Gläubige sind gefordert, sich deutlich von Rechtspopulisten abzugrenzen
Noch ist es früh im Jahr, aber die im September anstehende Bundestagswahl wirft bereits jetzt ihre Schatten voraus. Und nicht nur sie. 2017 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich zeigen wird, ob die Wähler in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland - allesamt Gründungsmitglieder der Europäischen Union - den weiteren Aufstieg rechtspopulistischer Parteien stoppen oder diese gar an die Macht bringen, was jedenfalls in Frankreich und den Niederlanden nicht gänzlich ausgeschlossen ist.
Keine Frage: 2017 könnte eine Zeitenwende für Europa bedeuten und eine neue autoritäre Epoche einleiten. Wer das für übertrieben hält, braucht nur nach Polen und Ungarn zu blicken. Die Entwicklung in Warschau ist besonders erschütternd, da Polen als die Vorzeigedemokratie schlechthin unter den postsowjetischen Staaten galt. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sagte bereits 2014, dass er eine "illiberale Demokratie" als Modell für sein Land ansehe. Aber auch der Westen ist vor solchen Entwicklungen nicht gefeit. Rechtspopulisten wie Nigel Farage von der britischen Partei "UKIP" (United Kingdom Independence Party) trugen mit ihren markigen Sprüchen maßgeblich zur Brexit-Entscheidung bei. Und ausgerechnet in den USA, dem vielgepriesenen "land of the free", schaffte es jemand wie Donald Trump, der seinen Wahlkampf auf Lügen aufbaute, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen will und Muslime gar nicht erst ins Land einreisen lassen wollte, sogar ins Weiße Haus.
Rechtsdrall in christlichen Milieus
Verblüffenderweise gibt es in all diesen Ländern eine nicht geringe Anzahl an Christen, die die neuen rechtspopulistischen beziehungsweise autoritären Bewegungen unterstützen. So wurde Donald Trump laut der "Washington Post" von rund 81 Prozent der Evangelikalen gewählt. Von den "sonstigen Protestanten" stimmten rund 60 Prozent für ihn. Bei den Katholiken waren es 52 Prozent. In Deutschland gibt es in katholischen und evangelikalen Milieus mit Rechtsdrall ebenfalls große Sympathien für Trump. Auch hoffte man dort vielfach auf eine Wahl des FPÖ-Politikers Norbert Hofer zum österreichischen Bundespräsidenten. Die derzeitige polnische sowie die ungarische Regierung erfreuen sich ebenfalls einer signifikanten Beliebtheit in diesen Kreisen. In Polen und Ungarn selbst gibt es überdies - und das ist das eigentlich Bedenkliche - zahlreiche Geistliche, die den jeweiligen Regierungskurs befürworten.
Derartige Allianzen zwischen Klerikern und Rechtspopulisten existieren in Deutschland erfreulicherweise nicht. Im Gegenteil. So haben etwa Rainer Maria Kardinal Woelki (Köln) und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick deutliche Worte zu der Pegida-Bewegung gefunden. In Köln wurde bei einer Demonstration von Pegida zudem die Beleuchtung des Doms ausgeschaltet. Ebenso hielt man es in Erfurt, als die Alternative für Deutschland (AfD) vor dem dortigen Dom Versammlungen abhielt.
Diese bewusste Zeichensetzung erzürnte indes zahlreiche Christen, die zwar längst im Rechtspopulismus angekommen sind, ihn aber immer noch mit einem strengen Konservativismus verwechseln. In den letzten Jahren hat sich im konservativen Milieu beider christlicher Konfessionen eine Spaltung in einen gemäßigten Teil sowie einen für rechtspopulistisches und völkisch-neurechtes Gedankengut empfänglichen Part vollzogen. In den nach rechts gedrifteten Kreisen gehört es vielfach fast schon zum guten Ton, die AfD zu wählen oder aber mindestens als "konservativ" zu verharmlosen und die Pegida-Bewegung zu verteidigen. Kirchenvertreter mit klarer Haltung sind dort längst zu einem Feindbild geworden, vor allem Kardinal Woelki, seit er an Fronleichnam 2016 ein Flüchtlingsboot als Altar auf der Kölner Domplatte aufstellte.
Unter rechten Christen werden die typischen Abwehrhaltungen gepflegt, die auch der säkularen Rechten eigentümlich sind. Zu den Dauerthemen gehören die vermeintliche "Islamisierung des Abendlandes", die angeblich drohende "Überfremdung" durch Flüchtlinge aus dem arabischen Raum sowie die herbeifantasierte "Umerziehung" hin zum "neuen Menschen" durch den "Genderwahn". Zudem werden Politiker dort sehr stark an ihrer Haltung zur Abtreibung gemessen. Wer sie ohne Ausnahme ablehnt, kann sich der Unterstützung fast sicher sein. Autoritäre Haltungen des jeweiligen Kandidaten werden entweder ausgeblendet oder gar gutgeheißen. Im Falle von Trump sahen nicht wenige "Rechtgläubige" in dessen verbalen Ausfällen eine probate Reaktion auf die in diesen Kreisen so verhasste "politische Korrektheit", eines der Lieblingsfeindbilder der Szene.
