Das neue Aufbegehren von rechts
Im Zuge des Aufstiegs rechtspopulistischer Parteien in Europa war die Bundesrepublik Deutschland viele Jahre lang ein weißer Fleck auf der Landkarte. Im Zusammenhang mit der Selbstverortung der Mehrheit der im Bundestag vertretenen Parteien als Vertreter der politischen Mitte, der Formierung einer Großen Koalition und des Merkel’schen Credos einer "Alternativlosigkeit" neoliberaler Austeritätspolitik im Kontext der Euro-Rettung formierte sich mit der AfD eine neue parteipolitische Kraft rechts der Unionsparteien. Entstanden als rechtsnationale Anti-Euro-Partei, vollzog die AfD im Laufe ihres bislang dreijährigen Bestehens eine fortschreitende Entwicklung hin zu einer neuen einwanderungsfeindlichen, radikal rechtsgerichteten Oppositionspartei mit Massenanhang.
Flüchtlingsdebatte hat Öffentlichkeit polarisiert
Die Flüchtlingsdebatte hat die deutsche Öffentlichkeit polarisiert. Der starke Anstieg der Zahl der nach Deutschland Geflüchteten, der nicht zuletzt durch die Eskalation des Bürgerkrieges in Syrien zu erklären ist, hat einerseits massive xenophobe und rassistisch motivierte Abwehrhaltungen hervorgerufen. Anderseits haben sich viele Menschen im Rahmen der "Willkommenskultur" unterstützend und
solidarisch gegenüber den Zufluchtsuchenden verhalten. Die große Welle von Hilfsbereitschaft erlitt in der medialen Rezeption einen Einbruch durch die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht auf der Kölner Domplatte. Danach häuften sich mediale Prognosen von einem "Ende der Willkommenskultur". Jüngste Untersuchungen des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche verweisen allerdings empirisch auf gegenteilige Entwicklungen: Laut Befragungsergebnissen vertritt die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung die Ansicht, dass Geflüchteten geholfen werden sollte. Das zivilgesellschaftliche Engagement für Flüchtlinge ist sogar gestiegen: Im November 2015 setzten sich insgesamt 10,9 Prozent auf die eine oder andere Weise für Flüchtlinge ein, im Mai 2016 11,9 Prozent. Sie haben Zeit, Energie, Geld und vieles mehr eingebracht - aber sie sind nicht als politischer Faktor im Sinne eines kollektiven politischen Akteurs in Erscheinung getreten.
Im Unterschied hierzu hat sich auf der politisch rechten Seite eine breite Front formiert - im parlamentarischen wie im außerparlamentarischen Raum, in der gesellschaftlichen Debatte, auf der Straße und mit den Mitteln der Gewalt. So zeigt sich die rassistische Mobilisierung von rechts auch in den großen Wahlerfolgen der AfD und im massiven Anstieg rassistisch motivierter Gewalt. Der rassistische Vormarsch steht in Zusammenhang mit einem gesamtgesellschaftlichen Meinungsklima, das ausgrenzende, autoritäre Abwehrhaltungen und gewalttätigen Rassismus begünstigt. Politisch wird diese Entwicklung indirekt legitimiert durch die CSU, die in Abgrenzung zum Merkel’schen Credo "Wir schaffen das" von einer "Herrschaft des Unrechts" redet und die ungarische Grenzzaun-Politik des Rechtspopulisten Victor Orbán favorisiert.
Mobilisieren gegen Einwanderung und Asyl
Die aktuelle Entwicklung zeigt in vielerlei Hinsicht Ähnlichkeit mit der sogenannten "Asyldebatte" Anfang der 1990er-Jahre. Auch jene Phase war gekennzeichnet von einem massiven Anstieg rassistisch motivierter Gewalt, von einer anlassbezogenen Formierung rechter Milieus und politischer Initiativen zur Einschränkung des Asylrechts. Angesichts eskalierender Kriege, gescheiterter Aufbruchsbewegungen in den Gesellschaften Nordafrikas, bestehender globaler Wohlstandsgefälle sowie erheblicher Teile der Bevölkerung, die an der überkommenen Vorstellung weitgehend homogener ethnischer Volkszusammensetzung festhalten, lassen sich deutliche Parallelen feststellen.
Von rechter Seite her wird zum "nationalen Aufstand" gegen Einwanderung und Asyl, Interkulturalität und Interreligiosität mobilisiert. In der gegenwärtigen Flüchtlingsdebatte sehen rechtspopulistische und extrem rechte Akteure eine günstige politische Gelegenheit zur rassistischen Mobilisierung. Diese Mobilisierung ist Ausdruck und propagandistischer Anknüpfungspunkt eines rechten Kulturkampfes, dessen Ziel ein reaktionär-autoritärer Umbau der Gesellschaft ist. Auch das Thema Islam erweist sich dabei vor dem Hintergrund des internationalen, gewalttätigen Islamismus als wirkungsmächtiges Feindbild für die Anstachelung rassistischer Ressentiments.
Mit dem Entstehen von Pegida im Herbst 2014 haben sich solche Aktivitäten vervielfacht. Die große und in den ersten Monaten rasch ansteigende Zahl von Demonstrierenden in Dresden hat die gesamte rechtspopulistische und extrem rechte Szene in Deutschland beflügelt; Pegida kann als Initialzündung für eine neue flüchtlingsfeindliche Protestbewegung angesehen werden. Diese bietet vielen, die gegen eine interkulturelle Gesellschaft sind, sich ethnische Homogenität zurückwünschen und ein tiefes Misstrauen gegenüber den Bundestagsparteien im Besonderen oder das demokratische System im Allgemeinen haben, eine Form des Ausdrucks - in der persönlichen Kommunikation, im Internet und auf der Straße. Zudem haben die Pegida-Demonstrationen aus Sicht der Protestforschung zu einer sprunghaften Zunahme gewalttätiger Übergriffe auf Asylbewerberheime beigetragen.
