Griffbereites Hilfspaket für alle Beschäftigten
Um zukünftig den Anforderungen einer globalisierten Arbeitswelt standzuhalten, benötigen Unternehmen gut ausgebildete Mitarbeiter(innen), die der Arbeit lange uneingeschränkt nachgehen können - möglichst bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter. Zu den Möglichkeiten, dafür nachhaltig gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, liegen umfassende wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die in den Unternehmen bereits Anwendung finden. Doch sind Unternehmen auch Grenzen gesetzt, denn einige Einflussfaktoren sind nur bedingt von ihnen gestaltbar. Mit deren Wirkungen lässt sich aber umgehen. So haben Lebensereignisse wie der Tod eines Angehörigen und Lebensphasen, die beispielsweise von der Pflege Angehöriger geprägt sind, teils gravierende Auswirkungen auf die Beschäftigungsfähigkeit. Präventive Ansätze zur Verminderung ungünstiger Auswirkungen dieser Ereignisse sind aber in Unternehmen noch wenig verankert. Oftmals greifen Aktivitäten erst spät, wenn der Leidensdruck Betroffener bereits sehr hoch ist. Dabei lassen sich diese Beschäftigten schon rasch nach der eingetretenen Lebenszäsur wirksam begleiten, beispielsweise durch Information und leicht zugängliche Angebote.
Die Rewe Group, einer der führenden Handels- und Touristikkonzerne mit europaweit 330.000 Beschäftigten und 15.000 Filialen, hat sich daher in Kooperation mit dem Institut für gesundheitliche Prävention (IFGP1, Münster) die Aufgabe gestellt, mit dem Projekt LoS! ein Konzept zur Unterstützung Beschäftigter in belastenden Lebenssituationen zu entwickeln. Das Projekt begann Anfang 2011 mit einer Laufzeit von zwei Jahren unter Förderung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)2. Im Anschluss wurde das Konzept unternehmensweit eingeführt.3
Betriebliche Vorbereitung auf kritische Lebensereignisse
In einigen Unternehmen vorhandene Angebote wie eine Sozialberatung haben oftmals hohe Hürden, so dass Beschäftigte sie erst nutzen, wenn die Beschäftigungsfähigkeit schon stark eingeschränkt ist. Zudem mangelt es vielfach daran, die vorhandenen Unterstützungsangebote gut handhabbar für Beschäftigte wie Führungskräfte zusammenzuführen. Hinzu kommt, dass gerade kleinere Unternehmen kaum die Möglichkeit haben, viele verschiedene Hilfen für belastende persönliche Lebensereignisse selbst vorzuhalten.
Da es unmöglich ist, kritische Lebensereignisse zu verhindern, ist es für Unternehmen von zentraler Bedeutung, die "im Ernstfall" auftretenden Veränderungen zu kennen, aufzufangen und zu begleiten. Verschiedene Ansätze können dabei eine wichtige Grundlage bilden, darunter:
- Aufbau eines sozialen Netzwerkes im Unternehmen;
- Anpassung betrieblicher Rahmenbedingungen an die Situation der Betroffenen (flexible Arbeitszeit, unbezahlter Urlaub, Pflegeauszeit, Beratung etc.);
- individuell lebensphasenorientierte Betreuungs- und Weiterbildungsangebote;
- Vermittlung von Unterstützungsangeboten zur Stärkung der Selbsthilfe;
- lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung.
Unternehmen können jedoch nicht unbedingt erwarten, dass Beschäftigte bei sensiblen Ereignissen Angebote offen nachfragen. Auch bestehen nicht immer die organisatorischen Möglichkeiten (zum Beispiel in Unternehmen mit dezentraler Struktur), Beschäftigte konkret mit spezifischen Angeboten zu unterstützen.
Aus diesen Gründen zielte das LoS!-Projekt von Anfang an auf die Entwicklung eines praxistauglichen Angebots, das die Kompetenz von Unternehmen und Beschäftigten zum Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen hilft. Dabei steht die Motivation und Befähigung der Beschäftigten, selbst Verantwortung zu übernehmen, im Fokus.
