Eingeschränkte Querfinanzierung in der Wohlfahrtspflege
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat im Januar 2016 Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) veröffentlicht, die für die Wohlfahrtspflege große Bedeutung haben:
In die Regelungen zu § 55 Abgabenordnung (AO) wurden Vorgaben zur Preiskalkulation gemeinnütziger Körperschaften aufgenommen. Diese kann man so interpretieren, dass die Leistungen steuerbegünstigter Zweckbetriebe (§§ 65, 66, 67 und 68 AO), die an andere gemeinnützige Körperschaften erbracht werden, nicht zwingend mit Gewinnaufschlag kalkuliert werden müssen. Werden hingegen Leistungen an gewerbliche Unternehmen oder wirtschaftliche Geschäftsbetriebe erbracht, soll ein marktüblicher Gewinnaufschlag erforderlich sein. Unterbleibt dieser, riskiert der Leistungserbringer seine Gemeinnützigkeit. Zwar ist die Formulierung im AEAO beschränkt auf Eigengesellschaften juristischer Personen des öffentlichen Rechts, es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Vorgaben zur angemessenen Vergütung auf andere steuerbegünstigte Zweckbetriebe ausgeweitet werden.
Neu in den AEAO aufgenommen wurden Vorgaben zur Entstehung und Verwendung von Gewinnen bei Zweckbetrieben der Wohlfahrtspflege (§ 66 AO). Betroffen davon sind insbesondere Rettungsdienste, ambulante Pflegedienste, Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser, Tafeln oder Obdachloseneinrichtungen. Mit Bezug auf das sogenannte Rettungsdiensturteil des Bundesfinanzhofs (BFH vom 27. November 2013 - I R 17/12) macht die Finanzverwaltung Vorgaben, in welchem Umfang noch Überschüsse erwirtschaftet werden dürfen. Ferner sollen Überschüsse nur noch für die Querfinanzierung von Zweckbetrieben nach § 66 AO verwendet werden können. Gewinne, die einen Inflationsausgleich oder die Finanzierung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen übersteigen, sind danach ebenso gemeinnützigkeitsschädlich wie das Verwenden von Überschüssen für sonstige ideelle Tätigkeiten oder Zweckbetriebe nach §§ 67, 68 AO. Da die Vorgaben weit über die vom BFH formulierten Rechtsgrundsätze hinausgehen, fordert die Wohlfahrtspflege deren Streichung.
Ein Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege ist nach § 66 AO dann gegeben, wenn mindestens zwei Drittel der Leistungen hilfebedürftigen Menschen zugutekommen. Nach dem Rettungsdiensturteil kommt es nicht mehr darauf an, mit wem die leistende Körperschaft einen Vertrag geschlossen hat. Entscheidend ist, dass die Leistungen zumindest faktisch unmittelbar gegenüber hilfebedürftigen Menschen erbracht werden. Ferner wird klargestellt, dass die Entsendung von Personal an einen Vertragspartner zur Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke dem Zweckbetrieb nach § 66 AO zuzuordnen ist, beispielsweise die Entsendung von Pflegepersonal. Die Zuordnung zur Zweckbetriebseigenschaft umfasst auch das Erledigen von Verwaltungsaufgaben soweit diese zur Organisation des eigentlichen Zweckbetriebs gehören. Erbringt das bereitgestellte Personal hingegen allgemeine Verwaltungsleistungen, sind diese nicht dem Zweckbetrieb nach § 66 AO zuzurechnen.
Im AEAO wurde zudem explizit geregelt, dass nicht nur Mensen von Studentenwerken ein Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege sein können, sondern auch vergleichbare Betriebe anderer steuerbegünstigter Körperschaften. Ferner wurde die Grundversorgung mit Speisen und Getränken in Schulen sowie in Kitas als Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege in den AEAO aufgenommen. Die Ergänzung hat klarstellenden Charakter, denn diese Tätigkeiten wurden bisher schon weitgehend als steuerbegünstigte Zweckbetriebe qualifiziert.
Die Änderungen des AEAO sind auf alle offenen Steuerveranlagungen anzuwenden, da die Finanzverwaltung bisher keine Übergangsfristen vorgesehen hat. Dies kann für Jahre, für die noch kein Bescheid ergangen ist oder die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, auch eine Rückwirkung bedeuten. Vor allem bei Zweckbetrieben der Wohlfahrtspflege (§ 66 AO) können dadurch erhebliche Steuerrisiken entstehen.
Die Kritik an den neuen Regelungen wurde in einer Stellungnahme der freien Wohlfahrtspflege dargelegt. Leider lehnt das BMF bisher eine Rücknahme der strittigen Regelungen ab. Deshalb wurden zwischenzeitlich auch die Bundestagsfraktionen um Unterstützung gebeten.
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