Der Preis für die Reform ist zu hoch
Am 7. Juli sollte es so weit sein: als TOP 115 sollte das Ende Juni vom Bundestag beschlossene „Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG)” vom Bundesrat verabschiedet und so eine jahrelange Debatte über die SGB-VIII-Reform zu einem (vorläufigen) Ende gebracht werden. Dazu kam es nicht – aus gutem Grund! Entgegen der einhelligen Positionierung aller Fachverbände der Kinder- und Jugendhilfe sieht der Gesetzentwurf einen § 78 f. vor, der Rahmenverträge der Länder mit den Kommunen ermöglicht, die die Kostenübernahme der Länder für Leistungen für unbegleitete minderjährig Geflüchtete regeln sollen. Qualität und Umfang von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe werden damit von der Staatsangehörigkeit der Empfänger und nicht vom individuellen Unterstützungsbedarf abhängig gemacht. Der Deutsche Caritasverband hatte noch kurz vor der Bundesratssitzung an die Länderchefs appelliert, der vorliegenden Fassung des Gesetzes nicht zuzustimmen. Auf politischer Ebene waren es die Grünen, die eine Verabschiedung verhindert haben.
Auch eine Erklärung der Bundesregierung konnte an den Befürchtungen nichts ändern. Darin heißt es, unter Einbeziehung aller Fachverbände der Kinder- und Jugendhilfe und der Flüchtlingshilfe solle ein regelmäßiges Monitoring zu den Entwicklungen auf der Länderebene stattfinden und somit sei eine Gleichbehandlung von deutschen und ausländischen jungen Menschen gewährleistet. Dies ist schon rein sachlich falsch, da der Bund nur über eindeutig rechtlich geregelte Kompetenzen die Länderebene kontrollieren kann.
Sieht man sich den Gesetzentwurf differenzierter an, wird schnell klar, dass viele ursprünglich geplante Verschlechterungen nicht mehr aufgenommen wurden. An anderen Stellen, etwa beim Kinderschutz, wird der Fachdiskurs aber nach wie vor ignoriert: Weder vom ursprünglichen Ausgangspunkt der Reform – Weiterentwicklung der Hilfen zur Erziehung und neue Finanzierungsformen für sozialräumliche Angebote - ist etwas übrig geblieben, noch sind die großen Ziele einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe, Verbesserungen im Pflegekinderwesen und für die Care Leaver umgesetzt worden. Andere Neuregelungen wie etwa Ombudsstellen, der unabhängige Beratungsanspruch von Kindern, unbürokratischere Regelungen bei der Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses und einiges mehr würden beim endgültigen Scheitern der Reform aber ebenfalls auf der Strecke bleiben.
Eine Bundesratssitzung am 22. September bleibt noch, um zu retten, was zu retten ist, oder um zu verhindern, was verhindert werden muss. Auch wenn zumindest einige Regelungen des KJSG zu begrüßen wären, ist der Preis eines unveränderten § 78 f. hierfür eindeutig zu hoch!