Caritastarif unter Druck
Gut Lachen hatte Hans Michael Weiss. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes in der Metall- und Elektroindustrie NRW beschrieb auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen (AcU) im Kölner Maternushaus die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, im konkreten Fall der IG Metall. "Wenn Sie als Caritas Ihren Tarif aushandeln, haben Sie dabei mit den Kostenträgern immer einen Dritten im Bund." Dieser sitzt zwar nicht mit am Verhandlungstisch, doch er verhindere ein reines Aushandeln zwischen den Dienstgebern und -nehmern in der Caritas, so Weiss. Somit steht die Tarifautonomie unter einem unsichtbaren Diktat.
Weiss selbst hat in vielen Tarifverhandlungen die Erfahrung gemacht, dass es von Vorteil ist, wenn das Gegenüber eine starke Gewerkschaft ist. "Das stärkt die Akzeptanz der Beschlüsse nach innen." Natürlich brauche es dabei eine gute Streitkultur, denn man müsse ja immer wieder denselben Leuten ins Gesicht sehen. Seinem gewerkschaftlichen Gegenüber billigte Weiss zu, dass man dort "kapiert" habe, dass es nur gute Löhne geben könne, wenn die Betriebe auch gut dastünden. Die größte Gefahr drohe durch die Abwanderung ins Ausland. Den versammelten Trägervertretern der Caritas empfahl Weiss angesichts der heterogenen Caritas eine stärkere Bündelung.
Dass es unter den Dienstgebern in der Arbeitsrechtlichen Kommission (AK) immer wieder divergierende Ansichten gebe, räumte auch deren Sprecherin Lioba Ziegele ein. Dann müsse man sich eben zusammensetzen und vertretbare Lösungen finden. Bei den Tarifverhandlungen "können wir nicht nur rausholen, was geht. Sonst verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit." Der Fachkräftemangel gebiete eine Orientierung am Lohnniveau, in dem Fall am TVöD - aufgrund des Wettbewerbs und der Refinanzierbarkeit der Löhne aber eben nicht darüber hinaus. Es gebe anderes, womit die Caritas als Arbeitgeber werben könne, beispielsweise die betriebliche Zusatzversorgung, das Bemühen um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das Gesundheitsmanagement. Die Loyalitätspflichten erweisen sich laut Ziegele immer wieder als Wettbewerbsnachteil. Hier müsse man fallorientiert nach Einzellösungen suchen. "Es ist nicht der Zeitpunkt für eine Alternative zum Dritten Weg! Aber: Wir müssen unser System besser kommunizieren."
Kein eigener Sozialtarif
Auch Jörg Antoine, Vorstand im Diakonischen Werk in Niedersachsen, sieht Kommunikationsbedarf. Bei Caritas und Diakonie zahle man am Sozialmarkt im oberen Bereich. Dennoch halte sich zäh das Gerücht, man verdiene schlecht bei den kirchlichen Verbänden. Antoine stellte den eigenen Tarifvertrag vor, den der Diakonische Arbeitgeberverband in Niedersachsen mit der Gewerkschaft Ver.di ausgehandelt hat. Dies sei die verbandliche Antwort auf die Pläne der niedersächsischen Regierung, einen Sozialtarif einzuführen - in einem Bundesland, in dem die privaten Träger dominierten und Lohndumping betrieben, so Antoine.
Schützenhilfe erhielt Jörg Antoine auch vom Mitarbeitervertreter in der AK der Caritas: "Im Osten und in Niedersachsen haben die privaten Anbieter die Marktmacht", bestätigte Thomas Rühl. Für ihn heißt Zukunftssicherung aber, den eigenen Markt besser auszubauen und damit die Marktmacht zurückzugewinnen. "Bis auf ein paar Ausreißer bewegen sich die freien Wohlfahrtsverbände auf demselben Lohnniveau." Rühl sieht eine gute Chance darin, wenn die Mitarbeitervertreter Bündnisse mit den Dienstgebern oder Ver.di schließen, um gemeinsam den Kostenträgern die Stirn zu bieten. "Den Kampf um den Lohnkostenwettbewerb müssen wir mit der Politik austragen und nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter." Für Rühl sind die AVR die Voraussetzung für den Dritten Weg. "Ein eigenes Tarifwerk schaffen wir nicht mangels Kapazität."
Die Anerkennung des Dritten Weges signalisierte Bernd Molzberger für den AcU zu Beginn der Tagung. Dass man bei der tariflichen Ausgestaltung eigene Wege bevorzugen würde, signalisierten die Wortmeldungen der in Köln versammelten AcU-Mitglieder.
Die Tagung machte einmal mehr die Spannbreite der Interessen klar, vor deren Hintergrund derzeit die Tarifverhandlungen in der Caritas geführt werden.
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