Im Sog der Demonstrationen von Pegida und ihren Ablegern sowie der Wahlerfolge der AfD hat sich eine neue rechte soziale Bewegung formiert, die sich zu einer fundamental(istisch)en Opposition mit völkisch-nationalistischer Orientierung entwickelt. Die Einwanderung, "der Islam" und die Europäische Union dienen dabei als wirkungsmächtige Feindbilder, um "das Volk" gegen die "politische Klasse" zu mobilisieren - mit dem Ziel einer nationalistisch-autoritären Umgestaltung der Gesellschaft. Bislang heterogene Milieus der extremen und der sogenannten Neuen Rechten wachsen hierbei aktionsorientiert zusammen und gewinnen im Zuge politischer Legitimationsverluste der in den Parlamenten vertretenen relevanten Parteien an Zustimmung in konservativen und in sozial deklassierten Milieus.
Damit einher gehen Verschiebungen in der rechten Parteienlandschaft, bei denen die AfD zunehmend den Kristallisationspunkt einer neuen rechten Bewegung mit parteipolitisch erfolgversprechenden Machtoptionen darstellt. Mit flüchtlingsfeindlichen und rassistischen Politikkonzepten gelang und gelingt es der AfD, sowohl eine relevante Anzahl aus dem Lager der Nichtwähler zu mobilisieren wie zugleich Wechselwähler aus dem gesamten Parteienspektrum einschließlich des linken und gewerkschaftlichen Lagers anzusprechen. Die AfD versucht, in die Fußstapfen erfolgreicher extrem rechter Parteien wie des französischen Front National und der österreichischen FPÖ zu treten und knüpft zudem außenpolitische Kontakte zum autoritären Putin-Regime.
Instrumentalisierung von Glaubensfragen
Die Wirkungsmächtigkeit der neuen rechten Propaganda resultiert nicht zuletzt aus der Übertragung klassisch rassistischer Stereotype auf die kulturelle und religiöse Ebene: Die neuen Rechten erklären sich zu Verteidigern der "christlich-abendländischen Kultur", sie nehmen die Schlüsselbegriffe "Heimat, Glaube, Kultur" in Anspruch für eine völkisch-nationalistische Politik der Ausgrenzung. Zugleich instrumentalisiert und delegitimiert der Rechtspopulismus die demokratischen Institutionen mit seiner Behauptung, das "wahre Volk" symbolisch zu repräsentieren. Denn im Rechtspopulismus wird "das Volk" ethnisch und sozial homogenisiert und es wird ihm ein "einheitlicher Wille" (der Wille seiner angeblichen "Anwälte") zugesprochen. Damit feiert die AfD ihre Erfolge. Seit ihrem Führungswechsel im Sommer 2015 hat die rechtspopulistische Partei ihren muslimfeindlichen politischen Kurs verstärkt. Das AfD-Bundesvorstandsmitglied Beatrix von Storch vertritt gar die Ansicht, dass der Islam eigentlich eine "politische Ideologie" sei, welche "mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist". Daher will die AfD einen Anti-Islam-Kurs in ihrem Grundsatzprogramm verankern: "Wir sind für ein Verbot von Minaretten, von Muezzins und für ein Verbot der Vollverschleierung", so die sich als Christin verstehende AfD-Politikerin. Als eine der ersten parteiinternen Strömungen mobilisierte die "Patriotische Plattform" für die politische Ausrichtung der AfD gegen den Islam im Bündnis mit den Pegida-Protesten. Ein Positionspapier des Plattform-Sprechers Hans-Thomas Tillschneider verdeutlicht die rassistische Stoßrichtung solcher Anti-Islam-Positionen. Dort heißt es: "Die Forderung nach Willkommenskultur und nach Islamreform sind zwei Seiten derselben Feindlichkeit gegenüber Identität und kultureller Differenz." Die Würde des Menschen zeige sich "in seiner kulturellen Verschiedenheit". Daher wird der Islam aus "der grundsätzlichen Scheidung zwischen Eigenem und Fremden und der Verteidigung des Eigenen" heraus abgelehnt. Demnach steht die Ablehnung des Islam als Chiffre für eine rassistisch hergeleitete Abwehr von Einwanderung. Dementsprechend heißt es in dem Positionspapier: "Das Problem ist nicht der Islam, das Problem ist die multikulturelle Gesellschaft."
Eine Politik der Feindbilder
Die AfD nimmt aktuell die Rolle eines politischen Zugpferdes einwanderungsfeindlich eingestellter Bevölkerungskreise ein und setzt auf eine emotionalisierte Politik der Feindbilder: Die Einwanderer, der Islam und die sogenannten "Altparteien" dienen dazu als Sinnbilder einer angeblich volksfeindlichen Politik, gegen die in völkisch-nationalistischer Stoßrichtung zum Aufstand mobilisiert wird. Diese besorgniserregende Entwicklung auf dem rechten Feld geht einher mit einer drohenden "Normalisierung" muslimfeindlicher und rassistischer Artikulationsformen. Durch die zunehmende Präsenz derartiger Positionierungen im öffentlichen und medialen Diskurs verschieben sich die Grenzen des Sagbaren - Diskriminierung wird hierbei nicht nur von rechten politischen Aktivisten als "Ausdruck von Meinungsfreiheit" verkauft. Je mehr der Rassismus kulturell und religiös verklausuliert wird, desto anschlussfähiger scheint er zu werden.
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