"Alles wirkliche Leben ist Begegnung"
Die Herausforderungen und Erwartungen an Menschen, die von einem Land in ein anderes umziehen, sind vielfältig: Sie müssen sich oft innerhalb kürzester Zeit in einer anderen Sprache verständigen können, wenn sie am Arbeitsmarkt und am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen. Zudem müssen sie sich das jeweils geltende System erschließen und mit den mitgebrachten Regeln vereinbaren.
Vor diesem Hintergrund will das Projekt "Gemini - Gemeinsam für Integration" der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (BAG IDA)
- einen Beitrag zur interkulturellen Öffnung der IDA-Betriebe leisten,
- die deutschlandweite Vernetzung der IDA-Betriebe vorantreiben,
- innovative Konzepte und Projekte zur nachhaltigen und ganzheitlichen Integration von Migrant(inn)en in den Arbeitsmarkt entwickeln und anstoßen.
Bundesweit gibt es 24 IDA-Standorte, die sich austauschen und vernetzen. In Workshops werden Projekte zur Arbeitsmarktintegration angestoßen und Seminare zur interkulturellen Kompetenz angeboten. All dies steht unter dem Motto "Kulturelle Vielfalt nutzen und fördern".
Dass eine interkulturelle Öffnung notwendig ist, um die Angebote und Dienste der Caritas zukunftsfest zu machen, unterstreicht beispielsweise der Fuldaer Diözesan-Caritasdirektor Markus Juch, wenn er in der neuen caritas Heft 6/2011, in seinem Kommentar auf S. 3 hinweist: "Effizient helfen heißt fremde Kulturen auch verstehen."
Carla Warburg, Sozialpädagogin im Fachdienst für berufliche Eingliederung beim Caritasverband Hagen, hat im Sommer 2010 an einem Training zu interkulturellen Kompetenzen für Sozialpädagog(inn)en und Ausbilder(innen) in berufsvorbereitenden Bildungskursen teilgenom- men. Ihre Motivation beschreibt sie so: "Oft ist es für uns schwierig, an Eltern und Familien der Jugendlichen mit Migrationshintergrund heranzukommen, weil schon die Hemmschwelle, sich mit uns zu einem Gespräch zu treffen, für manche Eltern sehr hoch ist." Vielen sei nicht klar, welche Aufgabe sie als Sozialpädagog(inn)en hätten. Deshalb sei es zum Beispiel so wichtig, schon bei der ersten Kontaktaufnahme eine Vertrauensbasis zu schaffen. "In der Fortbildung wurden wir dafür sensibilisiert, dass viele Dinge, die uns in unserem Arbeitsalltag im Umgang mit jungen Migranten begegnen, einen kulturellen Hintergrund haben können und wir lernen müssen, angemessen zu reagieren", sagt sie.
Um die interkulturellen Schulungen bedarfsorientiert weiterentwickeln zu können und in ihrer Nachhaltigkeit zu intensivieren, werden die rund 450 Teilnehmer(innen) in einer Evaluation schriftlich befragt.
Als Modelle einer zunehmenden interkulturellen Zusammenarbeit sind zudem die folgenden Praxisbeispiele aus verschiedenen Bildungs- und Beschäftigungsunternehmen der BAG IDA zu verstehen.
Bildung und Arbeit für junge Mütter
Bildungsbeteiligung und Vermittlung in Arbeit (junger) Mütter mit Migrationshintergrund ist eines der drei Schwerpunktthemen, mit denen sich fünf der "Gemini"-Standorte befassen, unter ihnen auch IN VIA Paderborn. "Seit inzwischen 58 Jahren arbeitet IN VIA Paderborn mit Frauen, die sich auf Ausbildung oder Arbeitsaufnahme vorbereiten und weiter qualifizieren", berichtet Simone Hennemeyer, sozialpädagogische Mitarbeiterin. Darunter seien immer auch schon junge Mütter mit Migrationshintergrund gewesen. "Also eigentlich nichts Neues. Doch im Rahmen unserer Mitarbeit in ,Gemini‘ haben wir die Bedeutung von Mutterschaft im familiären Umfeld sowie den Stellenwert von Ausbildung und Berufstätigkeit in einer oft sehr spezifischen kulturellen Sozialisierung erkannt. Wir wollen deshalb den Blick dafür schärfen, mit welchen Schwierigkeiten diese Frauen auf der Suche nach Arbeit zu kämpfen haben, weil sie sowohl Mütter sind als auch eine Zuwanderergeschichte haben", so ihr persönliches Zwischenergebnis der bisherigen Workshoparbeit.
