Regelleistungen höher bemessen
Auch wenn es einige nicht mehr hören können oder wollen: Die Anhebung der Regelleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder Sozialhilfeempfänger zu Jahresbeginn um zwei beziehungsweise drei Euro ist weniger als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Die geringe Anhebung deckt die gestiegenen Kosten in keiner Weise ab - nicht zum ersten Mal. Das muss zu denken geben.
Seit langem ist bekannt: Energiepreise werden steigen. Das ist gewollt. Klimaschutz kostet. Durch die Coronakrise bedingte Effekte wie Lieferengpässe und deutlich gestiegene Großhandelspreise wirken sich ebenfalls auf die Lebenshaltungskosten aus. Unterm Strich liegt die Inflationsrate bei mehr als fünf Prozent. Hinzu kommen noch coronabedingte Mehraufwendungen wie zum Beispiel für die FFP2-Masken.
Die Diskrepanz zwischen der Höhe der Regelleistungen und den tatsächlichen Kosten ist viel zu groß. Ein Blick auf die Energiekosten macht das deutlich: Für einen Einpersonenhaushalt sieht der Gesetzgeber 36,44 Euro im Monat für Haushaltsstrom vor. Der durchschnittliche Bedarf liegt aber bei 48 bis 50 Euro (siehe dazu auch S. 24 und 34 ff. in diesem Heft). Zwangsläufig bleibt ein Fehlbetrag, und der steigt. Dem Empfänger von Grundsicherung oder Sozialhilfe bleibt nur, diese Mehrkosten an anderer Stelle einzusparen, zum Beispiel bei der Ernährung und den Teilhabemöglichkeiten. Auf Dauer ist das keine Lösung.
Die Bemessung der Regelleistung entfernt sich vor dem Hintergrund der aktuellen Preisentwicklung immer mehr von der vom Bundesverfassungsgericht mit Urteilen von 2010 und 2014 bestätigten Garantie einer menschenwürdigen Existenz, die die Regelleistung erfüllen muss. Neben der physischen Existenzsicherung muss dadurch auch ein Mindestmaß an Teilhabe garantiert werden. Und das muss auch gewährleistet sein. Die Caritas fordert schon seit geraumer Zeit, dass sich die Regelleistungen in SGB II und XII an den tatsächlichen Lebenshaltungskosten orientieren müssen. Das war nie notwendiger als jetzt.
Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass alle Menschen in unserer Gesellschaft mithalten und ihren Beitrag leisten können, auch für die notwendigen Investitionen in Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Die Ampelkoalition muss sich daran messen lassen, wie sie diesbezüglich das neue Bürgergeld ausgestaltet. Es dürfen nicht noch mehr Tropfen auf heißen Steinen verdunsten.