Sozial, ökologisch, ökonomisch
Das Konzept des Cariteam-Energiesparservice wurde im Dezember 2005 durch eine Kooperation des Orts-Caritasverbandes Frankfurt (Main) und des Energiereferats der Stadt Frankfurt entwickelt. Die Grundidee: Langzeitarbeitslose Menschen beraten im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit im Beschäftigungsförderungsprojekt einkommensschwache Haushalte zum Thema Energiesparen. Unterstützung fand die Idee beim Rhein-Main-Jobcenter (Arge), dem Sozialdezernat und dem Umweltdezernat der Stadt Frankfurt (vgl. neue caritas Heft 17/2007, S. 27ff.).
Die Anlaufphase war zunächst nicht einfach, die Nachfrage aus einkommensschwachen Haushalten lief eher schleppend. Im Frühjahr 2006 wurde das Serviceangebot um die kostenlose Installation von Energiesparlampen und schaltbaren Steckerleisten erweitert, die sich die Haushalte oft selbst nicht leisten konnten. Mit dieser Entscheidung verbesserte sich der Zugang zu den Haushalten, die Nachfrage stieg stark an.
Systematische Ermittlung der Einsparmöglichkeiten
In Frankfurt qualifizierten sich zunächst zwölf Arbeitslose zu „Serviceberatern für Energie- und Wasserspartechnik“. Heute arbeiten in dem Projekt 24 zuvor langzeitarbeitslose Menschen. Ausgestattet mit den nötigen Mess- und Prüfgeräten, Informationsmaterialien und Beispielgeräten gehen die Beratungsteams in die Haushalte. Im ersten Schritt dokumentieren sie dort die bisherigen Verbrauchswerte von Strom, Wasser und Heizenergie mit Hilfe einer Vergleichstabelle. Die Kunden können damit ablesen, wie hoch ihr durchschnittlicher Verbrauch ist. Dies gibt auch erste Anhaltspunkte für Einsparpotenziale.
Anschließend werden der Stromverbrauch der vorhandenen elektrischen Geräte ermittelt und der Wasserdurchfluss an Wasserhähnen und Dusche gemessen. Basierend auf den jeweiligen Nutzungszeiten der Geräte errechnen die Beratungsteams anschließend, wo sich der Einbau von Spargeräten lohnt. Bei einem zweiten Hausbesuch werden je nach Bedarf kostenlose Energiesparlampen, schaltbare Steckdosenleisten, Zeitschaltuhren, Wassersparduschen oder Perlstrahler für den Wasserhahn montiert. Außerdem bekommen die Haushalte einen detaillierten Auswertungsbericht, der die zukünftigen Einsparungen darstellt sowie Hinweise und Empfehlungen gibt, wie sich der Stromverbrauch mit einfachen Mitteln weiter reduzieren lässt.
Vielfältige Wirkungen für Mensch und Umwelt
Der Frankfurter Cariteam-Energiesparservice bietet eine niedrigschwellige Beratung für Menschen an, die sonst kaum für Themen wie Energiesparen und Klimaschutz zu sensibilisieren sind. Die individuelle Beratung „auf Augenhöhe“ und die Überlassung kostenloser Energiesparprodukte finden in den einkommensschwachen Haushalten sehr positive Resonanz.
Um die Nachfrage zu verstetigen, wird das kostenlose Angebot regelmäßig beworben, gerade auch durch die Berater(innen) selbst. Sie führen zum Beispiel Informationsveranstaltungen in Jobcentern, Sozialkaufhäusern und Beschäftigungsförderungsprojekten durch. Neben den fachlichen Aspekten zum Energie- und Wassersparen werden die Berater(innen) so auch in Bereichen wie Kommunikation und Computernutzung fit gemacht. Somit steigen ihre Chancen.
Der Cariteam-Energiesparservice verbindet damit vier sehr unterschiedliche Ziele: Arbeitslose werden zu Serviceberatern für Energie- und Wasserspartechnik qualifiziert, Haushalte mit geringem Einkommen lernen, ihre Stromkosten zu reduzieren und ihre geringen Budgets zu entlasten. Darüber hinaus werden Bildungseffekte in Haushalten erzielt, die bisher nur schwer erreicht werden konnten. Und nicht zuletzt profitiert die Umwelt durch sinkende CO2-Emissionen. Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Bildungs- und Umweltpolitik werden durch diesen nachhaltigen Ansatz optimal miteinander vernetzt.
Auszeichnungen verhalfen zu bundesweiter Bekanntheit
Der Energiesparservice traf in der allgemeinen Öffentlichkeit wie auch beim Fachpublikum auf große Resonanz. Die katholische Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (BAG IDA) gab schließlich den Ausschlag für die bundesweite Verbreitung: Das Caritas-Projekt aus Frankfurt erhielt den IDA-Sonderpreis 2007 – das Interesse vieler Caritasverbände war geweckt. Im selben Jahr wurde der Caritas-Energiesparservice vom Bundespräsidenten Horst Köhler zur „Woche der Umwelt 2007“ eingeladen und präsentierte sich im Park von Schloss Bellevue in Berlin als innovatives Umweltschutzprojekt. Weitere Auszeichnungen folgten, darunter der Consozial-Management-Preis 2008.
