Weniger Schreibarbeit, mehr Pflege
"Wann soll ich das alles noch schreiben?" "Vor lauter Schreibarbeit kommt der Bewohner zu kurz." "Bei den vielen Papieren blickt man gar nicht mehr durch." "Wir schreiben nur noch für den MDK und die Heimaufsicht." Solche Rückmeldungen kamen in den letzten Jahren immer öfter von den Mitarbeiter(inne)n in der Pflege.
Wie kam es zu diesen Klagen? Mit der Einführung der Pflegeversicherung war in den Caritas-Seniorenheimen ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9001 eingeführt worden - und in diesem Zusammenhang auch ein eigens entwickeltes Pflegedokumentationskonzept. Die Expertenstandards DNQP führten ab 2002 dazu, dass weitere Formblätter und Assessments (Bewertungen) gebraucht wurden. Jeder eingeführte Expertenstandard sorgte für eine Zunahme der Pflegedokumentation und somit zu einem Verlust der Übersichtlichkeit.
Neues Konzept entwickelt
Im Herbst 2011 beschloss die Abteilungsleitung der ambulanten/stationären Pflegeeinrichtungen im DiCV Eichstätt, mit den Caritas-Seniorenheimen ein Projekt zu starten, um den bürokratischen Aufwand zu verringern. Aus 19 Einrichtungen beteiligten sich sieben Pflegedienstleitungen und der Qualitätsbeauftragte des Verbandes an einem Arbeitskreis. Dieser erarbeitete ein vollkommen neues Pflegedokumentationskonzept. Eine erste Bestandsaufnahme ergab, dass insgesamt 49 Formblätter zur Pflegedokumentation im Einsatz waren. Ferner wurde untersucht, an welchen Stellen es Doppeldokumentationen gab. Aus diesen Analysen wurde schnell deutlich, dass die sechs Schritte des Pflegeprozesses (Informationssammlung, Pflegeprobleme, Pflegeziele, Pflegemaßnahmen, Durchführung, Evaluation) zusammengefasst werden mussten. Die neue Konzeption fasste auch die "Aktivitäten und existenziellen Erfahrungen des Lebens" (AEDLs) zu Themenblöcken zusammen. Um Doppeldokumentationen zu vermeiden, wurden Anamnese, Biografie, Screenings (Risikoerfassung) und Assessments (Risikobewertung) in ein Pflegeplanungsblatt integriert. Die individuellen Wünsche und Gewohnheiten konnten als biografische Daten den einzelnen Pflegeplanungsblättern zugeordnet werden. Dieser erste Konzeptionsansatz ergab, dass die gesamte Pflegeplanung mit den vier übergeordneten Themen Betreuung, Bewegen, Pflegen, Ernährung/Ausscheidung auf sechs Formblättern angelegt werden konnte. Diese enthalten Anamnese, Biografie, Risikoerfassung, Risikobewertungen, Zielsetzungen und Maßnahmenplanung.
Folgende pflegefachlichen Einschätzungen wurden den vier übergeordneten Themen der Pflegeplanung zugeordnet:
- Alltagskompetenz (Demenz),
- Dekubitusrisiko,
- Kontrakturrisiko (Gelenkversteifungsrisiko),
- Sturzrisiko,
- Selbstgefährdung (FeM),
- Hautschadenrisiko,
- Ernährungsrisiko,
- Förderung der Harnkontinenz,
- Schmerzmanagement.
"Spicken" erleichtert die Dokumentation
Die einzelnen Themen der Pflegeplanungsblätter wurden farblich gestaltet, um eine schnelle visuelle Zuordnung zu gewährleisten. Aufbau und Struktur der Formblätter lenken den Pflegeprozess. Felder zum Ankreuzen erleichtern eine schnelle und übersichtliche Bearbeitung. Bei den Risikobeschreibungen und den pflegefachlichen Bewertungen ist aber eine offene und individuelle Beschreibung möglich. Für diese Bewertungen erstellte die Arbeitsgruppe Vorlagen für die einzelnen Risikobereiche, sogenannte "Spicker". Dies sind modellhafte Formulierungen, die die Dokumentation erleichtern. Mittels dieser "Spicker" können die Mitarbeiter(innen) anhand der Kriterien aus den Expertenstandards DNQP die Risiken des Bewohners beschreiben sowie bewerten.
Verwandte Themen wurden für die farbig zugeordneten Nachweisdokumentationen auf je einem Formblatt zusammengefasst. Insgesamt sind es fünf:
- Formblatt Mobilität mit Lagerung, Bewegung, Transfer, Fingertest, freiheitsentziehende Maßnahmen;
- Formblatt mit den Themen Ernährung, Einfuhr, Ausscheidung, Bilanzierung;
- Formblatt Vitalzeichen mit Blutzucker, Puls, Blutdruck, Temperatur, Gewicht, Body-Mass-Index (BMI), Schmerzintensitätsmessung;
- Formblatt allgemeine Nachweisdokumentation der Pflegeleistungen erfolgt gebündelt, das heißt mehrere Tätigkeiten werden mit einem Handzeichen quittiert;
- Formblatt zur sozialen Betreuung.
