Jahressteuergesetz 2009 - Änderungen mit Konfliktstoff
Das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht soll europakonform1 werden. Eine Diskrepanz zu den europäischen Rechtsvorgaben wird nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Fall "Stauffer"2 insbesondere darin gesehen, dass ausländische gemeinnützige Organisationen in Deutschland nicht steuerbefreit sind und dass die Spenden an ausländische Organisationen auf Ebene des Spenders steuerlich nicht geltend gemacht werden können. Darüber hinaus können sich durch die Steuererleichterungen für gemeinnützige Körperschaften Probleme mit dem europäischen Beihilfe- und Wettbewerbsrecht ergeben.
Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2009 hat der deutsche Gesetzgeber nun versucht, europarechtliche Vorgaben teilweise in deutsches Recht umzusetzen. Zentrale Änderungen dieses Gesetzesvorhabens sind die Ausweitung der Körperschaftsteuerbefreiung auch auf ausländische gemeinnützige Körperschaften sowie die Übernahme des von der Finanzverwaltung bereits angewandten "strukturellen Inlandsbezugs" in die Abgabenordnung (AO): Im Referentenentwurf wird der Begriff der "Allgemeinheit" (§ 52 AO) - als "breiteste Zielgruppe" die notwendige Voraussetzung für gemeinnützige Aktivitäten - konkretisiert auf die Wohnbevölkerung Deutschlands. Bei einer Zweckverfolgung im Ausland - etwa im Rahmen der Entwicklungshilfe - wird ausdrücklich gefordert, dass die Tätigkeit der Körperschaft "in nicht nur unbedeutendem Umfang auch der Förderung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland im Ausland dient". Nicht umgesetzt wurde also eine Lösung, die ein "europäisches Gemeinwohl" zugrunde legt; hier hätte es ausgereicht, wenn eine Körperschaft ihre gemeinnützigen Zwecke im Gemeinschaftsgebiet verfolgt. Die Formulierung des Referentenentwurfs ist zu eng gefasst und wirft ganz erhebliche Fragen bei der Auslegung auf. Insbesondere bleibt offen, was konkret dem Ansehen Deutschlands im Ausland dient. Die Beantwortung dieser Frage kann wohl kaum der Weltanschauung einer Finanzverwaltung vor Ort überlassen bleiben. In dem am 18. Juni 2008 beschlossenen Regierungsentwurf wurde die Regelung durch das Streichen des Zusatzes "in nicht unbedeutendem Umfang" zwar bereits abgemildert, die nun gewählte Formulierung in § 51 AO führt aber nach wie vor zu wesentlichen Auslegungsfragen, so dass sie so nicht akzeptabel ist.
Durch eine Änderung von § 5 Abs. 2 Nr. 2 Körperschaftsteuergesetz soll ferner die bisher nur für inländische Organisationen geltende Körperschaftsteuerbefreiung auch auf ausländische gemeinnützige Körperschaften ausgeweitet werden. Erstaunlicherweise wird diese Ausweitung nicht auf Körperschaften mit Sitz im EU-Ausland beschränkt, sondern die Befreiung soll vielmehr für alle Organisationen weltweit gelten. Hier hat der Gesetzgeber wohl nicht ausreichend berücksichtigt, dass dies erhebliche Auswirkungen auf den Spendenabzug hat. In Verbindung mit § 52 AO werden nach dem vorliegenden Referentenentwurf3 alle Spenden an Körperschaften abzugsfähig, die die Bevölkerung Deutschlands oder das Auslandsimage der Bundesrepublik fördern - unabhängig davon, ob diese Organisationen ihren Sitz in Deutschland, in der EU oder in einem Drittland haben. Eine solche Ausweitung der Spendenabzugsfähigkeit geht weit über die europarechtlichen Anforderungen hinaus und wird die deutsche Finanzverwaltung, die das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach §§ 51 ff. AO prüfen muss, vor ganz erhebliche Probleme stellen. Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zusammenarbeitenden Spitzenverbände lehnen daher beide Änderungen in der vorliegenden Form ab.
