Schlichtung befriedet bei Streit
Die Rechtsgrundlage für das System der Schlichtungsstellen findet sich in § 22 des Allgemeinen Teils der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR). Die Norm schreibt in Absatz 1 vor, dass Dienstgeber und Mitarbeiter:innen verpflichtet sind, bei Meinungsverschiedenheiten, die sich bei der Anwendung der AVR oder aus dem Dienstverhältnis ergeben, zunächst die
beim zuständigen Diözesan-Caritasverband errichtete Schlichtungsstelle anzurufen. Dieser obliegt es jeweils, aufgetretene Streitfälle zu schlichten.
In Absatz 2 dieser Norm ist die Errichtung und Zuständigkeit der beim Deutschen Caritasverband angesiedelten Zentralen Schlichtungsstelle geregelt. Dieser Institution sind danach zwei Aufgaben zugewiesen: Zum einen können ihr von den Schlichtungsstellen der Diözesan-Caritasverbände Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Begutachtung vorgelegt werden. Zum anderen ist sie unmittelbar zuständig für Meinungsverschiedenheiten, an denen ein Diözesan-Caritasverband beteiligt ist. Für den Fall, dass es sich um Unstimmigkeiten zwischen dem Dienstgeber und einem/einer Mitarbeitenden der Zentrale des Deutschen Caritasverbandes handelt, sieht Absatz 3 dieser Norm vor, dass eine besondere Schlichtungsstelle zuständig ist. Diese wird unter der Vermittlung des Erzbischofs von Freiburg gebildet.
Die mittelbare Zuständigkeit der Zentralen Schlichtungsstelle bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung hat den Hintergrund, dass hierdurch ein Beitrag zur einheitlichen Anwendung der AVR geleistet werden soll.
In der Praxis deutlich häufiger kommen Schlichtungsfälle vor, die sich aus der unmittelbaren Zuständigkeit der Zentralen Schlichtungsstelle für
Meinungsverschiedenheiten ergeben, an denen ein Diözesan-Caritasverband beteiligt ist. Sinn und Zweck dieser Zuständigkeit ist es zum einen, dass sich Mitarbeiter:innen von Diözesan-Caritasverbänden nicht an die von ihrem Dienstgeber gebildete Schlichtungsstelle wenden müssen; ihnen soll so die Sorge vor einer möglichen Befangenheit genommen werden. Zum anderen sollen für die Dienstgeber keine Interessenkonflikte aufkommen. All dies dient dem Zweck, dass die Akzeptanz von Schlichtungsvorschlägen hoch ist und das Schlichtungsverfahren als echte Alternative zum Beschreiten des staatlichen Rechtswegs angesehen wird - von Mitarbeitenden und Dienstgebern gleichermaßen. Gleichwohl steht der Weg zu den Arbeitsgerichten offen.
Die unmittelbare Zuständigkeit besteht nicht nur in Bezug auf Mitarbeitende, die direkt bei einem Diözesan-Caritasverband angestellt sind. Auch bei Mitarbeitenden, die von einem Träger angestellt sind, der organisatorisch mit dem jeweiligen Diözesan-Caritasverband verbunden ist und dessen maßgeblichem Einfluss unterliegt, ist die Zentrale Schlichtungsstelle verantwortlich.
Bei welchen Meinungsverschiedenheiten geschlichtet wird
Welche Unstimmigkeiten in den Bereich der Zentralen Schlichtungsstelle gefallen sind, zeigen hier Beispiele aus den letzten Jahren:
◆ Auf der einen Seite des Spektrums stehen Verfahren rein juristische Fragen betreffend, die sich bei Anwendung der AVR ergeben und die noch nicht gerichtlich geklärt sind. Die Besonderheiten des konkreten Falls spielen dabei keine oder nur eine geringe Rolle. Die ungeklärte Frage tritt gegebenenfalls in mehreren Einrichtungen beziehungsweise bei mehreren Mitarbeitenden einer Einrichtung zeitgleich auf. Deshalb werden in solchen Fällen häufig mehrere gleichartige Schlichtungsverfahren in engem zeitlichem Zusammenhang geführt. In Verfahren dieser Art ging es etwa um die Voraussetzungen, eine Geriatriezulage zu zahlen, oder um das Abschmelzen von Besitzständen im Bereich der Regionalkommission Ost. Weitere Fälle drehten sich um die Frage nach der Wirksamkeit der Ausschlussfrist nach § 23 AVR, a. F. (alte Fassung) für Ansprüche aus dem Dienstverhältnis oder um die Frage, ob Teilzeitbeschäftigte bei Überschreiten der persönlichen regelmäßigen Arbeitszeit einen Mehrarbeitszuschlag verlangen können.
◆ Im Schlichtungsverfahren wird die streitige Rechtsfrage aufbereitet. Auch wenn sich die Schlichtungsstelle positioniert, bleibt es in solchen Fällen aber häufig erforderlich, auch das gerichtliche Verfahren durchzuführen, um die Rechtsfrage verbindlich zu klären.