In Trier kümmert sich der Caritasverband um die Sprachförderung
Ein neues Land bedeutet immer auch eine neue Sprache, gerade und vor allem, wenn man arbeiten will. Aus diesem Grund beschäftigt sich der Caritasverband Trier schon seit Jahren intensiv mit der berufsbezogenen Sprachförderung und nimmt am "Gemini"-Projekt teil, um hier neue Ideen kennenzulernen und gemeinsam mit örtlichen Bildungsträgern zu erproben.
Neben der direkten sprachlichen Förderung besteht darüber hinaus auch Unterstützungsbedarf bei Fragen der beruflichen Orientierung, der Vorbereitung und Begleitung bei Praktika, Hilfen zur Bewerbung, im fachsprachlichen sowie fremdsprachlichen Bereich in Englisch und Französisch angesichts der grenzüberschreitenden Beschäftigungsmöglichkeiten im Großraum Saar-Lor-Lux.
Gemeinsam mit den Lehrkräften und seiner sogenannten Caritas-Learn-Factory will der Caritasverband (CV) Trier neue Akzente in der Deutschförderung für die berufliche Ausbildung entwickeln. In einem ersten Workshop unter Leitung von Ute Kreisel vom CV Trier wurden Handlungsmöglichkeiten erarbeitet, mit denen die jungen Migrant(inn)en die geforderten Schlüsselqualifikationen besser erreichen können. In zwei Projekten des Programms "Stärken vor Ort" werden die Jugendlichen unterstützt.
"Pro Donna" im rheinländischen Langenfeld berät eins zu eins
Mentoren- und Patenschaftsmodelle sind en vogue - obwohl die Idee eigentlich uralt ist. Als Christ(inn)
en haben wir Tauf- und Firmpaten. Dieses Modell eignet sich gerade durch die Eins-zu-eins-Betreuung besonderes gut, um Kenntnisse über ein neues Land oder eine andere Gesellschaft in persönlichen Begegnungen zu vermitteln, die Hinzugekommenen an die Hand zu nehmen und sie ein kleines Stück ihres Lebensweges zu begleiten.
Ein "Gemini"-Projektpartner ist der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Langenfeld in der Erzdiözese Köln, der seit über 25 Jahren die lokale Beschäftigungsförderung mitgestaltet. Das Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt "Pro Donna" bietet Frauen mit und ohne Migrationshintergrund die Möglichkeit, durch individuelle Förderung wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen.
Seit dem ersten Workshop im April 2010 konnten verschiedene örtliche Organisationen und Kulturvereine sowie die Integrationsbeauftragte für die Thematik sensibilisiert werden. Gemeinsam wurden einige Pat(inn)en für die Arbeit mit den Migrantinnen gewonnen. Für die Akquise weiterer Pat(inn)en finden immer wieder Infoveranstaltungen für ehrenamtlich Engagierte statt. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Vernetzung mit ortsansässigen Unternehmen, um auch die beruflichen Perspektiven für Migrantinnen ganz konkret - zum Beispiel durch ein Praktikum - zu verbessern.
Die Vernetzung und der Austausch der einzelnen IDA-Standorte tragen immer mehr Früchte. Mit Blick auf die einschlägigen politischen Debatten über den Integrationswillen bestimmter Bevölkerungsschichten zeigt die Arbeit mit den Menschen in den Projekten, dass ein Für-und Miteinander ein Weg ist, auf dem man jeden Tag einen weiteren Schritt gehen muss.
"Gemini" will mit seiner Netzwerkarbeit, seinen Workshops und Schulungen dazu beitragen, dass aus dem noch schmalen Weg der Integration eine breit ausgebaute Straße wird, auf der wir aufeinander zugehen und Begegnung stattfinden kann. So fasste Professor Josef Freise von der Katholischen Hochschule NRW bei der "Gemini"-Zwischenbilanz seine Ausführungen über Dimensionen interkultureller und interreligiöser Kompetenz mit einem Zitat von Martin Buber zusammen: "Alles wirkliche Leben ist Begegnung."