Sunday und Peter aus Hebertshausen
Ich komme aus Benin City, aus dem Süden von Nigeria. Geboren bin ich am 31. Dezember 1994. Ich besuchte in meiner Heimat eine allgemeinbildende Realschule. Mein Fluchtweg ging über die Türkei und Griechenland. In Athen habe ich in einer Großmetzgerei gearbeitet. Seit Juni 2013 bin ich in Deutschland und seit dem 12. Juli in der oberbayerischen Gemeinde Hebertshausen. Dort gab es einen Helferkreis, deren Koordinator Peter Barth mich von Anfang an unterstützte.
Ausbildung oder Schulabschluss?
Ich hatte das Glück einer von 16 Schülern im Landkreis Dachau zu sein, der im September 2013 die Berufsintegrationsklasse an der staatlichen Berufsschule, eine Klasse für Jugendliche Asylbewerber, besuchen durfte. Hier lernte ich Deutsch, Mathematik, Sozialkunde und Datenverarbeitung. Als Praktikant in einer Kfz-Werkstatt in Dachau lernte ich mein späteres Arbeitsumfeld kennen. Da ich mich in der Berufsschule etwas unterfordert fühlte, hielt mein Betreuer Peter Barth schon früh Ausschau nach einer Ausbildungsstätte. Er tat das aber in Zwiesprache mit meinen Lehrern. Er schrieb ihnen, dass er auf meinen Wunsch eine Lehrstelle gesucht hat und ich mich nach einer fünf-tägigen Probearbeit in einer Kfz-Werkstatt in Dachau für eine Ausbildung zum Autospengler oder Autolackierer entschieden hätte und die Firma mir voraussichtlich auch eine Lehrstelle anbieten würde. Theoretisch bestünde auch die Möglichkeit eine Lehre zum Mechatroniker zu machen.
Großer Zuspruch von Lehrerinnen und Lehrern
"Können wir es verantworten, dass Albert die Berufsschule in Dachau aufgibt. Das scheint mir die wichtigste Entscheidung", schrieb Peter Barth und bat meine Lehrerinnen und Lehrer um eine eindeutige Stellungnahme. Mein Betreuer Peter beteuerte wie wichtig er eine Schulbildung fand, erzählte ihnen aber auch, dass ich hoffte dadurch ein Jahr einsparen zu können. Die Chance in Deutschland bleiben zu können, würde durch die Ausbildung eher wahrscheinlicher. Er unterstrich in seinem Brief, dass die angeschriebenen Personen im Grunde die Entscheidung für mich treffen müssten, da mir die Entscheidungsgrundlagen dafür fehlten. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Ein Lehrer antwortete: "Albert ist sehr intelligent und hat gute Fortschritte gemacht. Er startet die Ausbildung ohne Abschluss, allerdings schlägt eine abgeschlossene Ausbildung den Schulabschluss. Autospengler ist ein guter Beruf, Lackierer auch. Unfallinstandsetzung ist ein wichtiger Beruf in der KFZ-Branche.
KFZ-Mechatroniker ist sehr anspruchsvoll. Ob er da jetzt schon in der Berufsschule mithalten kann, sprachlich und mathematisch, wage ich zu bezweifeln. Er ist sehr ehrgeizig und seine Forderung schnell voran zu kommen, hat er oft geäußert. Also muss er eben Taten folgen lassen."
Auch meine Deutschlehrerin nahm Stellung: "Albert hatte mit mir über das Thema ja vor den Ferien schon gesprochen. Faktum ist: Er ist hochintelligent, macht ohne Ende Fortschritte und schafft mehr Fortschritte in Deutsch im Selbststudium als in der Schule. Albert fühlt sich in der Schule eher gestoppt, als dass er das Gefühl hat, weiterzukommen. Da hat er auch recht, denn die Klasse ist sehr heterogen und für ihn heißt das immer wieder warten oder etwas zu wiederholen, was er schon lange sicher kann. Er hat mir vor den Ferien gesagt, dass wir ihn nach den Ferien in der Schule vermutlich nicht wiedersehen würden. Er will unbedingt eine Lehre machen und in den anderen Dingen selbst weiterkommen. Albert arbeitet hier extrem zielorientiert und genau und hat sich das alles sehr lange und gut überlegt. Ich denke, wir sollten ihn in seinem Tun bestärken, denn dies kann er auf dem Weg, den er unbedingt gehen will gut brauchen. Er sollte aber wirklich schauen, ob er nicht nebenbei den Hauptschulabschluss oder Quali schaffen kann. Albert hat das Zeug dazu! Aus der Spenglerei später weiterzukommen ist nicht ganz so einfach. Das geht beim Mechatroniker leichter, andererseits gibt es von letzterem deutlich mehr. In Deutschland wird zunehmend weniger repariert, in Afrika oder anderen Ländern ist beides ein super Zukunftsberuf. Bei uns ist in Zukunft vermutlich in den Bereichen E-Technik oder Materialentwicklung im Kfz-Bereich mehr zu erreichen, aber hierzu braucht man schon fast ein Studium und dieser Weg wäre für Albert noch zu weit. Ich denke aber, wenn jemand etwas unbedingt will, sollte er es machen. Das Wollen ist bei Albert schon lange gegeben, also sollte er doch mit dem Tun nun loslegen. Ich kann ihm hierzu nur alles Glück wünschen."