Der Publizist Thomas Seiterich sprach bereits im April 2016 auf "katholisch.de", dem offiziellen Portal der Deutschen Bischofskonferenz, von einem "neuen Kampf um das Christliche". Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, wie "selbsternannte Abendlandverteidiger aus dem internationalistischen, antirassistischen Christentum der Nächstenliebe eine Art antiislamische, weiße Stammesreligion" machen. Zutreffend hob er hervor, dass die "Brisanz" dieser Entwicklung in vielen Kirchenregionen außerhalb der großen Städte noch nicht erkannt worden sei. Es sei "offen, ob die rechte Instrumentalisierung von Christlich und Christentum auf Dauer überzeugend und mit Erfolg [abgewehrt] werden" könne.
Respektvoller Umgang mit anderen Religionen
Umso mehr gilt es, sachlich und besonnen darüber aufzuklären, warum die Programmatik und die Äußerungen von AfD-Politikern und sonstigen Rechtspopulisten nicht mit einer christlich-empathischen Grundhaltung vereinbar sind. Wer etwa den Islam wie die AfD-Politiker Beatrix von Storch und Nicolaus Fest weniger als Religion, sondern eher als Ideologie ansieht, muss unter Katholiken auf Widerspruch stoßen. Immerhin ruft die im Zuge des Zweiten Vatikanums publizierte Erklärung "Nostra aetate" zu einem respektvollen Umgang mit anderen Religionen auf. Nicht sonderlich christlich ist auch von Storchs Überzeugung, dass Flüchtlinge nicht integriert werden müssen, da sie irgendwann in ihre Heimat zurückkehren. Wer ernsthaft meint, dass Menschen möglicherweise über Jahre ohne jeden Anschluss an die hiesige Gesellschaft in Flüchtlingsunterkünften ausharren sollten, zeigt wenig von dem freundlichen Umgang mit "Fremden", welchen die Bibel postuliert (s. dazu auch die Beiträge in neue caritas Heft 20/2016, S. 9 ff.).
Die Demokratie ist in Gefahr
Mit dem Ressentiment gegenüber Flüchtlingen und der pauschalen Stimmungsmache gegen den Islam als solchen ist jedoch das, was den Rechtspopulismus so gefährlich macht, noch nicht in Gänze beschrieben. Neben vereinfachenden Sprüchen und der Anti-Establishment-Attitüde ist, darauf weist der Politologe Jan-Werner Müller in seinem im letzten Jahr bei Suhrkamp erschienenen Essay "Was ist Populismus?" hin, ein zweites Element konstitutiv, damit man von Populisten sprechen kann. Diese reklamieren Müller zufolge einen "moralischen Alleinvertretungsanspruch" und behaupten, dass nur sie "das wahre Volk" repräsentieren. Eine solche Haltung ist im Kern antipluralistisch und zeigt sich in der Aneignung von Slogans wie "Wir sind das Volk", die gerne auf Pegida-Demos gerufen werden, und in der für Rechtspopulisten so typischen Verächtlichmachung der politischen Konkurrenz als "Altparteien", "Kartellparteien" oder gar "inhaltlich entarteten Altparteien" (Björn Höcke) sowie der Medien als "Lücken-" beziehungsweise "Lügenpresse". Auch vor Kirchenvertretern und kirchlichen Institutionen macht diese Respektlosigkeit keinen Halt. So nannte Beatrix von Storch Kardinal Woelki einen "Regierungssprecher". Petr Bystron, der Landesvorsitzende der AfD Bayern, fiel mit kirchenfeindlichen Äußerungen negativ auf. Unter anderem sprach er den Kirchen ab, aus menschlichem Mitgefühl zu handeln: "Die beiden Amtskirchen haben aus kommerziellen Gründen ein massives Interesse an weiterer Zuwanderung: Die vordergründig propagierte Flüchtlingsfreundlichkeit finanziert nämlich eine gigantische Wohlfahrtsindustrie unter dem organisatorischen Dach der Kirchen." Wer mit derartigen Unterstellungen operiert, ist gewiss keine Alternative für Christen.
Christen unterscheiden nicht nach Herkunft und Religion
Kirchen und Gläubige sind gefordert, sich deutlich von Rechtspopulisten abzugrenzen und über die Gefahr für unsere Gesellschaft und die Demokratie aufzuklären, die von jenen ausgeht. Eine solche Abgrenzung ist angesichts des pseudochristlichen Anstrichs vieler Scharfmacher ganz besonders angezeigt. Orientierungshilfe kann hier der Mitte Januar bei Herder erschienene, von Stefan Orth und Volker Resing herausgegebene Band "AfD, Pegida und Co. - Angriff auf die Religion?" bieten. Zutreffend weist Kardinal Woelki in seinem dortigen Beitrag darauf hin, dass die "Kirche eine Frontstellung gegenüber vermeintlich ,Fremden‘ im Rechtspopulismus ab[lehnt]", und kommt zu der Folgerung: "Christen unterscheiden nicht nach Herkunft, Kultur oder Religion, sondern erkennen in jedem Menschen das Abbild Gottes." Fürwahr. In diesem Jahr wird darauf ganz besonders zu achten sein.
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