Neue Regeln – Grund zur Sorge?
DAS EU-REcht zur Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen wurde in Deutschland im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und in der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) umgesetzt. Für den Bereich der sozialen Dienstleistungen sind insbesondere § 130 GWB und §§ 64 ff. VgV zu beachten.
Diese neuen Paragrafen und damit auch das - häufig sogenannte - Sozialvergaberecht gelten ab sofort für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Oberschwellenbereich, das heißt oberhalb eines Schwellenwertes von 750.000 Euro. Bei Rahmenverträgen gilt der Auftragswert der gesamten Laufzeit.
Unterhalb dieses Schwellenwertes gelten weiterhin die Landesvergabegesetze beziehungsweise die (Bundes-)Haushaltsordnung. Zunächst wird sich für diesen Unterschwellenbereich in der Praxis also nichts ändern. Allerdings strebt das Bundeswirtschaftsministerium eine Anpassung des Unterschwellenbereichs an die EU-Regelungen an, so dass auch hier die freie Wahl der Verfahrensarten sowie die stärkere Berücksichtigung von Qualitätskriterien gelten sollen. Es ist daher möglich, dass öffentliche Stellen sich bereits jetzt an den EU-Vorgaben orientieren, soweit sie dem Landesvergaberecht nicht widersprechen.
Obwohl der Gesetzgeber in seiner Begründung darlegt, dass durch die EU-Regelungen zur Vergabe der Anwendungsbereich nicht ausgeweitet wird, erleben Caritasdienste und -einrichtungen, dass Kommunen Zulassungsverträge kündigen und ausschreiben, Vergabe- und Zuwendungsfinanzierungs-Regelungen vermischen und unter einem vermeintlichen Druck des Bundesfinanzhofs ihre Finanzierungsformen neu sortieren.
Dabei ist klar: Nur das, was ein öffentlicher Auftrag ist, unterliegt der Vergabe. Dafür sind zwei Kriterien ausschlaggebend: Es liegt eine definitive Entgeltzuweisung vor, und es wird eine Auswahlentscheidung getroffen.
Damit ist - zumindest nach überwiegender Meinung - bei Zuwendungen der Anwendungsbereich des Vergaberechts nicht eröffnet. Auch bei Zulassungen im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis nicht. So klar steht das in der Gesetzesbegründung leider nur für Leistungen im sozialhilferechtlichen Dreieck (Rechtsbeziehungen zwischen Sozialhilfeträger, Leistungserbringer und Hilfeempfänger im SGB XII). Eine Gefahr, dass hier eine etablierte, historisch begründete Finanzierungsform aufzuweichen droht, ist allerdings unbegründet.
Dennoch wird sich nun in einigen Bereichen sozialer Dienstleistungen die Frage stellen, inwieweit Caritaseinrichtungen und -dienste sich verstärkt mit dem Vergabeverfahren auseinandersetzen müssen, weil Kommunen Beschaffungsermessensspielräume bei freiwilligen Leistungen ausnutzen und Leistungen ausschreiben. Zu hören ist aus der Praxis unter anderem, dass ausgeschrieben wird, obwohl dies nicht rechtmäßig ist. Hier wäre es wichtig, das Gericht anzurufen, nicht nur bei mangelhafter Ausschreibung, sondern auch dann, wenn Zweifel an der Anwendbarkeit von Vergaberecht bestehen - auch wenn dies bedeutet, gegebenenfalls die Vergabekammer und obendrein das Verwaltungsgericht zu adressieren.
Derzeitige Baustellen der Rechtsprechung
Aktuell wird die Schnittstelle Sozialrecht - Vergaberecht auf folgenden Feldern beackert: Es steht eine Reform des SGB VIII bevor, bei der die Möglichkeit der Ausschreibung sozialräumlicher Angebote vermutlich thematisiert wird. In ihrem Papier zu "Hilfen zur Erziehung" hat die Caritas dazu bereits Position bezogen.1
Auch dass die Frage, ob Integrationshelfer-Leistungen ausgeschrieben werden dürfen, noch nicht geklärt ist, wird vielen Leser(inne)n bekannt sein. Interessant ist auch ein Verfahren, bei dem sich das Oberlandesgericht Düsseldorf zur Frage der Rechtmäßigkeit des "Open-House"-Modells von Krankenkassen positioniert hat;2 wegen der EU-rechtlichen Relevanz hat es dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Auswahlentscheidung ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eines öffentlichen Auftrags sei.
Ein weiteres beachtenswertes Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg ist noch in der Berufung: Dort wurde entschieden, dass sozialräumliche Angebote, die durch Zuwendungen finanziert werden, nicht die Leistungen der Hilfen zur Erziehung umgehen dürfen, die im leistungsrechtlichen Dreieck erbracht werden.3
Die DCV-Arbeitsstelle Sozialrecht wird in Zukunft regelmäßig über aktuelle Entwicklungen im Vergaberecht, die von Interesse für die Caritas sind, berichten. Interessierte können mir eine E-Mail schicken, um in den Verteiler aufgenommen zu werden.
Anmerkungen
1. Siehe www.caritas.de/stellungnahme-HzE, Kurzfassung der Stellungnahme in neue caritas Heft 9/2016.
2. Beschluss vom 13. August 2014 - Az.
VII-Verg 13/14.
3. VG Hamburg, Az. 13 K 1532/12; vgl. rechtbedacht in der neuen caritas Heft 8/2016, S.?16.
Im ausweglosen Kreislauf
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