Ein dritter Lehrer betonte: "Ich bin auch immer der Meinung, dass eine Ausbildung das Beste ist, was unseren Schülern passieren kann. Deshalb bin ich auch dafür. Er braucht aber unbedingt in der Anfangsphase Unterstützung, so dass er nicht in der Berufsschule sehr schnell demotiviert wird. Er wird bei seinen jetzigen Deutschkenntnissen mindestens im ersten Ausbildungsjahr, wenn nicht bis zum Ende der Ausbildung, größere Schwierigkeiten haben mitzukommen. Deshalb wird er zum Verstehen des Stoffes unbedingt eine Art Nachhilfe benötigen. Wichtig für ihn ist, dass er in der Berufsschule nicht, wie in allen anderen Schulen, durchfallen kann. Es zählt für das Bestehen nur die Abschlussprüfung. Aber ich glaube, dass er in der Anfangszeit den einen oder anderen Misserfolg im normalen Berufsschulunterricht haben wird und auch dabei eine Unterstützung brauchen wird. Zur Ausbildung selber: Zum jetzigen Zeitpunkt: Unbedingt Spengler, noch nicht KFZ-Mechatroniker, da dies deutlich anspruchsvoller wäre und das Risiko des Nicht-Bewältigens viel zu groß ist, auch wenn der Ausbildungsberuf KFZ-Mechatroniker als höherwertig angesehen werden kann. Also zunächst Lackierer, wenn er gegen Ende richtig gut werden würde, hätte er sogar die Möglichkeit automatisch einen Mittleren Schulabschluss zu erlangen, aber bis dahin muss er einfach besser in Deutsch werden."
Ich entschied mich für eine Ausbildung
So entschied ich mich für die Spenglerausbildung mit einer 3,5-jährigen Lehrzeit.
Am 24. September 2014 sandte Peter der Auslandebehörde den Antrag auf Genehmigung einer Ausbildung bei Edwin Müller, Karosserie- und Lackexperte in Dachau. Sie wurde mir recht zügig erteilt. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch im Asylverfahren mit einer Aufenthaltsgestattung. Meinem Arbeitgeber meldete ich meine Bankdaten, den Mitgliedsnachweis bei der Krankenkasse, Rentenversicherungsnummer und Steueridentifikationsnummer. Ganz schön viel Bürokratie, wie das eben in Deutschland üblich ist.
Ich informierte mich bei Peter über die Möglichkeit, einen Führerschein zu machen. Ich hatte gemerkt, dass bei der Arbeitssuche die Chancen auf dem Arbeitsmarkt besser sind, wenn man einen Führerschein besitzt. Auch wer eine Ausbildung macht, braucht manchmal einen Führerschein Ich wurde aber schnell daran erinnert, immer noch ein "Asylbewerber" zu sein. Im September 2014 galt noch die Regelung: Als "Asylbewerber" ohne Papiere kannst du keinen Führerschein in Deutschland machen. Ich verfügte zwar über eine Geburtsurkunde, aber über keinen nigerianischen Personalausweis oder Pass. Ich konnte den Betrieb von der Asylunterkunft aus allerdings auch mit dem Fahrrad erreichen. Ein Fahrrad welches ich von Rosi Ostermeier erhielt, und das in der Reparaturwerkstatt des Helferkreises gewartet wurde. Mittwoch, der 1. Oktober 2014, war mein erster Arbeitstag. Die Berufsschule im ersten Jahr konnte ich in Dachau besuchen.
Neben der Ausbildung lernte ich Deutsch
Noch im Oktober 2014 absolvierte ich an der Volkshochschule (VHS) einen Einstufungstest. Er lag beim schriftlichen Ergebnis beim Übergang von Niveau A2.1 zu A2.2. Ich wurde aber nachträglich höher eingestuft. Ich sollte ab Anfang November 2014 einen Abendkurs auf Niveau A2.1 besuchen und bekam die Zusage, auch eine Anschlussbuchung für Niveau A2.2 zu erhalten, kostenlos. Der Kurs fand dienstags, mittwochs und donnerstags von 18.00 bis 21.30 Uhr statt. Den Nachfolgekurs habe ich selber bezahlt. Am 17.7.2015 habe ich die Prüfung "Leben in Deutschland" und eine Prüfung "Deutsch Test für Zuwanderer" gemacht und hierfür insgesamt 155,00 Euro bezahlt. Der Helferkreis Asyl hat mich hierbei finanziell mit 100 Euro unterstütz. Seit dem Sommer 2015 traf ich mich mit dem pensionierte Dipl.-Ing. Wolfgang Hensle aus Schwabhausen. Auch dieser Lehrer wurde durch den Helferkreis gesucht und gefunden. Er gab mir die ganze Ausbildungszeit Nachhilfe für meinen Berufsschulstoff. Der etwas strenge, sehr gebildete Herr, betonte nach einiger Zeit: "Wir streben eine Abschlussnote zwischen zwei und drei an." Auch Frau Isolde Grossert aus dem Helferkreis Asyl unterstütze mich. Sie besuchte im Februar 2016 den Elternabend an der Städtischen Berufsschule für Fahrzeug- und Luftfahrttechnik in München, wie dies auch mein Betreuer bereits in 2015 getan hatte.