Zu Beginn des Projekts LoS! wurden die relevanten Themenfelder im Unternehmen durch Befragungen und die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse identifiziert: Pflege Angehöriger, finanzielle Probleme, eigene Erkrankung, Trennung/Scheidung sowie Sterbefall/Trauer.
Gleichzeitig wurden Personalverantwortliche und Betriebsräte als Multiplikator(inn)en im Unternehmen sensibilisiert und für eine erste Lotsenfunktion qualifiziert. Mittlerweile sind rund 120 LoS!-Multiplikator(inn)en als "kollegiale Erstberater" in der Rewe Group aktiv. Für die persönliche Beratung von Beschäftigten in kritischen Lebensphasen gibt es einen Leitfaden und Handlungshilfen zu den genannten Themen, knapp formuliert und gut verständlich. Hinweise auf die professionellen Hilfsangebote sozialer Dienstleister sind Teil der vermittelten Informationen.
Die Erfahrungen der LoS!-Multiplikator(inn)en zeigen, dass ratsuchende Kolleg(inn)en sich vertrauensvoll an sie wenden und positive Rückmeldungen geben. Mitarbeitende kleinerer Rewe-Standorte nehmen meist telefonisch Kontakt zu den Multiplikatoren auf. Deren Kontaktdaten hängen unter anderem im Aufenthaltsraum des Marktes aus. Aber auch direkte Gespräche ergeben sich häufig, da die Multiplikatoren zum Beispiel aufgrund ihrer Tätigkeit als Betriebsrat oder Fachkraft für Arbeitssicherheit in den Märkten vor Ort sind und von Betroffenen um ein vertrauliches Gespräch gebeten werden.
Peer-to-Peer-Ansatz wirkt
In der Rewe Group besteht großes Interesse, die bereits geschaffenen Strukturen zu einem bundesweiten, Geschäftseinheiten übergreifenden Netzwerk zu erweitern. So werden jedes Jahr weitere LoS!-Multiplikator(inn)en ausgebildet. Für die bereits aktiven Multiplikatoren finden regelmäßige Austauschtreffen statt. Die bereits bestehenden Handlungshilfen sollen um weitere wichtige Themen ergänzt werden. Nach und nach werden zudem in einem eigens eingerichteten "Teamroom" neben den Handlungshilfen sämtliche Dokumente rund um das Thema lebensphasenorientierte Selbsthilfekompetenz gesammelt. Darauf können alle Multiplikatoren und betroffene Mitarbeitende zugreifen und von den Erfahrungen anderer profitieren.
Zusammenarbeit mit der Caritas
Bislang wurden vor allem in Köln und München die Beratungsstellen der Caritas für die Themen Schulden und Sucht weiterempfohlen. Die Rückmeldungen der Betroffenen, die dort Unterstützung suchten, an "ihre" LoS!-Multiplikator(inn)en waren durchweg positiv. Insbesondere
die Kolleg(inn)en, die mit einer Suchterkrankung Hilfe suchten, fühlten sich gut betreut.
Ein weiteres Angebot der Caritas, das im Rahmen der Gespräche vermittelt wird, ist die Online-Beratung: aus unserer Sicht ein sehr gutes Angebot, da es wohl manchen Betroffenen leichter fällt, per E-Mail Kontakt aufzunehmen, als zu telefonieren oder eine Beratungsstelle aufzusuchen.4
Anmerkungen
1. www.ifgp.de
2. www.inqa.de/DE/Mitmachen-Die-Initiative/Foerderprojekte/Projektdatenbank/lebensphasen-orientierte-selbsthilfekompetenz.html
3. Anm. d. Red.: Dafür erhielt die Rewe Group am 16.?November 2015 den bundesweit ausgelobten Demografie Exzellenz Award in der Kategorie Großunternehmen. Video zum Projekt: www.youtube.de, Suchwort: "Demografie Exzellenz 2015".
4. Hier liegen noch keine Rückmeldungen von Nutzer(inne)n der Beratung vor.
Arbeiten ohne Ende
Selbstbestimmt mobil auf dem Land
Altes Kloster – neue Hilfe
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Alle ziehen an einem Strang
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