Bangemachen gilt nicht
Die Reform der Pflegeberufsausbildung ist nach Ansicht der Caritas überfällig. Für die Reformkritiker scheint jedoch mit der generalistischen Pflegeausbildung der Untergang der Pflege eingeläutet zu werden: Szenarien von Ausbildungsplatzabbau, Qualitätsverlust und dem Ende der Alten- und Kinderkrankenpflege werden heraufbeschworen.
Was passiert, wenn die Reform tatsächlich nicht käme? Die Attraktivität des Pflegeberufes würde nicht gesteigert. Die Fokussierung auf nur einen Bereich schränkt Ausbildungsabsolventen bei der Wahl des Arbeitsfeldes auf Dauer ein. Junge Menschen fragen jedoch nach breiten Berufsperspektiven. Insbesondere Altenpfleger(innen) wären weiter alternativlos an ihr Arbeitsfeld gebunden, das wenig gesellschaftliche Anerkennung hat.
Und warum eigentlich keine Reform? Schon heute sind bis zu 90 Prozent der in den Ausbildungen erworbenen Kompetenzen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege identisch. Es fehlt also nur wenig zu einer generalistischen Ausbildung, von der dann alle Zielgruppen profitieren.
Mit der in der Reform geplanten Festschreibung von Vorbehaltstätigkeiten für Pflegefachleute wird die alleinige Verantwortung der Pflegefachkräfte für ihre berufliche Tätigkeit nach innen und außen deutlich. Kommt die Reform nicht, so verzichtet man leichtfertig auf dieses wichtige Element der Profilierung des Pflegeberufes. Andere Professionen könnten weiterhin den Pflegebedarf eines Menschen feststellen.
Käme die Reform nicht – die Folgen wären langfristig dramatisch
Das Pflegeberufsgesetz sieht bundesweit eine Umlagefinanzierung der Mehrkosten der Ausbildung vor. In den Bundesländern, in denen bereits jetzt über eine Umlage alle Träger der Altenhilfe an den Kosten beteiligt wurden, ist die Bereitschaft, Ausbildungsplätze bereitzustellen deutlich gestiegen. Besonders zu erwähnen ist, dass auch ambulante Pflegedienste ausbilden, die ohne Umlage nicht dabei wären. Doch nur fünf Bundesländer haben eine solche Umlage. Mit dem Pflegeberufsgesetz und dem dort vorgesehenen Ausbildungsfonds hingegen würde die Umlagefinanzierung verpflichtend für alle eingeführt. Kommt die Reform nicht, könnten viele neue Ausbildungsplätze in der Altenhilfe und den ambulanten Diensten nicht gewonnen werden, da die Ausbildungskosten die Leistungsentgelte der eigenen Einrichtung oder des Dienstes belasten und dies ein Wettbewerbsnachteil ist. Mit dem Pflegeberufsgesetz hingegen müssten sich alle an den Kosten beteiligen.
Ein weiterer Meilenstein der generalistischen Ausbildung ist die primärqualifizierende hochschulische Pflegeausbildung. Kommt das Gesetz nicht, würde auch auf die systematische Nutzung pflegewissenschaftlicher Kompetenz verzichtet. Auch das würde der Qualität der Pflege nicht förderlich sein.
Die momentane unselige Debatte um die Pflegeberufsreform erinnert an die Debatten zum Klimawandel: Es zeigt sich erst nach einer Zeit, dass die Folgen dramatisch sind und vor allem kaum noch zu berichtigen. Wir können es uns nicht leisten, bis zum erkennbaren „Abschmelzen der Pole“ zu warten.