Der Tarifvertrag in der Altenpflege kommt nicht. Was nun?
Bedeutet die Ablehnung, dass die Pflegekräfte der Caritas gleichgültig sind? Und was passiert jetzt? Diese und weitere Fragen beantworten wir in dieser FAQ
- Was ist der „Tarifvertrag Altenhilfe” und was hat er mit der Caritas zu tun?
- Warum kam es zur Ablehnung?
- Der Caritas sind also Pflegekräfte, die nicht für sie arbeiten, egal?
- Wie geht es jetzt weiter?
- Wieviel verdienen Pflegekräfte bei der Caritas?
- Weitere Informationen zum Thema
Was bedeutet der „Tarifvertrag Altenpflege” und was hat er mit der Caritas zu tun?
Die Caritas hat ein eigenes Tarifwerk (AVR), das auch für die Altenpfleger_innen gilt. Die Vergütung liegt in der Regel über dem Branchendurchschnitt und oberhalb des Mindestlohns.
Einrichtungen anderer Träger sind, sofern sie keinen eigenen Tarif haben, an den Branchenmindestlohn gebunden. Zum 1. Februar 2021 haben sich der BVAP (Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche), einer von mehreren Pflegearbeitgeberverbänden in Deutschland, und die Gewerkschaft ver.di auf einen Tarifvertrag für die Beschäftigten der Altenpflege geeinigt. Er sieht eine höhere Vergütung als der Mindestlohn vor. Der BVAP und ver.di wollten diesen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich - das heißt, für alle 1,2 Million Beschäftigte in der Pflege gültig - erklären und den bisherigen Branchenmindestlohn ersetzen. Dafür ist laut Gesetz (das Arbeitnehmerentsendegesetz ist hier maßgebend) als ein wichtiger Schritt die Zustimmung der beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände notwendig. Dort arbeiten insgesamt 300.000 Menschen in der Pflege.
Wie bei allen Fragen, die das Arbeitsrecht und die Tarifbestimmungen betreffen, ist bei der Caritas die unabhängige Arbeitsrechtliche Kommission zuständig
Die 62-köpfige Bundeskommission der Arbeitsrechtlichen Kommission (31 Vertreter_innen der Arbeitgeber und 31 Vertreter_innen der Arbeitsnehmerseite der Caritas) hat den Antrag von BVAP und ver.di zur Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags Pflege in ihrer Sitzung am 25. Februar 2021 abgelehnt. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde nicht erreicht.
Warum kam es zur Ablehnung?
Die Sitzung der Arbeitsrechtlichen Kommission war nicht öffentlich und die Abstimmung über den Antrag von BVAP und ver.di war geheim. Deshalb ist nicht bekannt, wer wie abgestimmt hat.
Nach der Entscheidung sagte Norbert Altmann, Sprecher der Dienstgeberseite: „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir können aber weder in Detailfragen noch in grundsätzlichen Fragen diesem Tarifvertrag unsere Zustimmung erteilen.” Die Dienstgeberseite vermisst im Tarifvertrag eine betriebliche Altersvorsorge, passgenaue Arbeitszeitmodelle oder Überstundenzuschläge. (Mehr dazu in diesem Interview: Warum die Dienstgeber einen Einheitstarif ablehnen).
Zum anderen befürchtet sie, dass die Kostenträger (im Wesentlichen die Pflegekassen) sich künftig am Tarifvertrag Altenpflege als Norm orientieren und die Mehrkosten der Einrichtungen nicht mehr refinanzieren, die höhere Löhne zahlen. Das ist der Fall bei der Caritas, die Pflegerinnen und Pfleger höhere Löhne zahlt als der Branchendurchschnitt und als im Tarifvertrag von BVAP und ver.di vorgesehen ist.