Mein wichtigster Termin
Im zweiten Lehrjahr wurde ich im Betrieb stark in Anspruch genommen und hatte auch lange Arbeitszeiten, sodass ich es gar nicht mehr schaffte rechtzeitig bei einem Deutschkurs anwesend zu sein. Man darf nicht aus dem Auge verlieren, dass ich ja immer noch ein Asylbewerber war. Das machte mir schon auch zu schaffen. Peter wies daraufhin, dass ich höchstwahrscheinlich auch nach einem abgelehnten Asylantrag in den Genuss der sogenannten "Drei-plus-Zwei-Regelung" kommen würde. Der Bundestag hatte 2016 den Rechtsanspruch auf eine sogenannte "Ausbildungsduldung" im Aufenthaltsgesetz verankert. Aber in der Zeit zwischen 2013 und Anfang 2017 tat sich bei mir in Sachen Asylverfahren nichts. Ende Februar 2017 wurde meine Aufenthaltsgestattung erneut, wie auch bisher, für sechs Monate verlängert. Allerdings wurde mir damals eine "Belehrung über die allgemeinen Mitwirkungspflichten im Asylverfahren" nach Paragraph 15 Asylgesetz ausgehändigt. Ich sollte dieses Formular unterschreiben. Nach fast vier Jahren, Anfang März 2017, hatte ich meine Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das ist im Asylverfahren der wichtigste Termin. Bereits einen Monat später verhängte das BAMF einen ablehnenden Bescheid. Ich entschied keine Klage einzureichen, sondern eine Ausbildungsduldung nach Paragraph 60 a Absatz 2 Satz 4ff. Aufenthaltsgesetz zu beantragen, um in den Genuss der "Drei-plus-Zwei-Regelung" zu kommen. Dort im gesetz heißt es: "Eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe (…) ist zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat (…)". Am 31.08.2017 wurde mir meine Aufenthaltsgestattung entzogen und durch eine Duldung ersetzt.
Festanstellung, Führerschein und ein eigenes Zimmer
Die Abschlussprüfung als Autospengler bestand ich im Februar 2018. Mein Lehrbetrieb hatte bereits im Vorfeld eine Übernahme und Anstellung als Jung-Geselle signalisiert. Damit hatte ich meine Ausbildung geschafft und einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Somit war das Hauptziel bereits erreicht. Damit auch der zweite Teil der "Drei-plus-Zwei-Regelung" zum Tragen kommen konnte, beantragte ich eine Aufenthaltserlaubnis gemäß Paragraph 18a Absatz 1a Aufenthaltsgesetz. Ich wurde erneut aufgefordert einen gültigen Nationalpass und einen Weiterbeschäftigungsvertrag vorzulegen. Im September 2018 bekam ich dann eine Aufenthaltserlaubnis - erst mal gültig bis 2020. Inzwischen bemühte ich mich, einen Nationalpass zu bekommen. Eine große Bedeutung spielte für mich auch der Wunsch nach einer eigenen Wohnung und das Machen eines Führerscheins. Ich machte einen Sehtest und einen ersten Hilfekurs und meldete mich bei einer Fahrschule an. Das gesparte Geld reichte noch nicht ganz. Mein Arbeitgeber beteiligte sich mit einem Beitrag zur Finanzierung meines Führerscheins. Ein anderer sehnlicher Wunsch, ein eigenes Zimmer zu finden gelang ebenfalls. Die Tochter eines Helferehepaares hatte ein Haus. Im August 2018 konnte ich einen Antrag auf private Wohnsitznahme stellen - mit meiner Duldung ist ein Auszug aus der Asylunterkunft immer noch genehmigungspflichtig. Im Oktober bezog ich dann mein eigenes Zimmer in einer Wohngemeinschaft in Dachau und fühle mich wie im Paradies.
Meine Zukunftspläne
Im Sommer 2019 fliege ich nach Nigeria. Ich werde meine Familie nach sechs Jahren wiedersehen. Wie soll es nun weitergehen? Ich möchte dauerhaft in Deutschland bleiben. Die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung nach Paragraph 18 Aufenthaltsgesetz habe ich erfüllt. Ich bin guter Hoffnung, dass alles ein gutes Ende nimmt.
Den Text habe ich gemeinsam mit meinen Betreuer Peter Barth erstellt.
Autor: Sunday Albert O.