Eine partizipative Führungskultur stärkt Non-Profit-Unternehmen
Führungskräfte von Sozialunternehmen wissen um das besondere Anforderungsprofil, das sich an ihre Führungsaufgabe stellt. So bedeutet Führung heute eine hochkomplexe Tätigkeit mit sehr vielfältigen Anforderungen. Wie kann werteorientiertes Führen gelingen, wenn von der Führungskraft manchmal "Übermenschliches" verlangt wird und diese sich selbst in ihrem Personsein kaum noch wahrnehmen kann?
Zeitgemäßes Führungsverständnis verlangt daher immer die Einbindung der Mitarbeitenden. Für eine ganzheitliche Sicht von Unternehmensführung sind diese als Experten unerlässlich. Partizipation bildet einen elementaren Baustein. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen - sobald ihnen Beteiligung und entsprechende Verantwortung ermöglicht werden - sich engagierter und motivierter für die beruflichen Aufgaben und damit für das gesamte Unternehmen einsetzen. Autoritär geführte Organisationen hingegen schöpfen das Ressourcenpotenzial ihrer Mitarbeitenden bei weitem nicht aus.
Partizipation - ein Beispiel aus der Praxis
Ein Sozialunternehmen will seine Attraktivität als Arbeitgeber nachhaltig steigern. Angesichts des spürbaren Fachkräftemangels erscheint diese Aufgabe als Notwendigkeit. Das Führungsgremium des Unternehmens hat sich mit dem Thema bereits beschäftigt. Bisher wurden aber noch keine strukturellen Lösungsansätze erarbeitet. Deshalb entscheidet man sich, die Mitarbeitenden aktiver einzubinden, um gemeinsam Ideen und Vorschläge für eine verbesserte Arbeitgeberattraktivität zu entwickeln. Als Reflexions- und Beratungsinstrument wird dafür der Round Table genutzt. Mit diesem Instrument sollen - im Sinn einer systemischen Ressourcenorientierung - nachhaltige Strategien entwickelt werden.
Round Table - Struktur und Arbeitsweise
Der Round Table zeichnet sich durch eine klar beschriebene Struktur aus. Als partizipatives Gremium in einer Organisation führt er Leitungskräfte und Mitarbeitende in paritätischer Besetzung zusammen. Ziel ist, zentrale Themen des Unternehmens gemeinsam zu reflektieren und zu beraten. Die Besetzung des Gremiums umfasst in der Regel sechs Führungskräfte und eine entsprechende Anzahl von Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung.1 Für die Mitarbeit im Round Table ist es wichtig, engagierte und am Unternehmen interessierte Frauen und Männer zu gewinnen. Der Auswahlprozess beziehungsweise die personelle Besetzung kann individuell nach den Bedarfen des Unternehmens gestaltet werden. Ziel muss es sein, Mitarbeitende zu akquirieren, die bisher noch nicht oder nur wenig in den unternehmensinternen Gremien mitgearbeitet haben, um auch deren Ansichten und Meinungen zu integrieren.
Die Mitglieder des Round Table treffen sich etwa viermal im Jahr (einmal im Quartal). Eine Sitzung dauert vier bis fünf Stunden. Empfehlenswert ist ein externer Tagungsort, um eine örtliche Distanz zu den Besprechungsthemen zu gewährleisten. Zusätzlich braucht es eine professionelle Moderation, um systemimmanente Rollenmuster und wechselseitige Zuschreibungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden konstruktiv zu bearbeiten. Die Moderation achtet darauf, dass jedes Mitglied seine individuelle Einschätzung zu den Themen frei und offen äußern kann. Dies gilt besonders dann, wenn Mitarbeitende in bestimmten Fragestellungen über keine umfassende Detailkenntnis beziehungsweise Sachkompetenz verfügen. Auch in einem solchen Kontext können individuelle Beiträge der einzelnen Mitglieder genauso wertvolle Betrachtungsweisen für die systemische Gesamtsicht des Unternehmens (zum Beispiel Kundenperspektive, Stimmung in der Mitarbeiterschaft etc.) liefern wie die Fachexpertise in bestimmten Sachfragen (zum Beispiel Finanzen, Personal etc.). Die Moderation des Round Table gibt den Mitgliedern ein fachliches Feedback zum Prozessgeschehen und zur Konferenzkultur.
Die Tagesordnungspunkte werden im Vorfeld einer Sitzung durch die Geschäftsführung strukturiert und inhaltlich aufbereitet. Damit der Reflexions- und Beratungsprozess im Round Table zu guten Ergebnissen führt, ist eine Transparenz hinsichtlich Zahlen, wirtschaftlichen Rahmendaten sowie strategischen Überlegungen seitens der Geschäftsführung zu gewährleisten. Sie erstellt diese Vorlagen mit entsprechenden Beratungs- beziehungsweise Reflexionsvarianten, die die Mitglieder im Round Table gemeinsam diskutieren und bewerten. Der Round Table bietet die Möglichkeit, in einem "geschützten" Rahmen auch alternative Entscheidungsszenarien durchzuspielen und damit verantwortlich das Für und Wider von einzelnen Positionen abzuwägen. Um eine Kontinuität im Gremium zu gewährleisten, ist eine Mitarbeit auf vier Jahre angelegt.
