Kinderkliniken rechnen sich schlicht nicht
Die Kinderkrankenpflege in Deutschland ist aktuell an einem kritischen Punkt. Wie sieht derzeit die Lage aus?
Alle Mitarbeitenden im Gesundheitswesen, die niedergelassenen Kinderärzt:innen ebenso wie das Pflegepersonal und die Ärztinnen und Ärzte in den Kinderkliniken sind durch die hohen Patientenzahlen enorm belastet. Aktuelle Keime sind hauptsächlich das RS-Virus sowie zunehmend auch Influenza A, also ein Grippe-Virus. Dadurch entstehen lange Wartezeiten.
Wie stark betroffen ist Ihre Abteilung?
Wir nehmen pro Tag mindestens fünf Patient:innen mit akuten Atemwegserkrankungen in die Kinderklinik auf, die intensivmedizinisch versorgt werden müssen. Meist handelt es sich um Säuglinge und junge Kleinkinder. Natürlich läuft der übliche Betrieb mit Aufnahmen auf der Normalstation weiter. Das bedeutet eine sehr hohe Auslastung der verfügbaren Betten. Bisher konnten wir in unserer Kinderklinik alle Patient:innen noch vor Ort behandeln. Dies ist dem großen persönlichen Einsatz unserer Pflegekräfte und Ärzt:innen zu verdanken.
Ist dieser Engpass nur dem aktuellen RS-Virus geschuldet?
Nein, diese Entwicklung zeichnet sich bereits seit Jahren ab. Ein Problem dahinter ist die Unterfinanzierung von Kinderkliniken in Deutschland. Jedes Jahr in den Herbst- und Wintermonaten sind Kinderarztpraxen und Kinderkliniken überfüllt. Auch sonst kommen Kinder selten zu geplanten Behandlungen ins Krankenhaus, sondern meist als ungeplante Notfälle. Das ist wirtschaftlich schwer zu kalkulieren, zumal die Vorhaltung von medizinischen Geräten und Personal rund um die Uhr nicht ausreichend finanziert wird. Das an Erwachsenen orientierte DRG-System passt nicht auf diese Situation, das heißt, Kinderkliniken rechnen sich schlicht nicht. Immer mehr müssen daher schließen oder bauen zumindest Betten ab und damit auch das Fachpersonal.
Kinderkrankenpfleger:in war für viele junge Menschen ein attraktiver Beruf. Warum gibt es dann in diesem Bereich so wenig Pflegepersonal?
Mit dem Bettenabbau in der Kinder- und Jugendmedizin wurde auch immer weniger qualifiziertes Personal ausgebildet und beschäftigt. Dieses Personal fehlt jetzt. Die im Jahr 2020 eingeführte generalistische Pflegeausbildung führt außerdem dazu, dass überwiegend für die Erwachsenenpflege ausgebildet wird. Eine mögliche Aufteilung der Klassen im dritten Ausbildungsjahr in Kinderkrankenpflege, Altenpflege und Krankenpflege ist schon allein wegen der fehlenden Lehrkräfte für die Pflegefachschulen nicht zu leisten. Nur noch wenige Pflegefachschulen bieten daher die Spezialisierung zur Kinderpflegefachkraft an.
Helfen die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, langfristig die Situation in den Kinderkliniken zu verbessern?
Kurzfristig nein: Der Vorschlag, Pflegekräfte von anderen Stationen für die Kinderstationen abzuziehen, verkennt die Situation. In allen Fachbereichen mangelt es an Pflegefachkräften, es gibt keine Station, die Pflegekräfte einfach abgeben könnte. Bei der Pflege von Kindern muss außerdem klar sein, dass sie keine kleinen Erwachsenen sind und fachpflegerische Kenntnisse vorhanden sein müssen. Langfristig eventuell ein wenig: In dem aktuellen Entwurf ist vorgesehen, dass für die Kinderkliniken - neben der weiteren Finanzierung über die Fallpauschalen - zusätzlich eine Vorhaltepauschale gezahlt wird. Wenn der Betrag auskömmlich ist, besteht die Hoffnung, dass die chronische Unterfinanzierung der Kinderkliniken etwas abgemildert wird. Unsere Kinder und die Mitarbeitenden sollten uns das wert sein.
Was braucht es in Ihren Augen für die Zukunft für eine leistungsfähige und gute Kinderkrankenpflege?
Als Erstes braucht es ein klares Bekenntnis und eine ausreichende Finanzierung für die Kinder- und Jugendmedizin im Krankenhaus. Die generalistische Ausbildung benötigt für die Kinderkrankenpflege eine Reform. Auszubildende der Erwachsenenpflege sollen sich auf die Pflege von Erwachsenen konzentrieren und deren Einsatz in der Kinderklinik muss abgeschafft werden. Dafür muss die Spezialisierung in der Kinderkrankenpflege früher und gezielter beginnen. Am allerwichtigsten ist es aber, junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern.
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