Wir zählen Ehrenamt
Über 30 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland freiwillig in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Feldern - mit zunehmender Tendenz. Der soziale Bereich gehört dabei mit 8,5 Prozent aller freiwillig Engagierten zum viertgrößten gesellschaftlichen Themenfeld, hinter Sport und Bewegung, Schule oder Kindergarten sowie Kultur und Musik.1 Freiwilliges Engagement ist auch in der Caritas allgegenwärtig. Das Interesse an Zahlen, die es ermöglichen, den tatsächlichen Umfang zu benennen, ist daher nicht überraschend. Wie viele Ehrenamtliche engagieren sich in der Caritas? In welchen Fachbereichen sind besonders viele von ihnen tätig? Welche Rahmenbedingungen finden sie in der Caritas vor? Diese und ähnliche Fragen werden immer wieder an den Deutschen Caritasverband (DCV) herangetragen.
Unbefriedigende Datenlage
Daten, die das freiwillige Engagement in der Caritas beziffern, liegen nicht vor, obwohl es in der Vergangenheit bereits Ansätze gab, dazu quantitative Angaben zu erheben. So war das Merkmal Ehrenamt viele Jahre fester Bestandteil des Erhebungsbogens der Zentralstatistik2. Im Jahr 2000 wurde die Erhebung überdies einmalig durch einen Zusatz-Fragebogen zum Ehrenamt ergänzt. Viele Einrichtungen und Dienste haben jedoch keine Angaben gemacht, weshalb von einer deutlichen Untererfassung ausgegangen werden musste.
Im Jahr 2006 hat das Institut für Demoskopie Allensbach Ehrenamtliche in Einrichtungen, Diensten und katholischen Pfarrgemeinden befragt. Die Ergebnisse stellten umfangreiche Erkenntnisse zu demografischen Strukturen, Motivation und Einsatzfeldern der Ehrenamtlichen zur Verfügung, lieferten aber keine Grundlage für Aussagen zum Gesamtumfang des Engagements. Bisher bleibt daher nur die Schätzung. Darauf beruht auch die Zahl von 500.000 Ehrenamtlichen, die derzeit kommuniziert wird.
Caritas erhebt neue Daten
Zum Aufbau einer fundierten Datenbasis wird der DCV daher eigens zum Ehrenamt3 in der Caritas Zahlen ermitteln. Die Erhebung wird vom Referat Sozialwirtschaft des DCV zusammen mit dem Institut für Angewandte Forschung, Entwicklung und Weiterbildung (IAF) der Katholischen Hochschule (KH) Freiburg realisiert. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Martin Becker, Professor für Soziale Arbeit an der KH Freiburg. Begleitet wird das Vorhaben durch einen Projektbeirat4, der mit Vertreter(inne)n aus dem Verband besetzt ist. Neben dem Umfang und der Dauer der freiwilligen Tätigkeit sollen demografische Merkmale der Ehrenamtlichen, die Entwicklung des freiwilligen Engagements in der Caritas sowie Angaben zu den bestehenden Rahmenbedingungen in der Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen erhoben werden.
Ehrenamt findet sich in unterschiedlichen Formen in der Caritas wieder. Viele Menschen engagieren sich in den Einrichtungen und Diensten der Caritas, unterstützen beispielsweise Bewohner(innen) von Caritas- Pflegeheimen im Alltag oder übernehmen Aufgaben in einer katholischen Kindertagesstätte. Andere besuchen kranke Menschen zu Hause, organisieren Seniorenkreise in der Pfarrgemeinde, leiten eine Selbsthilfegruppe oder besetzten ehrenamtlich Vorstands- oder Aufsichtsratspositionen in den Organen der Rechtsträger. Die große Bandbreite ist beeindruckend, aber zugleich für die Konzeption der Studie eine Herausforderung. Denn im Unterschied zur Ehrenamtsstudie aus dem Jahr 2006 sind die Adressat(inn)en der vorliegenden Studie nicht die Ehrenamtlichen selbst, sondern die Caritas-Institutionen.
Studie ermittelt Ehrenamtliche und Initiativen
Die Studie wird zum einen alle Ehrenamtlichen umfassen, die in den Einrichtungen, Diensten und Organen der Caritas tätig sind. Zum anderen wird sie aber auch die zahlreichen caritativen Initiativen des ehrenamtlichen Engagements und der Selbsthilfe in den Blick nehmen. Diese Initiativen können aber nicht beziehungsweise nur teilweise über die Caritas-Träger und deren Einrichtungen und Dienste erreicht werden, da sie nicht ausschließlich dort aktiv sind: Dazu zählen die Initiativen der Caritas-Konferenzen Deutschlands (CKD) und der Gemeinschaft der Vinzenz-Konferenzen Deutschlands (VKD), die Selbsthilfegruppen von Kreuzbund sowie die caritativen Initiativen im Umfeld der katholischen Pfarrgemeinden. Um den Einbezug dieser Gruppen dennoch sicherzustellen, wird die Studie in zwei Module (und damit in zwei parallele Erhebungen) aufgeteilt.
