Wohnraum für alle: Caritas mischt sich vor Ort ein
Wirtschaftliche Entwicklungen und demografischer Wandel sorgen für erhebliche regionale Unterschiede auf dem baden-württembergischen Wohnungsmarkt. Dennoch lassen sich einige signifikante Tendenzen ausmachen.
Die Nachfrage nach Wohnraum im Umland der großen Städte steigt stetig, da hier seit rund zehn Jahren die stärkste Zuwanderung und damit auch die größten Bevölkerungszuwächse zu beobachten sind. Zwar wird der demografische Wandel langfristig einen Rückgang der Einwohnerzahl in Baden-Württemberg mit sich bringen. Die Nachfrage nach Wohnraum wird jedoch keinesfalls entsprechend sinken. Im Gegenteil: Für einzelne Städte wie Stuttgart und Heilbronn wird nach wie vor eine wachsende Nachfrage prognostiziert. Sie ist der steigenden Zahl von Einpersonenhaushalten geschuldet. Die erhoffte entlastende Wirkung des demografischen Wandels wird ausbleiben.
Die weiteren Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind vielfältig. Neben einem erheblichen Bedarf an Neubau- und Ersatzwohnungen sorgt der Trend zu größeren Wohnungen für eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Wohnfläche. Diese kann durch den Bau neuer Wohnungen derzeit nicht befriedigt werden. Diese faktische Verknappung von Wohnraum führt zu Mietpreissteigerungen. Beim Mietpreisniveau und der Dynamik am Mietmarkt besteht zwischen den einzelnen Land- und Stadtkreisen ein erhebliches Gefälle. Was jeweils unter bezahlbarem Wohnraum zu verstehen ist, bleibt eine Frage der Relation. Angesichts der skizzierten Tendenzen lässt sich trotz notwendiger Differenzierung eines sicher konstatieren: Der Handlungsbedarf in Sachen Wohnraumversorgung - insbesondere für Familien in Armut - ist auch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart enorm.
Bezahlbarer Wohnraum ist eine Frage der Relation
Der Diözesan-Caritasverband (DiCV) Rottenburg-Stuttgart will dem in der strategischen Ausrichtung seiner Arbeit Rechnung tragen. Dabei hat er insbesondere zwei Zielgruppen im Blick: Familien mit Kindern in Armut und ältere Menschen. Unter Bezug auf die verabschiedete Zukunftsperspektive "Inklusion fördern - Ausgrenzung vermeiden", die richtungsgebend für alle Arbeitsbereiche des Verbandes ist, und die strategischen Ziele 2013-2014 ergeben sich für die verbandliche Arbeit des DiCV mehrere Handlungsoptionen.
Es geht es darum, inklusive Quartiere, also für alle Bürger(innen) mit Blick auf Wohnen zu gestalten. Das schließt auch Aktivitäten im Bereich des Bund-Länder-Programms Soziale Stadt und Mehrgenerationenhäuser ein. Durch inklusive und mehrgenerationenbezogene Netzwerkarbeit will der Caritasverband zum Aufbau einer sozialen Infrastruktur für alle Menschen beitragen. Zum anderen können Kommunen, private Investoren und kirchliche Akteure dazu beitragen, der Exklusion von Menschen in prekären Lebenslagen vom Wohnungsmarkt und vom Sozialraum entgegenzuwirken. Die Wohnungspolitik sollte nachhaltige soziale Entwicklungen im Stadtteil beeinflussen. Kommunale Wohnraumversorgungskonzepte und Planungsprozesse sind wichtige Instrumente, um eine integrierte Stadtentwicklung unter Beteiligung aller Verwaltungsbereiche und der Bürger(innen) zu ermöglichen.
Caritas könnte günstigen Wohnraum erschließen
Die Wohnraumversorgung und Wohnungspolitik können nicht losgelöst von der Stadtentwicklung und Sozialraumorientierung betrachtet werden. Im DCV-Projekt "Sozialraumorientierung in der Praxis" wird exemplarisch erprobt, wie inklusive Stadtteile entwickelt werden können und inwiefern die Caritas den Sozialraums wirksam mitgestalten kann.