Als im Sommer 2012 ein erster Lösungsvorschlag vorlag, stellte der Arbeitskreis diesen dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) vor. Dieser unterstützte den Ansatz und machte uns Mut, die neue Pflegedokumentation weiterzuentwickeln. Während der einjährigen Entwicklungsphase informierte der Arbeitskreis regelmäßig in den Pflegedienstleiterkonferenzen über den Stand der Dinge, so dass alle Einrichtungen an der Entwicklung und den Ergebnissen teilhaben konnten. Ende 2012 wurden die Ergebnisse in der Konferenz der Einrichtungs- und Pflegedienstleitungen freigegeben. Die Einführung der neuen Pflegedokumentation erfolgte mit einem für dieses Projekt entwickelten Schulungsprogramm. Dazu wurden in regionalen Qualifikationskursen Mentoren als Multiplikatoren geschult. Die Schulung der Mitarbeiter(innen) durch die Mentoren erfolgte in der Praxis in einem vier- bis sechswöchigen Schulungs- und Beratungsprogramm und endete mit der Durchführung einer Pflegevisite und einer persönlichen Auswertung.
In den Einrichtungen wurde der Einführungsprozess von den Pflegedienstleitungen unterstützt und begleitet und durch gezielte Audits evaluiert. Mit den Erfahrungen aus der Praxis, aus den Audits und auf Grundlage von Rückmeldungen und Verbesserungsvorschlägen hat der Arbeitskreis die Pflegeplanung nochmals überarbeitet. Folgende Initiativen führten am Ende des Projektes zu einer wesentlichen Reduzierung und Verbesserung der Pflegedokumentation:
- Zusammenfassung der Anamnesen, Biografie, Risikoerkennung und -bewertung, dadurch Vermeidung von Doppeldokumentationen;
- klare Prozesssteuerung zwischen den einzelnen Schritten und Formblättern, durch Ankreuzen und Hilfestellungen bei der Formulierung durch Vorlagen (Spicker);
- die Assessments mit den pflegefachlichen Bewertungen werden frei formuliert;
- keine starren Kontrollen und Überwachungen (Kontrollen erfolgen dann, wenn die pflegefachliche Bewertung dies für notwendig und sinnvoll erachtet, nicht mehr im Gießkannenprinzip);
- Zusammenfassung von Leistungsnachweisen mit Abzeichnen durch den/die Mitarbeiter(in).
Pflegeplanung jetzt deutlich schneller
Ende 2013 wurden in einer Umfrage 158 Pflegefachkräfte aus 13 Caritas-Seniorenheimen über Erfahrungen mit der neuen Pflegedokumentation befragt. Ergebnis:
- 75 Prozent der Befragten gaben an, dass das Erstellen einer Pflegeplanung 30 bis 50 Prozent schneller gehe.
- Für 83 Prozent der Befragten hat sich die Fachlichkeit bei den Mitarbeiter(inne)n durch die neue Pflegeplanung verbessert.
- Für 82 Prozent geht das Erstellen einer Pflegeplanung jetzt leichter.
- 84 Prozent haben mit der neuen Pflegeplanung mehr Übersicht.
Wenn ein Haus bestimmte Anforderungen und Sicherheitsstandards nicht mehr erfüllt, hilft eine Renovierung irgendwann nicht mehr. Es muss abgerissen und neu aufgebaut werden. So ähnlich sind wir mit der Konzeption des Pflegedokumentationssystems verfahren. Dabei stellte sich heraus, dass es nicht immer auf die Form und die Konzeption eines Formblattes ankommt, sondern wesentlich auch auf die Eigenständigkeit und die professionelle Einschätzung der Pflegesituation durch die einzelne Pflegefachkraft. In der Einführungsphase war es für die Mitarbeiter(innen) noch ungewohnt, die pflegefachliche Bewertung, den Umfang der Planung und die Kontrollen zu bestimmen und zu formulieren. Doch die ersten erfolgreichen Ansätze in der Praxis zeigten hier ein sinnvolles Maß von Aufwand und Dokumentation. Auch die sehr guten Prüfergebnisse des MDK und der Heimaufsicht bestätigten uns darin, diesen Weg weiterzugehen. Am Ende des Projektes zeigte sich, dass neben dem Reduzieren von Formblättern im Wesentlichen die Rückbesinnung auf die Pflegeprofession der Schlüssel für eine gelungene Reduzierung der Pflegedokumentation ist.
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