EU-Außengrenze: Raus aus der Falle!
Tausende Menschen sitzen an der Grenze zu Polen unter menschenunwürdigen Bedingungen bei Minustemperaturen fest. Sich selbst überlassen, können sie weder vor noch zurück. Die Falle ist zugeschnappt. Der belarussische Machthaber Lukaschenko lockt Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge aus Krisenregionen auf perfide Weise nach Belarus, um sie dann ins Verderben zu schicken. Ins Verderben auch, weil die EU seit vielen Jahren bei der Entwicklung eines funktionierenden europäischen Asylsystems keinen Schritt weiterkommt. Polens Regierung gibt sich pflichtbewusst, hält seine Grenze als Verteidigerin der Außengrenze der EU geschlossen. Dabei wird unverhohlen europäisches und internationales Recht gebrochen. Belarus, Unterzeichnerstaat der Genfer Flüchtlingskonvention, ist völkerrechtlich verpflichtet, Flüchtlinge zu schützen. Polen müsste Schutzsuchende einlassen und in geordnete Asylverfahren überführen, anstatt illegale Pushbacks durchzuführen. Die EU-Kommission sieht hilflos zu und dem deutschen Innenminister fällt zuvorderst ein, eine Stärkung des Grenzschutzes zu verlangen. Hier werden Menschen instrumentalisiert für einen Kampf, den keiner gewinnen kann.
Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Lukaschenko und sein Regime auf Kosten von sterbenden, hungernden Menschen profilieren. Auch Polens Regierungspartei darf ihrer Vorstellung von der EU und von Rechtstaatlichkeit nicht dadurch Vorschub leisten, dass sie die Werte der EU nun auch noch an der Außengrenze mit Füßen tritt. Allein auf Grenzschutz zu setzen und dabei Menschenrechte hintanzustellen, höhlt den europäischen Geist weiter aus. Doch ohne diesen sitzt die EU selbst in der Falle und macht sich leicht von Despoten erpressbar.
Die Komplexität der Thematik verstellt den Blick für eine Entspannung der akuten Situation: Kurzfristig muss erstens die humanitäre Grundversorgung sichergestellt werden, Hilfsorganisationen müssen Zutritt zum Grenzgebiet erhalten. Zweitens muss geltendes europäisches und internationales Recht eingehalten werden. Drittens müssen die anderen EU-Staaten ein deutliches Zeichen setzen, dass sie Polen und andere Länder an den EU-Außengrenzen nicht alleinlassen, sondern den Schutz der Menschen als solidarische Verpflichtung der EU begreifen. Auch eine Aufnahme und Verteilung innerhalb der EU müssen diskutiert werden. Und viertens muss die Eskalationsspirale gestoppt werden. Verhandlungen mit allen einschlägigen Akteuren, neben Polen und Belarus auch Russland und den USA, sind unverzichtbar.