Vielfalt ist Bereicherung
Mit einem Rahmenkonzept hat die Caritas Rheine in den Jahren 2013 bis 2016 die interkulturelle Öffnung (IKÖ) der Dienste und Einrichtungen als strategisches Ziel der gesamten Organisation implementiert. Das Rahmenkonzept ging auf ein verbandsweites Vorläuferprojekt aus den Jahren 2011 bis 2012 zurück, in dem sich einerseits Leitungskräfte und Mitarbeiter(innen) zur interkulturellen Sensibilisierung fortbilden ließen. Andererseits erfolgte mittels einer Befragung aller Abteilungen ein differenzierter Organisationscheck, in dem der Ist-Stand der interkulturellen Öffnung dem Entwicklungsbedarf gegenübergestellt wurde - und das aufgeschlüsselt auf die Alltagskultur der Dienste und Einrichtungen, auf ihre Nutzer(innen), ihre haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden sowie auf fachspezifisches interkulturelles Know-how. Ein Workshop mit 50 Leitungskräften und Mitarbeitenden entwickelte auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse das Rahmenkonzept mit seinen Grundsätzen und Leitzielen und mit einer Organisationsstruktur, die in den Organisationsplan der Caritas Rheine eingebettet ist.
Mit dieser breiten Beteiligungsorientierung haben die interkulturell fortgebildeten Mitarbeiter(innen) in ihren Diensten und Einrichtungen als interkulturelle Ansprechpartner (InA) mit hoher Identifikation die Implementierung des Rahmenkonzeptes in die Praxis vorbereitet und begleitet. Außerdem sind die unterschiedlichen Praxisbedarfe der Abteilungen über den interkulturellen Organisationscheck mit den dezentral aufgestellten interkulturellen Ansprechpartnern und der Leitungsebene auf der zentralen Verbandsebene als Qualitätszirkel für eine "passgenaue" Umsetzung zusammengeführt worden. Prozesse und Ergebnisse der unterschiedlichen Strukturebenen wurden regelmäßig dokumentiert und über einen gemeinsamen Netzwerkordner allen Akteuren transparent zugänglich gemacht. Zwischenberichte gegenüber dem auftraggebenden Vorstand und der Abteilungsleiterkonferenz waren hilfreiche Feedback-Schleifen, um die Einhaltung der Ziele des Rahmenkonzeptes im Prozess zu überprüfen und zu korrigieren.
Für die Öffentlichkeit wurde auf der Internetseite der Caritas Rheine die interkulturelle Organisationsentwicklung nachvollziehbar präsentiert.1 Zudem dokumentiert der Beitritt der Caritas Rheine zur bundesweiten "Charta der Vielfalt", wie Prozessverlauf und Umsetzungsorientierung der interkulturellen Öffnung sich gegenseitig bedingen. Die "Charta der Vielfalt" ist eine bundesweite Selbstverpflichtung von Unternehmen und Institutionen zu Vielfalt und Toleranz, Fairness und Wertschätzung von Menschen im Arbeitsleben.
Interkulturelles Qualitätsmanagement
Der Qualitätszirkel interkulturelle Öffnung hat bei der Umsetzung des Rahmenkonzeptes viele konkrete Maßnahmen entwickelt für eine nachhaltige Verankerung in der Caritas Rheine. Auf der Basis von fünf Zielperspektiven enthielt der Arbeitsplan Module, die den empfohlenen Umsetzungskatalog mit Qualitätsindikatoren überprüfbar machen.
Die fünf Zielperspektiven:
- Fortbildungen interkulturelle Öffnung;
- interkulturelle Bedarfslagen abklären - interkulturelle fachliche Standards einführen;
- die bunte Vielfalt von Einrichtungen er-
leben: Alltagskultur, nutzerorientierte Öffentlichkeitsarbeit, Wissensmanagement; - interkulturelles Personalmanagement;
- Sprache und Kommunikation: barrierefreie Zugänge schaffen.
Die Formulierung der Zielperspektiven macht sie von einer abstrakten auf eine konkrete Ebene übertragbar, was am folgenden Beispiel zur Zielperspektive "Die bunte Vielfalt von Einrichtungen erleben" beschrieben wird.
