Minderheiten in den Medien
Das Thema dieser Ausgabe ist die schleichende Verrohung von Sprache und Medien. Wie bewerten Sie dies als Angehöriger einer Minderheitengruppe?
Ich beobachte zwei Entwicklungen. Beide machen mir Sorgen. Da ist einerseits die Sprache, die Einzug in die Politik gefunden hat, seitdem die AfD in den Parlamenten sitzt. Ich hätte es vor zehn
Jahren nicht für möglich gehalten, dass jemand den Nationalsozialismus als "Vogelschiss" deklarieren und kleinreden würde.
Oder dass eine Gedenkstätte als "Mahnmal der Schande" bezeichnet würde. Hier findet eine Aufweichung des eigentlich Unsagbaren statt. Was das bewirkt, vor allem bei Menschen, die
einen direkten Bezug zum Holocaust haben, ist unvorstellbar hart. Viele Überlebende haben sich dazu geäußert und befürchten auch wieder das Schlimmste. Man hat also das Gefühl, dass jeder
einfach loslegen und sagen kann, was ihm gerade passend erscheint, ohne Rücksicht auf andere oder Verluste.
Andererseits sehe ich auch die Entwicklung, dass eine konträre Meinung oder eben ein Sprachgebrauch mit einer Vehemenz kritisiert wird, dass Menschen glauben, sie dürften nichts mehr
sagen, und sich deswegen ausgegrenzt fühlen. In Diskussionen werden alte Denkmuster und Sprache so hart angegangen, dass man tatsächlich einen beachtlichen Anteil an Menschen abschreckt. Auch das ist keinesfalls gut. Das ist weder demokratisch noch führt es dazu, dass Meinungsvielfalt entsteht und eine angemessene und wertschätzende Debattenkultur entsteht.
Sie sind Mitgründer gleich zweier Vereine und Initiativen, die sich für Sinti und Roma einsetzen, neue Narrative schaffen wollen. Ist der Bedarf in diesem Bereich so groß?
Ja! Unzählige Studien zeigen, dass ein bestimmtes Bild in den Köpfen vieler Menschen schwirrt, welches sie dazu bewegt, negativ über Sinti und Roma zu denken. Diese Assoziationen sind
meistens mit Vorurteilen behaftet, ohne dass ich diesen Menschen eine bewusste rassistische Grundhaltung unterstellen würde.
Wenn über Sinti und Roma berichtet wird, sehen wir immer viel Elend, Armut und Kriminalität oder etwas Befremdliches und Exotisches. Genau hier wollen wir ansetzen und Menschen dazu motivieren, sich mit dieser Denkweise auseinanderzusetzen, und andere Bilder schaffen.
Heißt das, die Darstellungen über Sinti und Roma in den Medien entsprechen nicht der Realität?
Doch, das tun sie, aber eben nur zum Teil. Kein Mensch würde behaupten, dass es diese diversen Probleme nicht gibt. Armut, Elend und damit einhergehend Kriminalität sind allerdings eine
gesamtgesellschaftliche Herausforderung und nicht an eine ethnische oder kulturelle Herkunft gebunden.
Was bewirkt diese Berichterstattung genau?
Sprache beeinflusst unser Denken und damit auch unser Handeln. Über 30 Prozent der Menschen in Deutschland wollen keine Sinti und Roma in der Nachbarschaft, mehr als die Hälfte
glaubt, dass diese zu Kriminalität neigen, und gleichzeitig geben mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie sich für dieses Thema eigentlich nicht interessieren. Hier kommen also latente
Grundeinstellungen, diffuse Ängste und Unwissenheit zusammen. Das ist fruchtbarer Boden und manifestiert die Stereotypen.
Wie wirken Sie mit RomAnity (www.romanity.de) und dem Studierendenverband diesem Missstand entgegen?
Mir ist wichtig, dass wir die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Themen wie Antiziganismus, Repräsentation, aber auch Geschichte fördern. Hier befindet sich die Forschung in den Kinderschuhen.
Darüber hinaus wollen wir durch Information und Austauschangebote sowie Sichtbarkeit neue Narrative erzeugen.
Damit alte Denkmuster durchbrochen werden können, braucht es neue Bilder. Und genau die wollen wir hervorheben. Sinti und Roma sind Nachbar(inne)n und Kolleg(inn)en, sind Teil der Gesellschaft,
Akademiker(innen), Kulturschaffende, Studierende und doch einfache Menschen. Natürlich, normal und nicht fremdartig oder furchterregend.