EU-Gelder für eine sichere Zukunft der Sozialwirtschaft
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) haben sich auf eine "Richtlinie zur Entwicklung der Sozialwirtschaft" verständigt. Ziel ist die Stärkung der Personalentwicklung in den Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege. Die Federführung bei den Verhandlungen lag beim Deutschen Caritasverband.
Für die Förderperiode bis 2013 (bei Förderzusagen bis Ende 2015) stehen Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Bundes in Höhe von 40 Millionen Euro zur Verfügung.
Die Sozialwirtschaft in Deutschland ist ein großer Wirtschaftsbereich mit einer der größten Wachstumsraten, bedingt durch den demografischen Wandel. Neben der Vielzahl von Fachdiensten und Beratungsstellen entwickeln sich vor allem Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit und Pflege rasant. Allein in den Unternehmen der freien Wohlfahrtspflege arbeiten heute hauptberuflich mehr als 2,2 Millionen Menschen - Tendenz steigend.
Der demografische Wandel stellt für die Sozialwirtschaft in zweifacher Hinsicht eine große Herausforderung dar. Einerseits handelt es sich um ein Wachstumsfeld, die Nachfrage nach personengebundenen Dienstleistungen steigt. Andererseits sinkt aber gleichzeitig das Arbeitskräfteangebot insgesamt. Hinzu kommt in einigen Bereichen der Sozialwirtschaft eine starke Fluktuation bei den Beschäftigten.
Welche Dynamik im demografischen Wandel liegt, machen Untersuchungen der EU deutlich: Sie geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 die Zahl der Menschen in der EU zwischen 15 und 64 Jahren um 48 Millionen schrumpfen und die Zahl der über 65-Jährigen um 58 Millionen steigen wird. Ab 2017 wird eine rückläufige Erwerbsbevölkerung einen Rückgang der Beschäftigungsquote herbeiführen. In manchen Regionen in Ostdeutschland wird mit einem Rückgang von über 20 Prozent bis 2020 gerechnet.
Es ist mehr als dringend, stärker als bislang in der Sozialwirtschaft eine nachhaltige und gesundheitsfördernde Personalentwicklung zu verankern. Diese muss sowohl die Potenziale der Beschäftigten stärker in den Blick nehmen als auch Strategien für eine langfristige Personalgewinnung entwickeln. Wenn künftig mehr ältere Menschen beschäftigt sein werden, wird sich dies auf die Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung auswirken. Die Anforderungen an diese verändern sich.
Hierauf müssen Arbeitgeber reagieren. Konzepte und innovative Ideen zur Lebensarbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung müssen entwickelt werden, um auch für Menschen im fortgeschrittenen Alter das Interesse an den Berufen in der Sozialwirtschaft zu erhöhen. Nur so kann die Beschäftigungsquote insgesamt auf einem hohen Niveau gehalten werden.
Darüber hinaus gilt es unter dem Gesichtspunkt der interkulturellen Ausrichtung der Dienste die Gewinnung von Mitarbeiter(inne)n mit Migrationshintergrund mit Konzepten des Diversity Management zu verbinden. Ebenso wird die Sozialwirtschaft sich zukünftig stärker anstrengen müssen, Mitarbeiter(innen) aus dem Personenkreis der Un- und Geringqualifizierten sowie benachteiligten Personengruppen zu gewinnen. Hier müssen spezielle Konzepte zur Weiterbildung erarbeitet und umgesetzt werden.
Ein Programm zur Stärkung der Personalentwicklung
Wie sieht nun das Programm konkret aus? Das Programm soll im Frühjahr 2009 in Kraft treten. Bei der BAGFW-Geschäftsstelle in Berlin ist eine Regiestelle eingerichtet. Diese hat ihre Arbeit am 1. Januar 2009 aufgenommen. Dort können Interessensbekundungen eingereicht werden. Eine gemeinsame Steuerungsgruppe aus Vertretern der sechs Spitzenverbände und des BMAS wird Förderempfehlungen für Projekte aussprechen, die dann beim Bundesverwaltungsamt beantragt und bewilligt werden können.
Im Rahmen der Richtlinie werden Vorhaben zur Personalentwicklung in der Sozialwirtschaft in folgenden Bereichen gefördert:
- berufsbegleitende Qualifizierung, Beratung und Coaching zur Verbesserung und Sicherstellung der Anpassungs- und Beschäftigungsfähigkeit insbesondere älterer Fach- und Führungskräfte; Qualifizierung von Personalverantwortlichen und Führungskräften zu Themen altersgerechter Personalentwicklung;
- die Entwicklung von Konzepten zur Einführung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen in Einrichtungen der Sozialwirtschaft. Ziel ist, die Verbleibdauer von Pflegekräften im Beruf zu erhöhen;
- Konzepte zur Sicherung und Gewinnung von qualifiziertem Fach- und Führungskräftenachwuchs, insbesondere auch von Personen mit Migrationshintergrund und aus dem Bereich benachteiligter junger Menschen;
- qualifizierende Unterstützung von Personalverantwortlichen und Führungskräften bei der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten der Personalgewinnung und Personalbindung angesichts des drohenden Fachkräftemangels; Qualifizierung von Führungskräften in Diversity Management;
- Qualifizierung von Personalverantwortlichen und Führungskräften in den Themen Bildungsbedarfsanalyse, Bildungsplanung und Bildungsberatung. Hier soll die Beteiligung am lebenslangen Lernen in Unternehmen, Diensten und Einrichtungen verbessert werden;
- Unterstützung und Qualifizierung von Frauen in Führungspositionen.
Wer und was wird gefördert?
Zuwendungsberechtigt sind alle freigemeinnützigen Träger, die einem der sechs Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland angehören, beziehungsweise von diesen spitzenverbandlich vertreten werden. Einzelpersonen können keine Zuwendung erhalten. Die Richtlinie gilt zielgebietsübergreifend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Projekte können für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren gefördert werden.
Zuwendungsfähige Kosten sind
- Personalkosten für Projektmitarbeiter(innen), Lehrpersonal und Teilnehmer(innen) an Weiterbildungen;
- Reise- und Aufenthaltskosten für Projektmitarbeiter(innen), Lehrpersonal und Teilnehmer(innen) an Weiterbildungen;
- projektbezogene Sachkosten wie Mieten, Unterrichtsmaterialien, Öffentlichkeitsarbeit;
- Verwaltungsgemeinkosten, also Kosten, die für die Verwaltung des Projektes entstehen, wie allgemeines Verwaltungspersonal, Telekommunikation und Porto, Raumkosten, Wirtschaftsprüfung. Verwaltungsgemeinkosten können mit einer Pauschale von bis zu sieben Prozent der Projektkosten (Gesamtkosten ohne Teilnehmereinkommen) angesetzt werden.
Personalkosten für Teilnehmer(innen) an Weiterbildungen (Lohnfortzahlung) können ausschließlich als Kofinanzierung anerkannt werden.
Die maximale Zuschusshöhe für Förderungen beträgt 75 Prozent, 25 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben sind vom Antragstellenden als Eigenmittel selbst aufzubringen.
Die Zuschusshöhe setzt sich in den alten Bundesländern und Berlin aus 50 Prozent ESF-Mitteln und 25 Prozent Bundesmitteln und in den neuen Bundesländern ohne Berlin sowie in der Region Lüneburg aus 75 Prozent ESF-Mitteln zusammen.