Das Unternehmen als lernende Organisation
Für das Engagement im Round Table bedarf es Persönlichkeiten, die mit den Strukturen und Entscheidungsprozessen innerhalb einer Organisation vertraut sind. Neben eigenen fachlichen Kompetenzen sind dafür ein Basiswissen in wirtschaftlichen Themen sowie eine Grundlagenkenntnis im Bereich der Kommunikation nötig. Darüber hinaus müssen die Mitglieder des Round Table fähig sein, verschiedene Ebenen im Unternehmen zu reflektieren (zum Beispiel Wahrnehmung der eigenen Person und Rolle, Kunden- und Unternehmensperspektive etc.). Bei Bedarf müssen die Mitglieder des Round Table zu Beginn ihrer Tätigkeit entsprechend sensibilisiert werden.
Der Round Table trägt dazu bei, dass sich ein Unternehmen zunehmend als lernende Organisation versteht. Mit diesem Gremium wird eine Form von Unternehmenskultur gestärkt, die Wachstum ermöglicht, indem hierarchieübergreifend Mitarbeitende an zentralen Lern- und Entwicklungsprozessen beteiligt werden. Entscheidend ist, dass sich ein solcher Lernprozess an den Werten des Unternehmens orientiert. Die lernende Organisation befähigt ihre Mitarbeitenden zu größerer Eigeninitiative und selbstverantwortlichem Handeln. In einem solchen Setting besteht die wesentliche Aufgabe von Führungskräften in der aktiven Vernetzung der Mitarbeitenden. So wird eine offene Lernkultur in der Mitarbeiterschaft gefördert, die zur Motivation aller Beteiligten und damit zur positiven Gesamtentwicklung des Unternehmens beiträgt.
Praxisbeispiel: Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität
Zurück zu unserem Beispiel: Die Mitglieder des Round Table diskutieren die Frage, wie ihr Unternehmen seine Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen kann. Dazu werden folgende Ideen und mögliche Maßnahmen zusammengetragen: 1. Angebot flexibler Arbeitszeiten für Mitarbeitende, die Kinder zu betreuen haben; 2. Angebot eines Betriebskindergartens beziehungsweise Einsatz von betriebsinternen Tagesmüttern; 3. Einführung von Home-Office-Angeboten für Mitarbeitende, die zum Beispiel nach der Elternzeit wieder in den Beruf zurückkehren wollen; 4. Angebot von flexiblen Arbeitszeiten für Mitarbeitende, die eigene Angehörige pflegen; 5. Individuelle Arbeitsplatzgestaltung für ältere Mitarbeitende in der letzten Phase des Erwerbslebens etc. Die Mitglieder des Round Table bewerten diese Vorschläge und geben entsprechende Empfehlungen an die Geschäftsführung für die Umsetzung. Diese Form der Mitarbeiterbeteiligung bewirkt, dass sich die Akzeptanz der eingeleiteten Maßnahmen in der Mitarbeiterschaft deutlich erhöhen wird.
Partizipation gehört dazu
Werteorientierte Unternehmensführung erfordert ein klares Bekenntnis zu aktiver Mitarbeiterbeteiligung und verankert diese strukturell in der Organisation. Der Round Table als Partizipationsinstrument fördert eine auf Zukunft ausgerichtete Unternehmenskultur. Beteiligungsstrukturen dieser Art bieten die Chance, unternehmensrelevante Themen gemeinsam mit den Mitarbeitenden visionär zu gestalten. Der Round Table ermöglicht Raum für experimentelles Lernen und somit für die kreative Entwicklung neuer Ansätze. Auf diese Weise können Unternehmen und Organisationen nachhaltig Wachstum generieren. Gerade in Zeiten des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und einer sich verändernden Einstellung zur beruflichen Arbeit haben Beteiligung und Mitbestimmung eine zukunftsrelevante Bedeutung. Derzeit hält eine neue Generation von Mitarbeitenden in Unternehmen Einzug, für die Partizipation zu ihrem Lebensverständnis gehört und eine wesentliche Grundlage für ihr berufliches Handeln bildet. Es liegt in der Hand von Sozialunternehmen, eine partizipative Führungskultur zu implementieren, um die Ressourcen der Mitarbeitenden optimal zu nutzen. Partizipation stärkt die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen!
Anmerkungen
"Mit dem Roundtable die Ressourcen von Mitarbeitenden optimal nutzen": Dies ist der Titel einer Masterarbeit, die die Verfasserin des Artikels im Studiengang Caritaswissenschaft und werteorientiertes Management an der Universität Passau eingereicht hat (2015). Die Arbeit wurde 2016 mit dem Gertrud-Luckner-Wissenschaftspreis des Deutschen Caritasverbandes ausgezeichnet.
1. Ziel ist eine repräsentative Abbildung der Aufgaben und Bereiche im Unternehmen. Die Mitarbeitervertretung ist Teil des Round Table
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