Geschützt und anonym gebären
Die Praxis der anonymen Kindesabgabe ist in Deutschland heterogen. Die Rechtslage war bislang ungeklärt und die Rechtfertigung von Babyklappen und anonymer Kindesabgabe umstritten. Dem soll nun abgeholfen werden mit dem Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt, das zum 1. Mai 2014 in Kraft getreten ist. Es soll schwangeren Frauen ermöglichen, in einem Krankenhaus zu entbinden, ohne ihre Identität unmittelbar preiszugeben. Gesundheitliche Gefahren für Mutter und Kind bei medizinisch unbegleiteten Geburten sowie Kindsaussetzungen und -tötungen sollen so vermieden und Handlungssicherheit für Schwangere, Beratungsstellen, Kliniken und Behörden geschaffen werden. Dabei knüpft der Gesetzgeber an das Recht jeder Frau an, bei den Schwangerschaftsberatungsstellen während und nach der Schwangerschaft anonym und beschützt Hilfe zu suchen. Leider werden Schwangere bisher von den bestehenden Hilfesystemen nicht in ausreichendem Maße erreicht. Das neue Gesetz sieht daher abgestufte Hilfen für Schwangere in Not vor:
1. Ausbau der Hilfen für Schwangere mit Anonymitätswunsch;
2. Legalisierung der vertraulichen Geburt.
Die Hilfen für Schwangere ausbauen
Frauen, die keinen anderen Ausweg sehen, als ihre Schwangerschaft zu verheimlichen, steht bereits ein gut ausgebautes Beratungs- und Hilfesystem zur Verfügung. Es ist darauf ausgerichtet, für alle konflikthaften Situationen, in die Frauen durch eine Schwangerschaft und die Geburt des Kindes geraten können, eine Lösung zu finden. Zentrale Anlaufstelle für die betroffenen Frauen sind dabei die Schwangerschaftsberatungsstellen. Die dort vorhandenen breitgefächerten Hilfsangebote haben die betroffenen Frauen aber bislang aufgrund geringer Bekanntheit nicht erreicht. Der Bund ist daher nach der neuen Vorschrift aufgefordert, mit Hilfe von öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen sämtliche Hilfen für schwangere Frauen und Mütter besser bekanntzumachen. Dies gilt sowohl für den Rechtsanspruch auf anonyme Beratung, der im Zuge des Bundeskinderschutzgesetzes in § 2 Absatz 1 Schwangerschaftskonfliktgesetz verankert wurde, als auch für das Bereithalten von umfassenden Informationsmaterialien zur vertraulichen Geburt. Auf diesem Wege soll die Akzeptanz des neuen Hilfsangebots, aber auch das Verständnis für Eltern, die ihr Kind zur Adoption freigeben, gefördert werden. Diese Öffentlichkeitsarbeit des Bundes wird unter anderem durch entsprechende Informationsportale umgesetzt.
Seit 1. Mai 2014 gibt es
- das Hilfetelefon "Schwangere in Not - anonym sicher", das unter der Nummer 08004040020 kostenlos 24 Stunden erreichbar ist, und
- im Internet Informationen und anonyme Beratung auf www.geburt-vertraulich.de.
Diese Portale stellen sicher, dass Schwangere in Konfliktlagen, die ihre Schwangerschaft verheimlichen möchten, Zugang zum professionellen Beratungssystem und einer Beratungsstelle nach §§ 3 und 8 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) erhalten.
Die vertrauliche Geburt legalisieren
Den Schwangerschaftsberatungsstellen kommt bei der Regelung der vertraulichen Geburt eine besondere Rolle zu. Sie sind die Stellen, die nach dem gesetzlichen Auftrag umfassende Beratung und Begleitung der Schwangeren anbieten. Frauen, die auch nach einer solchen psychosozialen Beratung ihre Anonymität nicht aufgeben möchten, können zukünftig den Weg der vertraulichen Geburt wählen. Dabei erfahren sie Hilfe und Begleitung durch die Beratungsstellen. Die Beratung erfolgt in einem gestuften Verfahren. In einer ersten Stufe werden umfassende Hilfen und Beratung zur Lösung der den Anonymitätswunsch bedingenden psychosozialen Konfliktlage angeboten (§ 2 Absatz 4 SchKG n.F.).
Gibt die Schwangere die Anonymität nicht auf, kommt Stufe zwei zum Tragen: die Beratung zur vertraulichen Geburt (§§ 25 ff. SchKG).
