Mehr Partnerschaftlichkeit wagen
Viele Mütter und Väter möchten Familienarbeit gleichmäßiger unter sich aufteilen. Diese Erkenntnis ist nicht neu und wird immer wieder durch Studien bestätigt, zum Beispiel den Neunten Familienbericht der Bundesregierung.1 Da stellt sich die Frage, warum nur wenige Familien dieses Ziel erreichen: Warum nehmen 28 Prozent aller Väter gar keine Elternzeit? Warum sind über 50 Prozent aller Mütter mit minderjährigen Kindern in Teilzeit beschäftigt, aber nur zehn Prozent der Väter?Warum sieht man bei der Kinderärztin überwiegend Mütter? Das sind persönliche Themen, und schon zur Frage, worin Partnerschaftlichkeit überhaupt besteht, wäre viel zu sagen. Einige Fragen jedoch erfordern strukturelle Antworten, und es gibt Ideen, politische und finanzielle Anreize zu stärken, um Partnerschaftlichkeit zu fördern. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) setzt sich mit anderen Verbänden im Bündnis "Sorgearbeit fair teilen"2 für Verbesserungen ein.
Das Elterngeld hatte unter anderem zum Ziel, die Erwerbsbeteiligung von Müttern zu erhöhen und die Gleichstellung (auch durch Väterbeteiligung an Fürsorge) zu fördern. Teils hat das Elterngeld seine Ziele erreicht: Frauen kehren nach der Geburt des Kindes früher in die Erwerbsarbeit zurück und Männer beteiligen sich stärker an der Elternzeit. Allerdings bleibt es häufig bei den zwei sogenannten Partnermonaten im Elterngeldbezug. Das sind die Monate, die nur gewährt werden, wenn sie vom zweiten Elternteil, zumeist dem Vater, in Anspruch genommen werden. Die Zahl dieser nicht übertragbaren Monate aufzustocken wäre ein wichtiger Schritt. Es ist davon auszugehen, dass Paare, die die Elternzeit stärker aufteilen, auch im späteren Familienverlauf häufiger partnerschaftliche Arrangements treffen. Die Bundesregierung plant, die Partnermonate um einen Monat zu erhöhen und zusätzlich zehn Tage bezahlte Freistellung des zweiten Elternteils direkt nach der Geburt einzuführen.
Beide Vorhaben weisen in die richtige Richtung, sind aber nicht ausreichend. Die Höhe der Lohnersatzleistung im Elterngeldbezug und die maximale Förderung von 1800 Euro monatlich sind eine weitere Hürde für Familien, vor allem für Männer, Elternzeit zu nehmen und sie auszubauen. Der Wegfall eines erheblichen Gehaltsanteils ist oft nicht hinnehmbar. Daher sollte die Höhe des Elterngeldes und des Höchstbetrages, die sich seit der Einführung vor 15 Jahren nicht verändert hat, mindestens angepasst werden.
Reformbedarf bei Ehegattensplitting und Minijobs
Ehegattensplitting und Minijobs schaffen Anreize für Frauen, ihre Erwerbstätigkeit einzuschränken. Das wirkt sich im weiteren Erwerbsverlauf beziehungsweise bei ihren Gehältern und Renten negativ aus. Der SkF fordert seit langem, das Ehegattensplitting zu reformieren und Minijobs als Alleinverdienst abzuschaffen. Leider wird die Reform des Ehegattensplittings politisch weiter verschoben. Der Koalitionsvertrag sieht den Umbau der Steuerklassen III und V zur bereits jetzt möglichen Steuerklasse IV mit Faktor vor, was die Situation etwas verbessern würde.
Nicht zuletzt wegen der Steuerklassenproblematik entscheiden sich Frauen häufig für einen lukrativer erscheinenden Minijob. So tappen sie nicht selten in die "Minijobfalle", in der sie über Jahre verbleiben. Daher fordert der SkF dringend, Minijobs als alleinigen Verdienst abzuschaffen und mehr Beschäftigungen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu überführen. Generell sollte für beide Elternteile eine vollzeitnahe Beschäftigung im Rahmen von zum Beispiel 30 Wochenstunden gefördert werden. Dies würde partnerschaftliche Sorge- und Pflegearrangements in Familien deutlich stärken.
