Hohe Fachlichkeit allein reicht nicht
Als modernes Dienstleistungsunternehmen verbindet der Caritasverband unternehmerisches Handeln mit christlicher Nächstenliebe." So steht es im Leitbild des Caritasverbandes für Stuttgart1. Was für den Caritasverband als Unternehmen im Allgemeinen gilt, sollte also in gleicher Weise im Umgang mit Mitarbeitenden und Bewerber(inne)n gelten. Zum einen wird hohe Fachlichkeit erwartet für den Umgang mit den "(…) attraktive[n] und herausfordernde[n] Aufgaben" (ebd.), aber auch darüber hinaus eine Identifikation "(…) mit unserem Auftrag und unseren Werten" (ebd.).
Es verbietet sich, einfach Konzepte aus dem Profitbereich zu übertragen. Es geht vielmehr darum, zwar fachliche Impulse aufzugreifen, diese jedoch im Einklang mit der (christlichen) Unternehmenskultur weiterzuentwickeln und anzupassen, auch im Umgang mit dem eigenen Personal und mit Bewerber(inne)n.
Was lässt sich hieraus für die Konzeption eines Auswahlverfahrens ableiten? Das Fordern einer hohen Fachlichkeit kann nicht als Spezifikum eines katholischen Trägers der freien Wohlfahrtspflege gelten. Diese wird ebenfalls bei einem Automobilhersteller, einem Industrieunternehmen oder auch bei einem privatwirtschaftlichen Sozialunternehmen verlangt. Die jeweils geforderten Kompetenzen mögen sich je nach Branche und Unternehmenskultur unterscheiden, Erkenntnisse wissenschaftlich fundierter Verfahren zur Messung von Kompetenzen und Verhaltenstendenzen, also der Eignungsdiagnostik, sind jedoch in hohem Maße übertragbar.
Eignung durch mehrere Methoden prüfen
Ein bei der Personalauswahl beliebtes Verfahren der Eignungsdiagnostik ist das Assessment Center, insbesondere bei der Auswahl von Trainees und kaufmännischen Auszubildenden.2 Während dieses Auswahlinstrument immer beliebter wird, nimmt dessen Qualität ab.3 Der multimodale oder trimodale Ansatz der Berufseignungsdiagnostik4 stellt eine theoretische Basis bei der Konzeption eines Assessment Centers dar, die bei der Auswahl und Konstruktion einzelner Teilverfahren des Assessment Centers hilfreich ist und eine hohe Vorhersagequalität erlaubt.
Grundidee ist, dass die Eignung eines Bewerbers/einer Bewerberin nicht mit einer einzigen Methode (beispielsweise einer Gruppendiskussion), sondern durch eine sinnvolle Kombination verschiedener Herangehensweisen/Modalitäten erfolgen sollte. Mit jeder neuen Modalität wird eine andere Facette der Eignung des Bewerbers/der Bewerberin in den Blick genommen, statt immer wieder dieselbe Facette zu betrachten (beispielsweise die Sozialkompetenz in der Gruppendiskussion, in der Teamaufgabe und im Einzelgespräch).5
Dies bedeutet, dass mit den gewählten Verfahren die drei Modalitäten Eigenschaften, Verhalten und Ergebnisse gemessen werden sollten, um ein optimales Ergebnis zu erhalten.6 Typische eignungsdiagnostische Verfahren sind dabei Tests zur Messung von Eigenschaften, Arbeitsproben/Simulationen zur Messung von Verhalten sowie biografische Indikatoren zur Messung von Ergebnissen.
Ein Assessment Center, das lediglich eine (oder mehrere) Teamübung(en) beinhaltet, bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück, da lediglich das Verhalten der Teilnehmenden und nicht die Eigenschaften und Ergebnisse berücksichtigt werden.7
Realistische Szenarien simulieren
Wie kann dieser eignungsdiagnostische Ansatz in der sozialwirtschaftlichen Praxis umgesetzt werden? Konkret bedeutet dies, dass ein Assessment Center beispielsweise folgende Einzelverfahren beinhalten kann, die jeweils einer der genannten Modalitäten zugeordnet werden können (s. Abb. 1, links unten).
