Samariter ohne Tempel?
Seit der Überarbeitung der Grundordnung können wir uns um eine Frage nicht mehr drücken: Wie entwickeln oder bewahren wir in der Caritas unsere christliche Identität - wenn unsere Mitarbeitenden immer weniger Voraussetzungen "klassisch katholischer Natur" mitbringen? Fakt ist: Der Rosenkranz ist nicht mehr gewusst, der Gottesdienst nicht mehr gewollt, das Gebet nicht mehr geübt. Zugehörigkeit ist keine Bedingung mehr, dazuzugehören.
Mitarbeitende kommen zu uns, weil sie Sinn, eine spannende Aufgabe und einen attraktiven Arbeitgeber suchen. Das können wir bieten. Aber was unterscheidet uns? Es gibt keine einfache Antwort, aber drei Spuren sehe ich: Demut, Diskurs und Ritual.
Demut: Das, was unsere Mitarbeitenden (der barmherzige Samariter) tun, ist Kirche an sich. Diakonia geschieht, sie muss nicht theologisch ergänzt oder gar missionierend erläutert werden. Das entlastet und gibt denen, die dabei sind, einen Wert an sich. Unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Konfession.
Diskurs: Das reicht aber nicht aus, um ein Profil weiterzuentwickeln. Nur weil etwas passiert, wird es nicht gleich wahrgenommen. Deswegen gilt es, Diskursräume zu ermöglichen. Wir sollten Türen öffnen für das "Warum", das größere christliche Ganze, für das wir stehen. Aber: Wir müssen auch akzeptieren, wenn Menschen sich davon abgrenzen und einfach nur einen guten Job machen wollen.
Ritual: Haltung und Diskussionsräume genügen vermutlich auch noch nicht, denn nur weil etwas reflektiert wird, ist es noch nicht im Alltag erfahrbar. So etwas wie Kultur muss erlebt werden. Wie können - suchend und gemeinsam mit Mitarbeitenden - entsprechende Formen im Alltag gefunden werden? Da passiert schon viel in den Einrichtungen, Oasentage oder spirituelle Auszeiten. Ich meine, wir können diese Erfahrungen weiterentwickeln und dafür den Schatz nutzen, den uns unsere christlichen, lebensfreundlichen Rituale und vielleicht sogar die Alltagsfrömmigkeit bieten. Kirchliche Rituale können wir neu übersetzen: in Achtung vor dem anderen Glauben vieler Mitarbeitender und in Wertschätzung sowohl der Tradition als auch denen gegenüber, die doch noch "in den Tempel gehen" und zugehörig sind. Diese Ambivalenz müssen wir gestalten, diese Ambivalenz bietet aber auch neue Chancen.