„Wir müssen diesen Krieg gemeinsam und solidarisch durchstehen“
Herr Waskowycz, nach großer Solidarität macht sich offenbar inzwischen eine gewisse Hilfsverdrossenheit breit. Was sagen Sie dazu?
Die Hilfe ist immer noch notwendig. Die Ukraine blutet aus durch den Schlag eines aggressiven Nachbarn, durch Russland. Über sieben Millionen Ukrainer sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Die ukrainische Bevölkerung hilft sich gegenseitig und hat viele Geflüchtete aufgenommen. Aber es braucht auch die Unterstützung aus dem Ausland. Es ist wichtig, dass wir diesen Krieg gemeinsam und solidarisch in Europa durchstehen. Die Hilfe macht einen großen Unterschied für die Menschen. Sie gewinnen durch diese Solidarität die Kraft, um Widerstand zu leisten.
Was ist derzeit Ihre Aufgabe?
Ich arbeite mit bei der Koordinierung und Bildung von Strukturen, um die Hilfe für die notleidende Bevölkerung in der Ukraine effektiv zu gestalten. Es sind spontan viele Hilfsangebote entstanden. Nun geht es darum, diese langfristig sinnvoll zu organisieren. Vor allem zählen wir auf Geldspenden, weil sie effektiv eingesetzt werden können. Die nötigen Waren können in der Ukraine gekauft werden, dort, wo sie immer noch zu erhalten sind. Damit unterstützen wir die ukrainische Wirtschaft. Die Caritas leistet sehr gute Arbeit, ist vor Ort, auch in den umkämpften Gebieten, und versucht, den Menschen direkt zu helfen.
An wen richtet sich die Hilfe, an die Menschen in der Ukraine oder an Geflüchtete im Ausland?
Wir haben beides im Blick: Einmal geht es darum, wie die Hilfe in umkämpfte Gebiete gelangen kann. Sie erreicht die Menschen oft nicht direkt, weil auch Hilfstransporte beschossen werden. In einer Stadt wie Mariupol ist die Bevölkerung ohne Wasser und Lebensmittel. Das ist ein großes logistisches Problem. Zum anderen geht es um die Begleitung der Geflüchteten im Ausland. Das sind bereits über fünf Millionen, vor allem Frauen und Kinder. Die meisten befinden sich in Polen. Wo kommen sie unter, wie werden sie über Hilfsangebote informiert? Die Einschulung der Kinder spielt eine große Rolle. Und die Frage: Wie können sie Arbeit aufnehmen, wie können Qualifikationen anerkannt werden? Derzeit sind wir auf der Suche nach Juristen, die den Leuten erklären, welche Möglichkeiten sie im Zielland haben.
Sie und andere haben schon vor Jahren vom vergessenen Krieg in der Ostukraine gesprochen. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Wir haben seit 2014 einen Krieg. Begonnen hat er mit der Annexion der Krim. Über viele Jahre dauerte er an, ohne dass er von der Welt gesehen wurde. 14.000 Ukrainer wurden allein bis zum Beginn dieser sogenannten Großoffensive seitens Russlands getötet. Aber das Ausmaß des Krieges, den wir jetzt erleben, ist schrecklich. Wir haben erwartet, dass Russland in die Ukraine einfällt. Aber wir haben nicht geahnt, mit welcher Aggression und mit welchem Leid der Zivilbevölkerung das einhergeht. Nach Schätzungen sind in Mariupol bisher mehr als 20.000 Zivilisten umgekommen. Wir haben die Bilder gesehen von Butscha oder Irpin, wo die Menschen auf der Straße erschossen wurden, wo die Leichen herumlagen. Diese Brutalität haben wir nicht erwartet.
Was ist Ihrer Meinung nach jetzt zu tun?
Für mich ist eine Frage als ehemaliger Präsident der Caritas enorm wichtig: Wir sprechen von humanitärer Hilfe, aber wir müssen auch von Waffenlieferungen sprechen. Ein Land ist unschuldig überfallen worden. Dieser Krieg kann nur beendet werden, wenn die Ukraine alle Mittel hat, sich zu verteidigen und die Aggression Russlands zurückzuwerfen. Ich bin auch der Ansicht, dass die Nato-Staaten eine Flugverbotszone mit bewirken sollten. Ansonsten wird die Welt erpressbar.
Was in der Ukraine geschieht - und es wird oft vom Genozid des ukrainischen Volkes gesprochen -, geschieht heute vor den Augen der Welt. Niemand kann sich herausreden, dass er es nicht gesehen hat. Hinzu kommt: Die Ukraine kämpft um ihr Überleben, aber sie kämpft auch für ein demokratisches und sicheres Europa, in dem es nicht möglich ist, dass ein stärkerer Staat einen anderen überfällt.
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