Ein drittes Argument waren die möglichen Folgen für die Tarifbestimmungen der Caritas, die AVR. Die Caritas ist stolz auf ihr Tarifwerk. Dieser ist im kirchlichen Arbeitsrecht verankert und gewährleistet eine Tarifbindung für beinahe 700.000 Menschen. Die Arbeitsrechtliche Kommission sieht Einmischungen in die AVR, die ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag mit sich bringen würden, skeptisch.
Der Caritas sind also Pflegekräfte, die nicht für sie arbeiten, egal?
Der Deutsche Caritasverband setzt sich schon lange für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege ein - und zwar für alle. Nur so kann der Beruf attraktiv für junge Menschen sein und gute Pflege angeboten werden. Wir sind entschieden gegen Dumpinglöhne und Ausbeutung.
Wir sind sicher: Es gibt andere Wege als ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag, um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen in der Pflege zu erreichen.
Allerings hadern auch viele im Verband mit der Entscheidung der Kommission - und haben es so kundgetan. Siehe hier die Pressemitteilung der Arbeitnehmerseite innerhalb der Arbeitsrechtlichen Kommission und hier eine Pressemitteilung des Diözesancaritasverbandes Hildesheim.
Wie geht es jetzt weiter?
Ohne die Zustimmung beider kirchlichen Wohlfahrtsverbände können BVAP und ver.di die Allgemeinverbindlichkeit ihres Tarifvertrags beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht beantragen. Ihr Tarifvertrag wird nur für Mitglieder des BVAP Anwendung finden. Für Beschäftigte der Caritas gelten weiterhin die AVR. Für die Beschäftigten der Pflegebranche gilt weiterhin als Lohnuntergrenze der Branchenmindestlohn.
Wir sind der festen Überzeugung, dass Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Pflegekräfte verbessert werden müssen. Und dass dies nur im Rahmen einer umfassenden Reform des gesamten Pflegesystems geschehen kann. Diese muss dringend die Finanzierung der Pflegeversicherung in den Blick nehmen - und das wiederum setzt voraus, dass wir als Gesellschaft die Frage beantworten: Was ist uns gute Pflege wert? Auch die Absicherung von pflegenden Angehörigen, die Arbeitsbedingungen für sogenannte Live-In-Pflegekräfte, Fragen zum Personalschlüssel, eine Deckelung der Eigenanteile, die Pflegebedürftige und ihre Familien zahlen, gehören in eine solche Reform. Dafür machen wir uns schon lange stark und haben auch eigene Vorschläge eingebracht. Wir haben die berechtigte Hoffnung, dass sich hier bald politisch etwas tut.
Wieviel verdienen Pflegekräfte bei der Caritas?
In den etwa 1.800 Einrichtungen der stationären Altenhilfe und 1.000 ambulanten Diensten der Caritas sind insgesamt etwa 170.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
Eine Pflegehelferin im ersten Berufsjahr verdient bei der Caritas 2.365 € brutto im Monat, im fünften Berufsjahr 2.462 € und nach 15 Jahren 2.557 €. Eine Pflegefachkraft mit dreijähriger Ausbildung verdient brutto 2.880 € im ersten, 3.053 € im fünften und 3.590 € nach 15 Jahren.
In der Regel liegt die Bezahlung bei der Caritas über dem Branchendurchschnitt. Branchenvergleiche finden Sie zum Beispiel in diesem Artikel (siehe Grafik "Gehalt nach Träger") und in diesem Bericht.
Weitere Informationen zum Thema
- Statement von Caritas-Präsident Peter Neher zur Entscheidung
- Zum Pflegemindestlohn
- Zum Tarifvertrag Pflege
- Zu den Regelungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes
- Zum kirchlichen Arbeitsrecht
- Zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR)
- Die AVR sind für alle Mitarbeitende der Caritas hier zugänglich.
- Satzung des Deutschen Caritasverbandes (siehe § 9 Abs. 3)
- Über die Arbeitsrechtliche Kommission und ihre Mitglieder
- Faktenblätter der Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission
- Position des Deutschen Caritasverbandes zur Weiterentwicklung der Pflege
- Webseite der Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission
- Webseite der Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission