Internet und Co.: Werkstätten dürfen Anschluss nicht verpassen!
Alle sind mit im Boot. Weit zu rudern trauen sich nur wenige. So könnte man den Stand der IT-Nutzung in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in Deutschland umschreiben. Über 700 Werkstätten wurden bei einer Umfrage zum Stand der Informationstechnologie angeschrieben und 100 Prozent der Angeschriebenen konnten über E-Mail erreicht werden. Alle, die an der Befragung teilnahmen (6,5 Prozent), betreiben zudem eine eigene Homepage. Das klingt zunächst vielversprechend. Sieht man genauer hin, ist der Großteil der Webauftritte (93 Prozent) auf dem Niveau von Werbeplakaten stehengeblieben. Es handelt sich um statische Webseiten, die kaum Interaktion und Dynamik in der Nutzung zulassen. Elemente wie Foren, Chats, Blogs, Wikis sucht man vergebens. Die Seiten sind oft wenig gepflegt und Unternehmensdaten und Statistiken sind veraltet. Die Chancen des Web 2.0 werden kaum genutzt.
Im Vergleich zu anderen Unternehmen der Sozialwirtschaft gehören WfbM dennoch zu den fortschrittlichsten Unternehmen. Die Akzeptanz für softwaregestützte Lösungen ist in allen Unternehmensbereichen vorhanden. Die Anwendungstiefe variiert allerdings stark und ist oft personenabhängig.
Derzeit beherrschen virtuelle Netzwerkarchitekturen und ein schier unüberschaubarer Markt an Hard- und Softwarelösungen das Geschehen. Die Zyklen für IT-Produkte werden immer kürzer. "Wir haben Kunden, die alle zwei Jahre ihre Desktop-PCs austauschen. Das sind die innovativen Unternehmen. Das andere Ende der Fahnenstange ist bei sieben Jahren erreicht", sagt Klaus Tschanerl, Technologieberater bei Microsoft.1
Das Tempo dieser Entwicklungen mitzuhalten ist für gemeinnützige Unternehmen des Non-Profit-Sektors nicht immer machbar und je nach Betätigungsfeld nicht immer nötig. Beschränkt sich die IT-Nutzung im Wesentlichen auf die Steuerung und Abwicklung von binnenorientierten Verwaltungsvorgängen mit wenigen Schnittstellen in den freien Markt, kann die eine oder andere Entwicklungsgeneration von Hard- und Softwareprodukten übersprungen werden. Werkstätten für behinderte Menschen bilden hier, aufgrund ihrer vielfachen Beziehungsebenen, eine Ausnahme. Der Produktionskunde erwartet Systeme zum Datenaustausch, die sich auf dem Stand der Zeit befinden. Menschen mit Behinderung oder deren Betreuer informieren sich immer selbstverständlicher über das Internet oder fragen nach der Möglichkeit, Formulare oder Terminlisten von der Homepage herunterzuladen oder noch besser auf dieser ausfüllen und direkt an die Werkstatt senden zu können. Und nicht zuletzt die Kostenträger erwarten von der Werkstatt immer mehr elektronische Kommunikations- und Dokumentationsformen. Diese Erwartungshaltung geht leider nicht einher mit der Erkenntnis, dass dieser Aufwand sich auch in den
Kostensätzen abbilden muss. Von 46 deutschlandweit befragten WfbM gaben 36 Einrichtungen an, keine Anteile zur Refinanzierung der IT-Kosten in den Kostensätzen verhandelt zu haben. Die Personalentwicklung und die organisatorische Einbindung der IT-Bereiche scheinen immer noch stark von den Aufbaujahren geprägt zu sein. Ein Großteil der Administratoren besitzt keine einschlägige Ausbildung. In vielen Fällen ist die IT-Verantwortlichkeit stiefmütterlich an fachfremde Bereiche angegliedert oder wird vom Geschäftsführer mit abgedeckt. Dies wird der Bedeutung der IT nicht mehr gerecht. Nicht nur in privatwirtschaftlichen Unternehmen, sondern auch im Bereich der WfbM wird eine effizient eingesetzte IT zunehmend zu einem Teil der Wertschöpfungskette, der professionelle Organisations- und Personalstrukturen braucht. Die Werkstätten dürfen diesen Anschluss nicht verpassen.
Anmerkungen
Der Artikel geht zurück auf eine Masterarbeit an der Hochschule München mit dem Titel: "Stand der Informationstechnologie in Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Deutschland". Die Arbeit ist im Buchhandel (ISBN 978-3-640-69754-0) erhältlich.
1. Geiger, Jörg: Das müssen Sie über IT-Leasing wissen - Chip Online, 2008. Online verfügbar unter www.chip.de/artikel/Das-muessen-Sie-ueber-IT-Leasing-wissen_31560332.html, zuletzt geprüft am 17. Januar 2011.