"Man braucht sehr viel Liebe für diese Arbeit"
1992, im Alter von einem Jahr, kam Arnela Memić mit ihrer Familie als Bürgerkriegsflüchtlinge nach Deutschland. Als sie 1999 wieder zurück mussten, war das zunächst ein Schock. Von dem hat sich Arnela aber bald erholt, hat Freunde gefunden und ist in Sarajevo heimisch geworden. Nur mit dem Beruf wollte es nicht klappen. „Ohne Beziehungen und Bestechungen geht hier gar nichts“, sagt sie. Für eine Stelle als Krankenschwester, die sie einmal in Aussicht hatte, sollte sie 7500 Euro bezahlen. Doch sie weigerte sich, einen Kredit aufzunehmen – wie viele andere es getan hätten.
Als sie dann von diesem neuen Abkommen zwischen Deutschland und Bosnien hörte, das es Pflegekräften unter bestimmten Umständen erlauben sollte, eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen, war es deshalb „wie ein Schicksalswink für mich“, erinnert sich Arnela. Ihre Bewerbung hat sie schon am nächsten Tag abgeschickt.
Wenn sie nun im Rahmen des Anwerbeprogramms der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) als Pflegekraft nach Deutschland kommt, sind ihre guten Sprachkenntnisse sicher von Vorteil. Sie freut sich auf die neue Herausforderung. "Ich wollte immer nach Deutschland gehen", sagt die 22-Jährige. Neben ihrer Arbeitskraft und ihrem fast perfekten Deutsch bringt sie auch etwas mit, das in den Vorbereitungskursen nicht zu lernen ist: "Man braucht sehr viel Liebe für diese Arbeit".
"Man darf nicht zu viele Erwartungen haben"
Arnela ist in einem Mädchenwohnheim im Münchner Stadtteil Schwabing untergebracht. Im Februar 2014 hat sie ihre Stelle im Caritas-Altenheim St. Gisela in Gräfeling angetreten.
Vier Wochen später schwirrt ihr der Kopf von all den Eindrücken: Die Bedienung von elektronischen Betten, der Umgang mit Netzstrumpfhosen und Einlagen. Einmal, erzählt sie, musste sie einem Bewohner ein Gebiss einsetzen. Ein erster Versuch von unten, dann von oben - es ging einfach nicht. "Alles war neu", sagt sie, "ich musste ständig nachfragen." Aber die Tage vergingen wie im Flug, und Arnela lernte schnell. Selbstbewusst und freundlich läuft sie inzwischen über die Station und nimmt sich dabei immer Zeit für ein kurzes Gespräch. Das freut auch die Bewohner: "Von Arnela geht so etwas Positives aus", sagen sie. Und: "Es ist eine Freude, wenn sie da ist".
Wir helfen hier ja auch, indem wir mit den Bewohnern reden, sagt die junge Frau, wenn sie wieder länger in einem der Zimmer war. Und dabei zählt es für sie nicht, ob einer bei vollem Bewusstsein ist oder nicht: "Wenn man einen dementen Menschen fragt, was Leben ist, was Liebe - dann kann er Dir Antworten geben", ist sie überzeugt.
Doch auch Arnela kennt einsame Stunden. An der Wand ihres Zimmers hängen Fotos der Freundinnen, und wenn sie nach der Arbeit auf ihrem Bett sitzt, denkt sie manchmal daran, wie sie früher jede freie Minute miteinander verbracht haben. "Hier ist es schon anders", sagt sie nachdenklich, "niemand hat Zeit." Und doch ist sie gerne wieder nach Deutschland zurückgekehrt von ihrem ersten Kurzurlaub in Sarajevo. Sie ist noch jung, Freunde werden sich finden, sagt sie sich. Jetzt muss sie erst einmal die Anerkennung als Pflegefachkraft schaffen, erst dann gibt es die dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Und in Deutschland bleiben will sie auf jeden Fall: "Es macht mir Freude hier zu sein".
Wir haben Arnela Memić und Jasminka Bajric auf ihrem Weg als Pflegemigrantinnen begleitet. In je zwei Videoporträts erzählen sie, wie es ihnen vor der Abreise und in den ersten Wochen in Deutschland erging.