Umsatzsteuerbefreiung nur für bestimmte Krankenhäuser
Eine weitere bedeutende Änderung betrifft die Neuausrichtung der Umsatzsteuerbefreiung für ambulante und stationäre Heilbehandlungsleistungen in § 4 Nr. 14 und 16 Umsatzsteuergesetz (UStG). Die geplanten Änderungen beziehen sich auf die Regelung des Artikels 132 Abs. 1b und c der Richtlinie 2006/112/EG und sollen die Entwicklungen im Bereich des Gesundheitswesens sowie der Finanzgerichtsbarkeit aufgreifen und die Umsatzsteuerbefreiung für ambulante und stationäre Heilbehandlungen in § 4 Nr. 14 UStG weiterentwickeln. Als umsatzsteuerbefreite Einrichtung anerkannt werden Einrichtungen des öffentlichen Rechts sowie die zugelassenen Krankenhäuser nach § 108 SGB V. Hierzu zählen Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt oder in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser) oder einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben.
Krankenhäuser, die nicht von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden und die nicht nach § 108 SGB V zugelassen sind, sind mit ihren in § 4 Nr. 14b UStG genannten Leistungen steuerpflichtig, also auch mit ihren in einer Vielzahl sonstiger Krankenhausleistungen eingebetteten ärztlichen Heilbehandlungsleistungen. Insoweit ergibt sich nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums kein Unterschied zu den Buchstaben b und c des bisherigen § 4 Nr. 16 UStG, bei denen die Nichterfüllung der dort benannten "Sozialkriterien" ebenfalls die Steuerpflicht ihrer Leistungen zur Folge hat. Im Regierungsentwurf ist die Regelung zwar in einigen wenigen Punkten ergänzt, die im Referentenentwurf gewählte Formulierung jedoch im Wesentlichen beibehalten.
Die in der BAGFW zusammenarbeitenden Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege begrüßen grundsätzlich die Überarbeitung der § 4 Nr. 14 und 16 UStG, die die Kompatibilität zwischen dem deutschen Umsatzsteuerrecht und den europäischen Rechtsvorgaben herstellen soll. Das Anknüpfen der Umsatzsteuerbefreiung an den Status als Plan- oder Vertragskrankenhaus ist jedoch der falsche Weg, da die Umsatzsteuerbefreiung der Heilbehandlungsleistungen eines Krankenhauses dann allein von der Bedarfsplanung der Bundesländer oder vom Verhandlungsgeschick mit den Krankenkassen und damit von Unwägbarkeiten abhängig ist. Vielmehr sollten die tätigkeitsbezogenen Definitionen eines Krankenhauses beziehungsweise einer Privatkrankenanstalt nach § 107 SGB V, § 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) sowie § 30 Gewerbeordnung (GewO) Ausgangspunkt für die Einbeziehung eines Krankenhauses in die Umsatzsteuerbefreiung sein.
Weitere Änderungen im neuen Jahressteuergesetz
Relevanz für die freie Wohlfahrtspflege hat das JStG 2009 auch durch seine Ausweitung der sogenannten Übungsleiterpauschale (§ 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz - EStG) und der sogenannten steuerfreien Aufwandspauschale (§ 3 Nr. 26a EStG) auf Tätigkeiten zugunsten juristischer Personen des öffentlichen Rechts - aber auch gemeinnütziger Körperschaften - mit Sitz im Ausland. Eine weitere Änderung betrifft die erstmalige Einführung eines Steuerfreibetrags von 500 Euro im Jahr für Leistungen des Arbeitgebers zur betrieblichen Gesundheitsförderung (§ 3 Nr. 34 EStG). Nennenswert ist auch die künftige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs für Schulgeld (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Als Ausgaben für Schulgeld sind danach nur noch höchstens 30 Prozent des Entgelts, maximal bis zum Höchstbetrag von 3000 Euro pro Jahr abzugsfähig. Im Referentenentwurf war noch vorgesehen, den Freibetrag bis 2010 stufenweise abzusenken und ab 2011 gänzlich abzuschaffen; im Regierungsentwurf wurde diese Regelung bereits wieder gestrichen.
Zum Referentenentwurf des JStG 2009 ist im CariNet4 eine Stellungnahme veröffentlicht. Die BAGFW wird auch das nun anstehende Gesetzgebungsverfahren kritisch begleiten.
Anmerkungen
1. Siehe neue caritas Hefte 2/2008, S. 20, und 12/2008, S. 16 ff.
2. EuGH vom 14. September 2006 - C 386/01 Fall "Stauffer".
3. Beziehungsweise § 51 Abs. 2 AO nach dem Regierungsentwurf.
4. Stellungnahme der BAGFW zum JStG 2009 vom 16. Mai 2008, veröffentlicht im CariNet unter Tool "Beiträge", Pfad: Caritas Deutschland, Unternehmerische Belange, Gemeinnützigkeitsrecht.