärmung macht wachsende Teile der Erde unbewohnbar, führt zu kriegerischen Auseinandersetzungen und Flucht. Wer dem vorbeugen will, darf Klimapolitik nicht unter "ferner liefen" behandeln.
Das gilt auch für die Koalition, die sich jetzt zusammenruckeln muss. Die beteiligten Parteien müssen sich gemeinsam auf den Weg machen – in Verantwortung vor dem unendlichen Gott und den Menschen. Sie weist über den Tag und die Legislaturperiode hinaus. Die Menschen, von denen die Präambel des Grundgesetzes spricht, sind nicht nur die Deutschen in Deutschland. Einer Globalisierung der Gleichgültigkeit schiebt das Grundgesetz einen starken Riegel vor. Die soziale Macht des Christlichen, der es vertraut, ist eine inklusive, eine alle Menschen liebende Macht.
Der Wahl-O-Mat stellte die Frage, ob der Präambel-Satz des Grundgesetzes abgeschafft werden soll. Nein! Er wird dringend gebraucht! Als Richtschnur für die Lösungen, die jetzt gesucht werden - von der Integration der Asylbewerber bis zur digitalen Erreichbarkeit für alle, von der Pflege der Zukunft bis zum Deutschlandticket plus. Als Sekundenkleber für das im Wahlkampf zerbrochene Porzellan politischer Kompromissfähigkeit.