Chancen und Wege, zurück in die Arbeitswelt zu finden
Für Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen findet zu wenig adäquate Förderung statt, um Vermittlungsergebnisse und eine nachhaltige Verbesserung ihrer Situation zu erzielen. Zu dieser Erkenntnis gelangte auch das Jobcenter Osnabrück im Zuge der Umsetzung des SGB II. Die persönlichen Ansprechpartner(innen) im Fallmanagement des Jobcenters vermittelten zwar erfolgreicher in Arbeit als die bisherigen Vermittler(innen) mit ihren hohen Fallzahlen, aber sie hatten immer noch zu viele Klient(inn)en, um sich intensiv um deren Probleme zu kümmern. Außerdem erkannte man auch eine Suchtproblematik als wichtiges Thema vieler Arbeitsuchender. Angelika Otte vom Jobcenter sagte dazu bei einem Workshop auf der Tagung der Caritas Suchthilfe in Potsdam im Oktober 2015: "Ein hoher Anteil unserer Kunden hat ein Suchtproblem." Man habe es sich deshalb zum Ziel gesetzt, "Stabilität durch strukturierende Maßnahmen für diesen Personenkreis zu schaffen", so Otte.
Qualität steht im Vordergrund
Über ein Los des Regionalen Einkaufszentrums Niedersachsen schrieb das Jobcenter aus, welche Inhalte benötigt wurden: Die Maßnahme sollte tagesstrukturierend sein, auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereiten, zielgruppenspezifische Angebote umfassen und eine intensive Bearbeitung der Vermittlungshemmnisse ermöglichen. Der Caritasverband Osnabrück erarbeitete daraufhin ein Konzept, bei dem nicht allein die Preiskalkulation, sondern die Qualität im Vordergrund stand, und bekam den Zuschlag zunächst für ein Jahr. Inzwischen läuft die Maßnahme im fünften Jahr nach der dritten Ausschreibung, diesmal voraussichtlich bis 2019.
Voraussetzung für die Bewerbung waren die Trägerzertifizierung und die Maßnahmezulassung nach AZAV (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung). Die Teilnahme am Vergabeverfahren bedeutete einen hohen Aufwand und war mit einem gewissen Risiko verbunden, hat sich aber gelohnt. Das AZAV-Zulassungsverfahren für Träger und Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung soll die Qualität der Dienstleistungen nachhaltig verbessern sowie Vergleichbarkeit und Transparenz unter den Dienstleistern herstellen.
Teilnehmende mit zahlreichen Vermittlungshemmnissen
Das so zustande gekommene Projekt "Chancen und Wege" (CuW) ist eine Maßnahme zur Aktivierung und Stabilisierung von erwerbsfähigen Erwachsenen nach § 16 Abs. 1 SGB II in Verbindung mit § 45 Abs.1 Satz 1 SGB III. Die Teilnehmenden im Alter von über 25 Jahren weisen zahlreiche Vermittlungshemmnisse auf. Ziele der Maßnahme sind die Feststellung, Verringerung oder Beseitigung der Vermittlungshemmnisse und die Heranführung der Teilnehmenden an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Im besten Fall gelingt nach der Stabilisierung und Aktivierung die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, die weiterbegleitet und nachbetreut werden kann.
"Chancen und Wege" verfügt inzwischen über 44 Teilnehmerplätze. Die Teilnehmenden werden in drei Gruppen aufgeteilt und erhalten zu Beginn der Maßnahme einen Wochenplan. Jede Gruppe erscheint an drei Tagen für mindestens 15 Stunden pro Woche. An zwei Tagen finden Lernmodule zum Training sozialer Kompetenzen, Gesundheitsförderung, Unterricht und Bewerbungscoaching statt. Außerdem begeben sich die Teilnehmenden unter anderem selbstständig auf Stellenrecherche oder aktualisieren ihre Bewerbungsunterlagen. Einmal pro Woche bereiten sie gemeinsam ein gesundes Frühstück zu. An den Praxistagen werden jeweils zwei der vier Gewerke (Holz, Metall, Lagerlogistik und Handel) parallel angeboten. Die Teilnehmenden werden dazu angeregt, gemeinsam als Gruppe Projekte zu planen und umzusetzen. So haben sie einen "Tag der offenen Tür" mit Werbung, Aktionen und dem Offerieren selbst gefertigter Produkte veranstaltet. Die Qualifizierungsmodule im EDV-Bereich festigen bestehendes Wissen und vertiefen es, ein Zertifikat wird ausgestellt. Weitere Arbeitserprobungen erfolgen bei begleiteten Praktika in externen Betrieben.
Bei Bedarf können die Teilnehmenden individuell Angebote der Fachambulanz für Suchtprävention und Rehabilitation des CV Osnabrück wahrnehmen. Die Vermittlung und Begleitung erfolgt über die Maßnahmenbetreuung. Viele Klient(inn)en nehmen über die Dauer der Maßnahme hinaus an diesen Angeboten teil, doch gerade die enge Anbindung an "Chancen und Wege" macht sie so erfolgreich.
Gruppe bietet Unterstützung
Neben Einzelgesprächen bietet sich die Teilnahme an der Motivationsgruppe und am SKOLL-Training, einem suchtmittelübergreifenden, auf Eigenverantwortung setzenden Selbstkontrolltraining für verantwortungsbewussten Umgang bei riskantem Konsumverhalten, an. Im Mittelpunkt der Arbeit steht weniger die Abstinenz als die Auseinandersetzung mit der eigenen Situation. Ziel des Trainings ist es, den Konsum zu stabilisieren, zu reduzieren oder ganz einzustellen. Der Umgang mit Suchtdruck und sozialem Druck wird geübt, Stressbewältigung gelernt und ein Krisenplan erarbeitet. So werden Veränderungsprozesse bei riskant konsumierenden Menschen eingeleitet und die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt.