◆ Auf der anderen Seite des Spektrums stehen individuelle Konflikte am Arbeitsplatz. Beispielsweise fühlt sich ein:e Mitarbeiter:in durch eine Versetzung oder Abmahnung ungerecht behandelt oder möchte den Umfang der Arbeitszeit verändern. Auch bei solchen Verfahren gibt es juristisch am Ende ein "richtig" oder "falsch". Im Schlichtungsverfahren steht jedoch im Vordergrund, mit den Parteien nach einer Lösung zu suchen, die für beide Seiten akzeptabel ist und möglichst ein konstruktives Fortführen des Dienstverhältnisses ermöglicht.
◆ Dazwischen liegen die vielen Verfahren, in denen ein mehr oder minder individueller Sachverhalt aufzuklären und dann juristisch zu bewerten ist.
Als größte Gruppe sind Verfahren über die Eingruppierung einzelner Mitarbeitender zu nennen. Dabei muss in der Regel geklärt werden, ob bestimmte Eingruppierungsvoraussetzungen erfüllt sind, etwa ob die konkrete Tätigkeit "selbstständige Leistungen" voraussetzt oder ob ein:e Mitarbeiter:in ohne einschlägige formale Qualifikation über "gleichwertige Fähigkeiten" verfügt.
Die Einzelfälle sind unterschiedlich
Im Übrigen gibt es einen bunten Strauß von Einzelfällen, etwa die Frage nach Zulagen oder Zuschlägen, nach bestimmten Formulierungen im Zeugnis, nach Urlaubsgewährung in einem gewissen Zeitraum, nach der Zahlung von Schadensersatz oder Überstundenvergütung, nach vergütungspflichtiger Freistellung von der Arbeitszeit oder nach der Wirksamkeit einer Kündigung.
Wann und wie die Zentrale Schlichtungsstelle tagt
Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Dienstgeber und Mitarbeitenden wird die Schlichtungsstelle auf schriftlichen Antrag hin tätig. Die zur Begutachtung vorgelegten Fragen müssen darin benannt sein. Ein Anwaltszwang besteht nicht.
Ist der Antrag zulässig, tagt die Zentrale Schlichtungsstelle. Sie ist besetzt mit einem/einer neutralen Vorsitzenden und jeweils einem/einer Beisitzenden der Dienstgeber- und der Mitarbeiterseite. Von der Form her kann dies als mündliche Verhandlung stattfinden, zu der die Parteien eingeladen werden. Voraussetzung dafür ist, dass beide Parteien dies beantragen oder die Schlichtungsstelle dies beschließt. Kommt es zu keiner mündlichen Verhandlung mit den Parteien, tagt die Schlichtungsstelle unter sich und berät über den gestellten Antrag. Nach hinreichender schriftlicher Anhörung der Parteien unterbreitet sie einen Schlichtungsvorschlag. Im Falle der mündlichen Verhandlung mit den Parteien findet die Sitzung grundsätzlich in Freiburg statt. Mit Rücksicht auf den Wohn- oder Dienstort der Beteiligten kann der/die Vorsitzende jedoch einen anderen Sitzungsort bestimmen.
Die Zentrale Schlichtungsstelle ist für Schlichtungsverfahren aus dem gesamten Bundesgebiet zuständig. Dementsprechend hoch kann der Reise- und Zeitaufwand für die Parteien sein. So ist zum Beispiel eine An- und Abreise aus Hildesheim zur mündlichen Verhandlung in Freiburg ohne zusätzliche Übernachtung kaum möglich. Daher fanden vor Beginn der Coronapandemie mündliche Verhandlungen nur in wenigen Ausnahmefällen statt. Die meisten Verfahren wurden schriftlich bearbeitet.
Mit Beginn der Pandemie griff auch die Zentrale Schlichtungsstelle die Möglichkeit der Videokonferenz auf. Die Vorteile liegen zum einen in der höheren Flexibilität bei der Terminierung. Es fanden häufiger
Sitzungen statt. Zum anderen erleichtert die Videokonferenz den Parteien den Zugang zu mündlichen Verhandlungen - unabhängig von Wohn- oder Dienstort und damit verbundenem Reiseaufwand. Tatsächlich stieg dann auch die Zahl der mündlichen Verhandlungen stark an. Dies wiederum hat den Vorteil, in den direkten Austausch zu kommen: zum Beispiel Nachfragen zum Sachverhalt zu stellen, mit den Parteien unmittelbar zu sprechen, sie von einem Vorschlag zu überzeugen und den Parteien den neutralen "Raum" der Schlichtungsstelle zum Gespräch miteinander zu geben.
Die Zentrale Schlichtungsstelle hat einen guten Weg gefunden, die ihr vorgelegten Verfahren zu bearbeiten. Häufig gelingt es in der Schlichtung, Meinungsverschiedenheiten zwischen Dienstgeber und Mitarbeitenden zu lösen und zu befrieden.
Dr. Dorothee Schmiegel - Vorsitzende der Zentralen Schlichtungsstelle; Richterin am Arbeitsgericht Freiburg
Marcel Bieniek - Beisitzer; Geschäftsführer der Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes (DGS)
Bianca Kastenholz - Beisitzerin; Rechtsberaterin Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes (ak.mas)
Kontakt Zentrale Schlichtungsstelle: heike.naegele@caritas.de
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