Beispiel Suchthilfe
Die Umsetzung als "Kulturreise" mit chronisch suchterkrankten Bewohnern im Haus Forckenbeck beschreibt die interkulturelle Ansprechpartnerin des Wohnhauses, Heike Kunk-Robel, anschaulich zur Nachahmung: "Als Vorbereitung auf unsere Kulturreise haben wir uns mit der deutschen Kultur unter der Fragestellung ,Wer bin ich?/Wer sind wir?‘ und ,Was ist typisch deutsch?‘ unter Anwendung verschiedener Methoden und Techniken beschäftigt. Eingeladen waren alle Bewohner und das Team unserer Einrichtung. In der darauffolgenden Woche beschäftigten sich die Teilnehmer mit den Kulturen aus Sri Lanka, Polen, der Türkei und Russland. Nach einer kulturtypischen Begrüßung in der Landessprache folgten Ausführungen und gemeinsamer Austausch zum Brauchtum, zu den Werten und Ritualen zunächst in der Großgruppe unter Berücksichtigung der persönlichen Erfahrungen der jeweiligen Kulturdolmetscher, die uns auf unserer Kulturreise begleiteten und unterstützten. Anschließend folgten die Fortsetzung des Austausches und die weitere Vertiefung in einer Koch- und einer Kreativgruppe zur Gestaltung eines mehrsprachigen Willkommensgrußes. Wir beendeten unsere Reise an jedem Wochentag mit einem gemeinsamen Mittagessen mit Spezialitäten aus dem jeweiligen Kulturkreis."
Bauplan für Nachhaltigkeit
Auf Basis der Empfehlungen des Qualitätszirkels wurde ein "Bauplan" (s. Tab. 2 unten) für die nachhaltige Umsetzung der interkulturellen Öffnung im Alltag der Caritas Rheine etabliert. Dabei wird die interkulturelle Öffnung als eine Gesamtstrategie der Organisation angesehen, die in allen Bereichen umgesetzt wird.
Im Prozessverlauf haben sich der Austausch zwischen den interkulturellen Ansprechpartner(inne)n und ihre Schulungen als wichtige Erfolgsfaktoren der nachhaltigen Implementation erwiesen. Dazu gehört wie bei allen Qualitätsmanagement-Systemen auch die Einbindung aller Leitungsebenen, um in einem Aushandlungsprozess den erforderlichen Aufwand, die nötigen Ressourcen und den gewünschten Ertrag gemeinsam festzulegen. In dieser breiten Beteiligung gelingen passgenaue Zielsetzungen mit Praxisertrag für die Dienste und Einrichtungen.
Zukunftsstrategie Vielfalt
Interkulturelle Öffnung bleibt ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess - nicht nur bei der Caritas Rheine. Perspektivisch wird es darauf ankommen, in allen Einrichtungen und Diensten sensibel für andere diskriminierungsrelevante Unterschiede und deren Verwobenheit mit migrationsspezifischen Diskriminierungen zu sein, zum Beispiel im Hinblick auf Geschlecht, Behinderung, Religion, Alter und die sozioökonomische Lebenslage. Viele Menschen mit Migrationshintergrund wünschen sich, eben nicht mehr unter dem Label "Migrant" angesprochen zu werden, sondern mit ihren Stärken und als ganz normaler Teil einer vielfältigen Gesellschaft gesehen zu werden. Gleichzeitig ist es für die weitere interkulturelle Öffnung notwendig, die Bevölkerungsgruppen zu benennen, die sich noch nicht in den Angeboten der Caritas Rheine widerspiegeln, um für diese Gruppen kultursensible Angebote bereitzustellen. Mit der Strategie interkulturelle Öffnung entsteht dann als Kultur der Organisation auf allen Ebenen nicht nur die Sensibilität für die Vielfalt, sondern auch der Ertrag der Bereicherung - Nachahmer(innen) sind ausdrücklich eingeladen.
Anmerkung
1. www.caritas-rheine.de, Suchbegriff: "Caritas setzt auf Vielfalt".
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