Ein Ziel der Sozialraumorientierung könnte sein: Der Caritasverband arbeitet auf regionaler Ebene aktiv bei kommunalen Planungsprozessen und städtebaulichen Entwicklungen mit. Die Caritas verfügt dazu über eine Expertise zu Fragen der regionalen Wohnungspolitik und Stadtentwicklung und bringt sich in den Gremien ein. Eine weitere Aufgabe der Caritas vor Ort könnte darin bestehen, zusammen mit der Kommune Angebote von mietgünstigem Wohnraum für Menschen in prekären Lebenslagen zu eruieren und zu organisieren. Darüber hinaus könnte die Caritas vor Ort gemeinsam mit anderen kirchlichen Akteuren kostengünstigen Wohnraum selbst bauen oder vermieten. Gegebenenfalls könnten diese Aktivitäten zur Absicherung der Mietkosten mit einem (psychosozialen) Begleitkonzept verknüpft werden, um etwaigen finanziellen Notlagen präventiv zu begegnen.
Am Beispiel der Caritasregion Biberach-Saulgau und der Stadt Biberach lässt sich ein entsprechendes Vorgehen exemplarisch aufzeigen: Die Caritas und die örtliche Liga der Freien Wohlfahrt haben einen Arbeitskreis "Wohnraumversorgung in Biberach" initiiert, bei dem auch die Bürgermeister und zwei Vertreter der Liga beteiligt waren. Ziel sollte sein, bezahlbaren Wohnraum für verschiedene Zielgruppen in unterschiedlicher Bauträgerschaft zu schaffen.
Die Arbeit des Arbeitskreises war eingebettet in den Kontext der ebenfalls maßgeblich auf Caritas-Initiative zurückgehenden kommunalen Arbeitsgruppe "Sozialplanung". Hier wurde der Bedarf ermittelt, um eine solide Datenbasis für den tatsächlich benötigten Wohnraum in Biberach zu haben.
Die Miete wird bei Ausfall des Mieters übernommen
Mit den ihren "zielgruppenspezifischen Begleitkonzepten einschließlich der Mietkostenübernahme bei Ausfall des Mieters" hat sich die Caritas in Biberach ein spezifisches Profil erarbeitet und wird als kompetenter Partner von der Kommune wahrgenommen.
Der Prozess in Biberach offenbart, dass die Themen Wohnraumversorgung und Stadtentwicklung politisch verortet werden müssen: aufseiten der Caritas direkt auf Ebene der Regionalleitung, aufseiten der Kommune müssen Bürgermeister und Verwaltung in einem Gremium zusammenwirken. Ein vernetztes Denken im Sinne einer integrierten Sozialplanung und Stadtentwicklung ist unabdingbar. Die Verortung auf Regionalleiterebene der Caritas bedeutet nicht, dass später nicht andere Kolleg(inn)en die Arbeit fortführen können.
Um ihre strategischen Ziele im Bereich Wohnen umsetzen zu können, benötigt die Caritas vor Ort ein Portfolio mit unterschiedlichen Angeboten wie etwa Wohnberatung und sozialräumlichen Projekten, um als Partner gegenüber der Kommune oder den Wohnbaugesellschaften aufzutreten. Der sozialräumliche Ansatz eignet sich, vernetzte Angebote der Caritas beziehungsweise der Kirchengemeinden im Hilfesystem anzubieten.
In Biberach wurden 14 Wohnungen ausgewiesen
Als ein Ergebnis des gemeinsamen Wirkens in Biberach können 14 Wohnungen zu günstigen Mietkonditionen in einem neuen Stadtteil ausgewiesen werden. Eine entsprechende Beschlussfassung des Stadtrates und die Planung weiterer Wohnungen für den vonseiten der Liga benannten Personenkreis liegen vor. Der Stadtrat von Biberach wird sich im April gesondert mit der Wohnraumversorgung in der Stadt befassen. Auch in den anderen Städten der Caritasregion Biberach-Saulgau steht dieses Thema auf der Agenda.
Entsprechend ihrem Selbstverständnis versteht sich die Caritas vor Ort vor allem als Initiator und Anstifter von Prozessen. Um im Feld "Wohnen" jedoch dauerhaft glaubwürdig zu bleiben, muss sie auch als Akteur in der Wohnungspolitik und insbesondere auf dem Wohnungsmarkt auftreten. Im Zusammenspiel mit anderen kirchlichen Akteuren bestehen durchaus gute Chancen, tatsächlich konkret bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können.
Wenn die Revolutionäre zu Rentnern werden
Damit Familienernährerinnen besser dastehen
Islamische Wohlfahrtsverbände offen begleiten
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}