Fachkräfte dringend gesucht
Im November 2009 hat die Stabsstelle Sozialwirtschaft beim Deutschen Caritasverband die vierte Erhebung zur wirtschaftlichen Lage der Rechtsträger der Caritas durchgeführt. Zum ersten Mal wurde dafür die hauseigene Statistik-Onlineplattform1 genutzt. In die Auswertung konnten 1141 Fragebögen einbezogen werden. Diese Teilnahmequote von 42 Prozent zeigt, dass die Gestaltung der Erhebung über die Plattform gut angenommen wurde und die Teilnahmequote im Vergleich zum Vorjahr 2008 (41 Prozent) stabil geblieben ist.
Während im Jahr 2008 die positive Sichtweise auf die Geschäfts- und Ertragslage noch überwog2, steht 2009 eher im Zeichen der Krise. Ein Viertel der Befragten schätzt ihre Geschäftslage im Berichtszeitraum als schlecht ein. Als gut bewerten nur noch 17 Prozent ihre Lage. Ähnlich ist der Blick auf die Ertragslage: Den 23 Prozent, die ihre Situation als gut einstufen, stehen 27 Prozent gegenüber, die ihre Situation als schlecht einschätzen.
Wirtschaft ist optimistischer, die Caritas aber nicht
Dieses Ergebnis bedeutet, dass die Unternehmen der Caritas die wirtschaftliche Lage pessimistischer einschätzen als die deutsche Dienstleistungsbranche. Die Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) und der Ifo-Geschäftsklimaindex3 deuten an, dass nach einem schwierigen Jahr die Geschäftslage der Branchenunternehmen im Herbst 2009 erstmals wieder positiv war, während das Geschäftsklima der Caritas-Unternehmen weiter unter das Niveau von 2006 gesunken ist. Allerdings ist der direkte Vergleich erschwert, denn die genannten Umfragen richten sich hauptsächlich an unternehmensbezogene Dienstleister, während das SMP-Marktbarometer4 nur Unternehmen der Sozialwirtschaft befragt. Die Ergebnisse des SMP-Marktbarometers vom Herbst 2009 zeigen eine negative Erwartung an die Umsatzentwicklung und bestätigen damit die zurückhaltende Tendenz der Caritas-Unternehmen.
Finanzkrise traf Arbeitsfelder unterschiedlich
Die Zusatzfragen in der Umfrage unter den Rechtsträgern der Caritas ermöglichen es, jeweils aktuelle Themen aufzugreifen. In der jüngsten Erhebung vom November 2009 befassten sich diese Fragen – vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise – mit der Situation bei der Gewährung öffentlicher Zuschüsse und der Kreditvergabe der Banken. Bereits im Jahr 2008 wurde die Lage zwar als angespannt bezeichnet, aber es wurde noch nicht von einer Krise gesprochen5. Auch in der jüngsten Umfrage gaben 56 Prozent der Befragten an, derzeit keine Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu spüren und auch keine künftigen Kürzungen zu erkennen, während 35 Prozent derzeit ebenfalls keine Auswirkungen sahen, aber mit Kürzungen rechneten. Knapp zehn Prozent der Einrichtungen haben bereits Kürzungen im Zuge der Finanzkrise zu spüren bekommen. Diese Werte geben jeweils den Durchschnitt des gesamten Unternehmens wieder – die Angaben der Tätigkeitsfelder im Unternehmen schwanken teils beträchtlich: 15 Prozent der Sozialstationen geben an, von Kürzungen bereits betroffen zu sein, während nur vier der 81 befragten Krankenhäuser (fünf Prozent) dies feststellen. Nicht regelfinanzierte Dienste und Einrichtungen, wie etwa im Feld Migration/Integration oder die Allgemeine Sozialberatung, haben überdurchschnittlich oft Kürzungen als Folge der Finanzkrise zu verzeichnen: In jeweils 15 Prozent dieser beiden Tätigkeitsfelder sind den Angaben zufolge bereits Kürzungen erfolgt, während stationäre Einrichtungen (zum Beispiel in der Jugendhilfe oder Behindertenhilfe sowie Krankenhäuser) selten angeben, bereits Kürzungen erfahren zu haben.
Caritas kam im Vergleich gut durch die Krise
Auch wenn Umfrageergebnisse nur mit Abstrichen vergleichbar sind, scheint es, dass die Caritas weniger von der Finanzkrise betroffen ist als andere Organisationen der Sozialwirtschaft. Auswertungen des SMP-Marktbarometers haben ergeben, dass fast die Hälfte der 161 befragten Führungskräfte in ihren Organisationen die Wirtschaftskrise spürten.