Ausweitung des Projekts auf andere Städte
Immer mehr deutsche Städte wurden auf den Ansatz des Energiesparservice aufmerksam. Die BAG IDA, Trägerin von mehr als 100 Beschäftigungs- und Qualifizierungsbetrieben, unterstützte zusammen mit dem Orts-Caritasverband Frankfurt die Ausbreitung der Projektidee.
Im Rahmen seiner Verbändeförderung unterstützt das Umweltbundesamt seit April 2008 zusammen mit dem Bundesumweltministerium (BMU) die Konzeptübertragung. Ziel ist es, mindestens 20 weitere Standorte für den Energiesparservice zu gewinnen und bei der Projektumsetzung zu unterstützen.
Bundesweites Förderprogramm Stromspar-Check
Zusätzlich gab das BMU Ende 2008 eine Evaluation des Frankfurter Projekts in Auftrag, die die Erfolge des Energiesparservice bestätigte (vgl. "Langfristig steht unterm Strich ein dickes Plus", nc 07 2010). Zudem brachte sie ein für alle unerwartetes Ergebnis: Die Kofinanzierung des Energiesparservice durch die Stadt Frankfurt ist durch die Einsparung von Heizenergie- und Warmwasserkosten bei Empfänger(inne)n von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe für die Kommune langfristig kostenneutral oder gar kostensenkend.
Parallel zum Frankfurter Projekt gab das BMU ein weiteres Pilotprojekt zur Energiesparberatung einkommensschwacher Haushalte in Auftrag, das von der Berliner und der Freiburger Energieagentur zusammen mit einem Freiburger Beratungsbüro durchgeführt wurde.
Der Frankfurter Caritasverband und die Energieagenturen stellten ihre Erfahrungen mit der Beratung schließlich Mitte 2008 im BMU in Berlin vor. Aufgrund der überzeugenden Ergebnisse bewilligte das Ministerium zum 1. Dezember 2008 das gemeinsame Projekt „Stromspar-Check“, um die bundesweite Verbreitung der Projektidee zu unterstützen. Träger des Stromspar-Checks sind der Deutsche Caritasverband (DCV) mit seiner BAG IDA und der Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands (eaD). Diese Kooperation erweist sich als erfolgreich, da umweltpolitische und sozialpolitische Kompetenzen sowie die jeweiligen Netzwerke sinnvoll miteinander verknüpft werden konnten.
Der Stromspar-Check wurde mittlerweile an 68 Standorten von Caritas- und anderen Verbänden eingeführt. Weitere Projekte nehmen mittlerweile mit einer kommunalen Förderung als sogenannte assoziierte Standorte teil. Sie nutzen die erarbeiteten Materialien und Strukturen wie Newsletter, regionale Treffen zur Vernetzung, Schulungsunterlagen, Datenbank sowie die günstigen Einkaufskonditionen für Energiesparartikel.
Bis Mitte Februar 2010 wurden bundesweit insgesamt 20.000 Stromspar-Checks durchgeführt. Im Durchschnitt werden pro Haushalt 93 Euro Stromkosten im Jahr eingespart. Insgesamt beträgt das Sparpotenzial aller beratenen Haushalte durch den Einsatz der Energiesparartikel rund 24 Millionen Euro. Davon profitiert die öffentliche Hand mit 5,4 Millionen Euro Einsparung. Gleichzeitig wird die Umwelt um mehr als 50.000 Tonnen CO2 entlastet.
Zukunftsfähigkeit des Projekts Stromspar-Check
Das Bundesumweltministerium fördert das Projekt Stromspar-Check noch bis Dezember 2010. Es liegt im Interesse aller Beteiligten, das erfolgreiche Beschäftigungsförderungsprojekt auf weitere Standorte auszuweiten beziehungsweise an den jetzigen Standorten fortzuführen. Ziel ist es daher, vor Ort neue Kooperationspartner und Sponsoren zu gewinnen, um das Projekt gegebenenfalls auch mit einer geringeren BMU-Förderung weiterzuführen.
Überzeugende Argumente für die langfristige Fortführung lassen sich aus der engen Verquickung der erwähnten vier Ziele ableiten: Je mehr einkommensschwache Haushalte Beratung erhalten, desto größer sind die Einsparungen und die positiven Effekte für die Haushalte selbst, für die Kommunen und den Klimaschutz. Alles in allem: Der Stromspar-Check ist ein überzeugendes Projekt, bei dem es sich lohnt, es auch langfristig fortzuführen.