Viele Haushalte benötigen qualifizierte Unterstützung bei der Sorgearbeit. Doch die Kehrseite: 90 Prozent aller in Haushalten beschäftigten Personen, meist Frauen, arbeiten ohne arbeitsrechtliche und soziale Absicherung "schwarz". Es ist dringend notwendig, politische Voraussetzungen zu schaffen, die diese Form der Schwarzarbeit eindämmen. Die Beschäftigten in diesem Bereich müssen deutlich besser abgesichert werden, damit gute Arbeitsplätze entstehen. Dazu gehört auch, Menschen für diese Tätigkeiten besser zu qualifizieren und wenn nötig auch sozialpädagogisch zu begleiten. Gemeinsam mit dem Bündnis "Sorgearbeit fair teilen" fordert der SkF, mittels eines Gutscheinsystems haushaltsnahe Dienstleistungen zu fördern. Der Koalitionsvertrag benennt ein Modell zunächst für Paare und Alleinlebende mit Kindern sowie Haushalte mit Pflegebedürftigen - ein erster Schritt, um auch Familien mit geringeren finanziellen Mitteln bei der Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienste zu unterstützen. Eine weitere Möglichkeit könnte sein, die Menschen, die keine oder eine geringe berufliche Qualifikation haben, bei Interesse für diese Tätigkeiten zu qualifizieren und sie in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln.
Neben den wichtigen und notwendigen politischen Schritten sind Haltungsänderungen entscheidend. Jeder und jede, alle Unternehmen und Behörden sind gefordert, neue Wege der Partnerschaftlichkeit einzuschlagen. Noch immer kämpfen Männer, die umfangreichere Familienarbeit leisten, damit, belächelt zu werden. Noch immer plagt Frauen das schlechte Gewissen, wenn sie beruflich wieder durchstarten. Die geteilte Verantwortung für Sorge und Pflege in Familien muss selbstverständlicher werden. Unternehmen sollten werdende Mütter und Väter gleichermaßen motivierend über die Optionen von Elterngeld, Elternzeit und etwaigen betrieblichen Möglichkeiten zur Förderung der Vereinbarkeit informieren.
Politik muss Rahmen setzen
Ganz am Ende muss das Thema individuell verhandelt werden: Was heißt denn eigentlich Partnerschaftlichkeit in unserer Familie? Wer kann welche Tätigkeit gut und hat an einer Aufgabe vielleicht mehr Freude als die oder der andere? Wie kann sich die Familie unterstützen lassen? Es braucht die Bereitschaft von beiden, dies ehrlich auszuhandeln. Den Rahmen, sich frei entscheiden zu können und individuelle Möglichkeiten anzuwenden, muss die Politik geben.
Bei alldem darf nicht vergessen werden, dass es zu viele Familien, vor allem Alleinerziehende, gibt, die keine finanziellen Spielräume haben. Besonders sie müssen mehr unterstützt werden, Erwerbstätigkeit und Familie gut vereinbaren zu können, um existenzsichernde Gehälter und Renten zu erlangen. Deshalb müssen Familien mit Kindern und mit Pflegeverantwortung generell intensiver gefördert werden. Sorge und Pflege sind nicht nur Privatangelegenheit, sondern gehen die ganze Gesellschaft an.
Anmerkungen
1. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Neunter Familienbericht. Eltern sein in Deutschland. Berlin, 2021. Kurzlink: https://bit.ly/3tfB78h
2. Siehe dazu www.sorgearbeit-fair-teilen.de
Langzeitarbeitslose nicht abhängen
Dauerbaustelle SGB II
Regelbedarfsermittlung: Neustart erforderlich
Klimaschutz statt Armut
Ein Plus fürs Arbeitsklima
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}