Diese vielfältigen Ansätze und Angebote werden gut genutzt, und die Teilnehmenden fühlen sich in der Regel wohl in der Maßnahme. Dies wird durch regelmäßigen Austausch mit den "Maßnahmepatinnen" des Jobcenters sowie in Abfragen zur Kundenzufriedenheit deutlich.
Der erste zweijährige Durchlauf zeigte, dass die Begleitung gut gelingt. Den Teilnehmenden sollten aber auch konkrete handwerkliche und technische Fertigkeiten vermittelt werden, um sie für den Arbeitsmarkt oder weitergehende Qualifizierungen noch besser vorzubereiten. Zudem sollten praktische Erfolgserlebnisse vermittelt werden, die durch höhere Zufriedenheit der Teilnehmenden eine längerfristige Stabilisierung bewirken. Daher entschloss man sich, "Chancen und Wege" ab Juli 2014 in Bietergemeinschaft mit der Dekra Akademie GmbH an einem gemeinsamen Standort durchzuführen. Sowohl die Erfahrung der Jobcoaches als auch die Netzwerke innerhalb der Dekra Akademie bieten den Teilnehmenden von CuW mehr Optionen für ihre beruflichen Perspektiven. Auch die Angebote der Arbeitserprobungen am Praxistag haben sich deutlich positiv weiterentwickelt.
Die sozialpädagogische Begleitung ist weiterhin das Herzstück der Maßnahme. Es finden regelmäßig Einzelgespräche statt, um die individuellen Vermittlungshemmnisse zu thematisieren und sie durch Zielvereinbarungen und Unterstützung zu verändern. In einem Aktivierungs- und Fortschrittsplan werden der Gesprächsverlauf und die Zielsetzungen für den Teilnehmer dokumentiert. Die Förderung der sozialintegrativen Aktivitäten nimmt einen hohen Stellenwert ein. Personelle Kompetenzen wie die Selbsteinschätzung und die Beurteilung der eigenen Leistungsfähigkeit wie auch die Heranführung an lebenspraktische Fertigkeiten wie Hygiene und äußeres Erscheinungsbild sind wichtige Voraussetzungen bei der Arbeitsplatzsuche. Die Teilnehmenden lernen, dem Tag wieder eine Struktur zu geben, sich für eine Sache oder ein Projekt zu begeistern. Soziale Kompetenzen wie im Team zielorientiert zusammenzuarbeiten, Konflikte konstruktiv zu lösen und die Meinung des anderen zu respektieren können entwickelt und vertieft werden. Teilnehmende bringen ihre je eigenen und unterschiedlichen Erfahrungen und beruflichen Kenntnisse für ihr Team ein. Eine besondere Aktivierung und Förderung der Selbstwirksamkeitserwartung wird über die "Kompetenzbilanz", ein ressourcenaktivierendes Coachingverfahren, erzielt.
Häufig vorhandene Hemmnisse wie langjährige Arbeitslosigkeit, fehlende Mobilität und Schlüsselqualifikationen sind bei fast allen Teilnehmenden festzustellen. Schädlicher Suchtmittelmissbrauch, Abhängigkeitserkrankungen, psychische Erkrankungen und andere gesundheitliche Probleme sind bei den Teilnehmenden wichtige Ansatzpunkte für die sozialpädagogische Arbeit. Das Fehlen eines Schul- und/oder Berufsabschlusses, mangelnde Kenntnis von Arbeitstugenden sowie Schulden sind bei über 50 Prozent der Teilnehmenden gravierende Vermittlungshemmnisse. Auch drohende Wohnungslosigkeit oder bevorstehende Haft sind akute Problembereiche.
Abbau von Hemmnissen erhöht Jobchancen deutlich
Im Durchschnitt wurden entsprechend der verwendeten Systematik 8,9 Vermittlungshemmnisse bei den Teilnehmenden festgestellt. Die zügig in den ersten Arbeitsmarkt vermittelten Personen wiesen demgegenüber durchschnittlich nur 7,5 Hemmnisse auf. Aufgrund der Fallzahlen kann nicht von einer statistischen Signifikanz ausgegangen werden. Allerdings kann dies als Hinweis interpretiert werden, dass der Abbau von Hemmnissen die Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt deutlich erhöht. Eine erfolgreiche Vermittlung wurde durch die regelmäßige Ansprache von Arbeitgebern durch die Jobcoaches initiiert. Dabei werden die Vermittlungsprozesse selbst häufig durch vorausgehende Arbeitserprobungen eingeleitet. Mit den Teilnehmern, die in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden, kann eine Nachbetreuungsvereinbarung geschlossen werden. Sie umfasst regelmäßige Gespräche über die Entwicklung am Arbeitsplatz sowie die persönliche Situation.
Die enge Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Osnabrück, insbesondere den Maßnahmepatinnen im Fallmanagement, mit den Arbeitsvermittlern und den Mitarbeitenden im Arbeitgeberservice hat sich sehr bewährt. Die vielfältigen Kooperationen tragen zu dem guten Ergebnis zugunsten der Förderung der Teilnehmenden in der Maßnahme "Chancen und Wege" stark bei.
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