Mit dem vorrangigen Ziel, Hilfe - insbesondere Geburtshilfe - anzunehmen, beinhaltet die Beratung folgende Punkte:
ausführliche Informationen über den Ablauf des Verfahrens der vertraulichen Geburt;
- Rechte des Kindes und des Vaters;
- Informationen über das sich regelmäßig anschließende Adoptionsverfahren;
- die Möglichkeit zur Rücknahme des Kindes;
- Möglichkeiten der Frau, wichtige Belange gegen das Einsichtsrecht des Kindes in den Herkunftsnachweis geltend zu machen.
Die Beratung soll möglichst wohnortnah angeboten werden. Eine Beratungsstelle, die keine speziell geschulte Beratungsfachkraft beschäftigt, kann das Verfahren zur vertraulichen Geburt gleichwohl anbieten, wenn sie eine Beratungsfachkraft hinzuzieht.
Damit ist gewährleistet, dass die Frau sich nur einer Beraterin offenbaren muss und dort ihre Daten bekanntgibt. Entscheidet sich eine Frau für eine vertrauliche Geburt, erstellt sie mit Hilfe der Beratungsstelle einen Nachweis für die Herkunft des Kindes. Sie wählt einen Vor- und Familiennamen, unter dem sie im Verfahren der vertraulichen Geburt handelt (Pseudonym), und ebenso je einen oder mehrere weibliche oder männliche Vornamen für das Kind. Darüber hinaus wird die Mutter motiviert, zusätzliche herkunftsrelevante Mitteilungen für das Kind zu erstellen, etwa zu ihrer Lebenssituation oder warum sie sich für eine vertrauliche Geburt entschieden hat. Die Beratung und Begleitung der schwangeren Frau soll regelmäßig in Kooperation mit den Adoptionsvermittlungsstellen erfolgen.
Der Herkunftsnachweis wird von der Beratungsstelle versiegelt und an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben geschickt. Der Herkunftsnachweis darf erst nach 16 Jahren und nur von dem Kind eingesehen werden. Die Frau hat das Recht, der Offenlegung der Daten auch nach 16 Jahren noch mit dem Vorbehalt entgegenstehender wichtiger Belange zu widersprechen. Es findet dann eine familiengerichtliche Überprüfung statt, in der sie sich gegebenenfalls durch einen für sie handelnden Verfahrensstandschafter vertreten lassen kann. Die Rechte des Kindes auf Kenntnis der eigenen Herkunft werden so ausreichend gewährleistet.
Das Kind erhält nach der Geburt einen Vormund, das heißt die mütterliche Sorge ruht. Ein Familiengericht entscheidet über den Verbleib des Kindes. Das vertraulich geborene Kind erhält die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Personenstand des Kindes ist geklärt.
Nach drei Jahren schauen, wie sich das Gesetz auswirkt
Die Wirkungen des Gesetzes sollen im Zusammenspiel mit den nach wie vor vorhandenen Angeboten der anonymen Kindesabgabe überprüft und evaluiert werden. Hierzu sollen Dokumentations- und Berichtspflichten der Beratungsstellen genutzt werden. Nach einer Beobachtungszeit von mindestens drei Erhebungsjahren wird ein Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes vorgelegt und gegebenenfalls das Gesetz angepasst.
In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob die Duldung von Babyklappen und die anonyme Geburt fortgesetzt werden.
Es ist jetzt Aufgabe des Bundes, Standards zur Qualifizierung von Beratungskräften zu entwickeln und in Pilotfortbildungen zu erproben. Die Länder bekommen das neue Fortbildungscurriculum an die Hand, um Beratungskräfte der verschiedenen Träger von Schwangerschaftsberatungsstellen auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten. Dies alles war am 1. Mai, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, noch nicht abgeschlossen, so dass vorerst von allen Beteiligten, den Beratungsstellen, den Adoptionsdiensten, den Behörden und den Krankenhäusern ein pragmatischer Weg gefunden werden muss, um sich auf Anfragen von Schwangeren bestmöglich vorzubereiten. Dabei gilt: Ohne Kooperation geht nichts.
Anmerkung
Mit der Bewertung des neuen Gesetzes aus Sicht der Caritas befasst sich der Kommentar in der neuen caritas Heft 9/2014 (S. 3).
Caritastarif unter Druck
Dokumentieren mit Maß
Das SGB II wird vereinfacht
Was ist das kirchliche Profil der Caritas?
Caritas muss sich auf die Welt einlassen dürfen
Einseitige Kita-Arbeit
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