Insbesondere bei den beliebten Simulationsübungen zum Verhalten gilt es, den Anforderungsbezug sicherzustellen: Handelt es sich bei der Simulation um ein
realistisches Szenario, das später im Berufsleben relevant sein könnte? Wer die Bewerber(innen) Türme aus beliebigem Material bauen lässt, sollte sich fragen: Wie oft wird ein(e) Auszubildende(r) genau dieses Verhalten im zukünftigen Berufsleben zeigen müssen? Sinnvoller ist es beispielsweise, mit kurzer Vorbereitungsphase eine Tagung organisieren zu lassen (vgl. auch Tabelle).
Soziale Kriterien auswählen
Der oben beschriebene eignungsdiagnostische Ansatz ermöglicht, Teilverfahren eines Assessment Centers abzuleiten, die eine hohe Vorhersagequalität für die Eignung eines Bewerbers aufweisen. Grundsätzlich ist es besonders auch im Non-Profit Bereich immer denkbar, neben den oben beschriebenen Dimensionen anderen Kriterien den Vorzug bei der Auswahl zu geben. Dies können beispielsweise soziale Kriterien (christliche Unternehmenskultur) oder auch intuitive Entscheidungen sein. Beim Caritasverband für Stuttgart wurden deshalb auch schon Bewerber(innen) eingestellt, die zwar nicht die besten Ergebnisse bei der Eignungsdiagnostik erzielten, die der Verband aber aufgrund des christlichen Menschenbilds in ihrer aktuell schwierigen sozialen Situation unterstützen wollte. Verbunden mit einer individuellen Förderung, die sich auch aus den Ergebnissen des Assessment Centers ableiten lässt, etwa zusätzlich betrieblicher Unterricht zum Schriftsprachverkehr, hat sich gezeigt, dass hier persönliche Entwicklung möglich ist. Sie trägt zur Lebenszufriedenheit des Bewerbers bei, dient aber auch dem Interesse der Organisation qualifizierte Nachwuchskräfte auszubilden und dem sozialen Auftrag eines christlichen Sozialverbandes gerecht zu werden.
Anmerkungen
1. Leitbild des Caritasverbands für Stuttgart: www.caritas-stuttgart.de/unser-verband/leitbild/leitbild , (Stand: 14. März 2016).
2. Schuler, H.; Hell, B.; Trapmann, S., Schaar, H.; Boramir, I.: Die Nutzung psychologischer Verfahren der externen Personalauswahl in deutschen Unternehmen - ein Vergleich über 20 Jahre. Zeitschrift für Personalpsychologie Heft 6/2007, S. 60-70.
3. Schuler, H. (Hrsg.).: Assessment Center zur Potenzialanalyse. Göttingen: Hogrefe, 2007.
4. Schuler, H.: Das Rätsel der Merkmals-Methoden-Effekte: Was ist "Potential" und wie lässt es sich messen? In: von Rosenstiel, L.; Lang-von Wins, T. (Hrsg.): Perspektiven der Potentialbeurteilung. Göttingen: Hogrefe, 2000, S. 53-71.
5. Schuler, H.: Spielwiese für Laien? Weshalb das Assessment Center seinem Ruf nicht mehr gerecht wird. In: Wirtschaftspsychologie aktuell 2/2007.
6. Schuler, H.: Assessment Center, a.a.O.
7. Schuler, H.: Spielwiese für Laien, a.a.O.
Stolperstein Volljährigkeit
Die Botschaft der Liebe trägt Früchte
Caritas kann zu nachhaltigem Konsum anregen
Bangemachen gilt nicht
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