Modul 1 legt den Schwerpunkt auf die freiwillig Engagierten in den Einrichtungen und Diensten sowie die Ehrenamtlichen in den Organen der Rechtsträger. Für die Erhebung der Daten werden sowohl die Einrichtungen und Dienste als auch die Rechtsträger selbst befragt. Den Zugang dazu bietet das Adressverzeichnis aus der Zentralstatistik.
Der Fokus in Modul 2 liegt auf den caritativen Initiativen des ehrenamtlichen Engagements und der Selbsthilfe. Anders als in Modul 1 ist keine direkte Befragung dieser Initiativen vorgesehen. In Modul 2 werden die Orts- und Kreis-Caritasverbände (OCV/KRCV) sowie in Verbandsgebieten, in denen es keine rechtlich selbstständigen Ortsverbände gibt, die Gliederungen oder Caritas- Regionen (CR) der Diözesan-Caritasverbände (DiCV) adressiert. Der Zugang über die OCV/KRCV/CR zur Ermittlung der Ehrenamtlichen in den caritativen Initiativen und der Selbsthilfe ergibt sich aus mehreren Überlegungen. Einerseits initiieren die OCV/KRCV/CR teilweise selbst Ehrenamtsinitiativen (zum Beispiel über ihre Freiwilligenzentren oder ihren Fachdienst Gemeindecaritas). Zum anderen ist davon auszugehen, dass die OCV/KRCV/CR die Ehrenamtslandschaft in ihrem Einzugsgebiet einschätzen können und im Idealfall mit den relevanten Fachverbänden und den Pfarrgemeinden in ihrem Einzugsgebiet im Austausch stehen.5 Alle Informationen zu den beiden Modulen finden Sie in der Übersicht (s. Tab. S. 30).
Gute Resonanz bringt ein aussagekräftiges Ergebnis
Die Daten für beide Module werden im September 2017 mittels eines Online-Fragebogens ermittelt. Mit den Ergebnissen der Studie ist im Frühjahr 2018 zu rechnen. Die Resultate werden anonym und unter strenger Beachtung des Datenschutzes ausgewertet und lassen keinerlei Rückschluss auf die
einzelnen Erhebungseinheiten zu. Die Auswertung wird dem gesamten Verband zur Verfügung gestellt. Regional differenzierte Ergebnisse nach Bundesländern und DiCV sind vorgesehen, erfordern aber eine hohe Beteiligung. Dabei ist der DCV auf die Mitwirkung des gesamten Verbandes angewiesen: Nur wenn die Untersuchung einen guten Rücklauf erzielt, kann sie auch aussagekräftige Zahlen bereitstellen.
Anmerkungen
1. Freiwilligensurvey 2014. Die Ergebnisse sind abrufbar unter www.bmfsfj.de, Suchwort "Freiwilligensurvey".
2. Die Zentralstatistik ist die Grundlagenstatistik des DCV und wird alle zwei Jahre veröffentlicht. Im Zuge einer umfassenden Überarbeitung 2016 wurde auch das Merkmal "Ehrenamtliche" aus dem Fragebogen gestrichen (siehe auch neue caritas Heft 3/2017, S. 31-33 und 36/37).
3. Unter Ehrenamt werden alle am Gemeinwohl orientierten Tätigkeiten verstanden, die freiwillig und nicht weisungsgebunden erbracht werden und nicht auf Entgelt ausgerichtet sind. Es sollten dafür lediglich Auslagenerstattungen auf Einzelnachweis oder als Pauschale (maximal Ehrenamts- oder Übungsleiterpauschale) gezahlt werden.
4. An dieser Stelle sei den Mitgliedern des Projektbeirats gedankt für das Mitwirken und die Unterstützung, das Anliegen voranzubringen.
5. Ein ähnlicher Ansatz wurde bereits 2003 für die Erhebung der caritativen Ehrenamtlichen in den katholischen Pfarrgemeinden durch den Landes-Caritasverband Bayern gewählt und erfolgreich umgesetzt. Die Ergebnisse sind abrufbar unter: www.caritas-bayern.de, Pfad: >Unsere Themen->Grundsatzfragen->Gemeindecaritas.
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