Trotz der negativen Beurteilung von Geschäfts- und Ertragslage in den vergangenen zwölf Monaten planen 30 Prozent der befragten Caritas-Rechtsträger, ihre Investitionsausgaben in den kommenden zwölf Monaten zu erhöhen. Auch die Einstellungsbereitschaft ist nicht von den negativen Entwicklungen der Geschäfts- und Ertragslage betroffen. Ein Drittel der Befragten gab an, dass die Zahl ihrer Beschäftigten im Berichtszeitraum gestiegen sei, während sie den Angaben nach bei lediglich zehn Prozent gesunken ist. Auch für die nächsten Monate hat jeder fünfte befragte Träger mit einer Zunahme der Beschäftigten gerechnet und nur jeder vierzehnte mit einer Abnahme. Vielmehr stellt der Fachkräftemangel die Einrichtungen vor eine Herausforderung.
Fachkräftemangel nimmt rasch zu
Die Gewinnung von Mitarbeitenden fiel kaum einem Rechtsträger leicht. Dies betraf sowohl Arbeitskräfte mit mittlerem Abschluss wie Kranken-, Alten- oder Heilerziehungspfleger(innen) als auch Berufsfelder mit Hochschulabschluss wie zum Beispiel Arzt/Ärztin oder Sozialarbeiter(in). 44 beziehungsweise 46 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die Gewinnung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum schwerer fiel (s. Abb. 1).
Krankenhäuser hatten es besonders schwer, Personal mit Hochschulabschluss zu finden: Knapp 85 Prozent gaben an, es sei ihnen noch schwerer als im Vorjahr gefallen, diese Gruppe für sich zu gewinnen. Im Gegensatz dazu hatten die Bereiche der stationären und ambulanten Altenpflege eher Probleme, künftige Stelleninhaber(innen) mit mittleren Abschlüssen zu finden. Knapp zwei Drittel dieser Einrichtungen hatten in der Personalgewinnung mehr Schwierigkeiten als im Vorjahr. Auch die Einrichtungen der stationären Jugendhilfe waren vom Fachkräftemangel betroffen. Jeweils knapp zwei Drittel der befragten Einrichtungen sagen aus, dass es ihnen schwerer gefallen ist, sowohl Personal mit mittlerem Abschluss als auch mit Hochschulabschluss für sich zu gewinnen.
Dies bedeutet eine drastische Verschärfung der Situation im Vergleich zu 2006. Damals gaben lediglich sechs beziehungsweise neun Prozent der Befragten an, die Gewinnung von Mitarbeitenden mit mittlerem beziehungsweise mit höherem Abschluss fiele ihnen schwerer als früher. Einem Viertel beziehungsweise einem Fünftel war sie sogar leichter gefallen. Die Umfrage aus dem Jahr 2007 jedoch zeigte bereits eine Anspannung der Fachkräftesituation, die sich bis heute verschärft hat. Besonders Hessen ist betroffen, mehr als der Hälfte der dort befragten Einrichtungen fällt es schwerer als im Vorjahr, qualifiziertes Personal sowohl mit mittlerem als auch mit höherem Abschluss zu gewinnen. Bayern und Baden-Württemberg hingegen verzeichnen einen leichten Vorteil im Vergleich zu den übrigen Bundesländern.
Vom Fachkräftemangel ist nicht nur die Caritas betroffen: 45 Prozent der befragten Einrichtungen des SMP-Marktbarometers nennen Probleme beim Besetzen von Stellen mit besonderen Qualifikationsanforderungen. Nur ein Fünftel der Befragten gibt an, keine Probleme bei der Stellenbesetzung mit Fachpersonal zu haben. Inwieweit sich der Fachkräftemangel bereits auf die Geschäftslage der Caritas-Einrichtungen auswirkt und Wachstumschancen verringert, wird in der nächsten Erhebung zur wirtschaftlichen Lage Ende 2010 thematisiert werden. Umfragewerte des SMP-Marktbarometers deuten jedoch an, dass der Fachkräftemangel sich bereits negativ auf Wachstumschancen und das Leistungsangebot auswirkt. Der demografische Wandel wird den Mangel an Fachkräften in allen Bereichen weiter verschärfen. Ein Weg, den Fachkräftemangel abzuwenden, wäre die Ausweitung des Angebots von Ausbildungsplätzen in den betroffenen Bereichen.
Beschwerdemanagement heißt, Teilhabe ernst nehmen
Selbstbestimmte Teilhabe ist das zentrale Thema der Caritas im Rahmen ihrer verbandsweiten Initiative von 2009 bis 2011. Die Teilhabeinitiative soll aufzeigen, was die Caritas in dieser Hinsicht bereits tut, und auch Dienste und Einrichtungen bei der Schaffung von Teilhabemöglichkeiten unterstützen. Daher wurde eine der Zusatzfragen diesem Thema gewidmet: „Inwieweit verfügen die Einrichtungen über ein geregeltes Beschwerdemanagement mit den Teilschritten Stimulierung – Entgegennahme – Bearbeitung – Maßnahme – Auswertung?“ Denn die Einführung eines Beschwerdemanagements ist ein Baustein für mehr selbstbestimmte Teilhabe in den Einrichtungen. Ein funktionierendes Beschwerdemanagement fördert das Selbsthilfepotenzial. Es ermöglicht den Betroffenen, seien es Patient(inn)en oder Klient(inn)en, sich zu artikulieren und zu wissen, dass ihre Kritik ernst genommen wird. Durch diese Möglichkeit werden sie von Betroffenen zu Beteiligten.
Ein geregeltes Beschwerdemanagement wenden 60 Prozent der befragten Einrichtungen an, während vier Prozent zwar über ein Beschwerdemanagement verfügen, dieses aber nicht in der Praxis anwenden (siehe Abb. 2). Elf Prozent haben zum Zeitpunkt der Umfrage eine Einführung geplant. Dennoch – ein Viertel der befragten Einrichtungen und Dienste hat kein geregeltes Beschwerdemanagement und plant diesbezüglich auch keine Änderung.
Bei der stationären Altenpflege und den Krankenkenhäusern liegen die Quoten für die Anwendung eines geregelten Beschwerdemanagements bei 84 Prozent, bei Sozialstationen immerhin bei 70 Prozent. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben (Verpflichtung der Krankenhäuser zu zweijährlichen Qualitätsberichten, das Pflege-Qualitätssicherungsgesetz im Bereich der Altenhilfe beziehungsweise aktuell auch die zu veröffentlichenden Pflegenoten) haben diese Bereiche mehr Erfahrungen mit Qualitätsmanagement und demzufolge oftmals ein Beschwerdemanagement eingerichtet. Deutlichen Nachholbedarf haben stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe und für Personen in besonderen sozialen Situationen. Jeweils über 60 Prozent geben in diesen Tätigkeitsfeldern an, über kein Beschwerdemanagement zu verfügen, wobei nur ein kleiner Teil davon eine Einführung kurzfristig plant. Auch Beratungsdienste, zum Beispiel die Dienste und Einrichtungen für Migrant(inn)en, Schwangerschafts- und Schuldnerberatungsstellen, Erziehungs- und Jugendberatungsstellen und die Allgemeine Sozialberatung, haben nur zu einem geringen Teil ein Beschwerdemanagement eingerichtet. Zwischen 70 und 80 Prozent der genannten Einrichtungen haben kein geregeltes Beschwerdemanagement, wobei der Anteil derer, die auch in naher Zukunft keine Einführung planen, bei etwa 60 Prozent liegt.
Die nächste Erhebung zur wirtschaftlichen Lage der Rechtsträger der Caritas ist für November 2010 geplant. Wir freuen uns auf eine rege Teilnahme, um die Erhebung als unternehmenspolitisches Instrument und Geschäftsklimaindikator der Caritas weiter zu etablieren.
Anmerkungen
1. www.caritas-statistik.de
2. Vgl. neue caritas Heft 15/2008, S. 30.
3. Die Konjunkturumfrage des DIHK fand im September 2009 statt. Der Ifo-Geschäftsklima-Index für Dienstleistungen in Deutschland wird vom Münchener Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) monatlich erhoben, als Vergleich dienen hier deshalb die Daten von November 2009.
4. Das SMP-Marktbarometer erhebt die Stimmung unter den Führungskräften der Sozialwirtschaft. In der Umfrage von November 2009 hatten 93 Prozent der befragten 122 Organisationen einen freigemeinnützigen Träger. Die Umfrageergebnisse aus 11/2009 und 2/2010 sind zu finden in: Wohlfahrt intern Heft 3/2010, S. 18.
5. Vgl. neue caritas, a.a.O.