Taugt die „Sozialcourage“, um Ehrenamtliche zu binden?
Wer als Träger einer Einrichtung oder von sozialen Angeboten Sorge hat, ob er mit dem vorhandenen hauptberuflichen Personal seine Leistungen auch in den nächsten Jahren noch erbringen kann, ist nicht allein. Das liegt an verschiedenen Umständen: der nicht ganz leichten Werbung um Nachwuchs für die sozialen Berufe ebenso wie der zunehmenden Neigung öffentlicher Kassen, statt Regelangeboten lieber kurzläufige Projekte zu finanzieren. Viele Caritasträger haben sich daher schon lange auch auf ehrenamtliches Engagement gestützt, um vom Berufsimage und den Budgetzwängen unabhängig Ressourcen und Engagement für ihre Angebote zu erschließen. Das schafft etwas Luft. Aber auch hier sind Grenzen erkennbar: im heute eher zeitlich begrenzten Einsatz, im Engagement erschwerenden Mobilitätsdruck, der auf den berufstätigen Generationen lastet, und im Altersschnitt der eigenen Engagierten.
Was tun also, damit die Engagierten und Ehrenamtlichen bleiben und damit möglichst auch Neue das Engagement mittragen? Die Caritas hat wie andere Akteure der freien Wohlfahrt einen Köcher der Gratifikationen, aus dem man sich vor Ort je nach Bedarf und Kassenlage bedient: Dankveranstaltungen und Fortbildungen sind verbreitet, Versicherungen im Engagement und Auslagenersatz sollten es auch sein. Ein seit 1996 bestehendes Angebot ist die Zeitschrift „Sozialcourage“, die den eigenen Engagierten als vierteljährlich erscheinendes Magazin kostenlos zugestellt wird: als ein gedrucktes „Dankeschön“, das gleichzeitig erlaubt, deren Adressdaten zu prüfen und im Falle von Post-Rückläufern gegebenenfalls zu aktualisieren. Zahlreiche Verbände nutzen zudem die Möglichkeit, das Heft mit lokalen und regionalen Informationen zu ergänzen.
Ehrenamtsstudie gibt Hinweise
Als der Deutsche Caritasverband (DCV) 2017 in einer neuen Ehrenamtsstudie bundesweit Zahlen und Fakten zum ehrenamtlichen Engagement erhob, nutzte die Sozialcourage-Redaktion die Gelegenheit, Einsatz und Effekt des Magazins hinsichtlich des Investments ins Ehrenamt bei den befragten Entscheiderstrukturen zu prüfen: bei hauptamtlich Mitarbeitenden von Einrichtungen und Diensten sowie bei Rechtsträgern. Beide Zielgruppen der Befragung waren jeweils in einer 20-Prozent-Stichprobe auf Basis der DCV-Zentralstatistik festgelegt worden. Ebenso befragt wurden Verantwortliche im Bereich ehrenamtliche Dienste sämtlicher Orts- und Kreisverbände beziehungsweise Caritas-Regionen (siehe neue caritas Heft 3/2019, S. 9 ff.).
Die Ansprechpartner der Einrichtungen und Dienste wurden gefragt, ob sie 2016 den in der Einrichtung oder dem Dienst tätigen Ehrenamtlichen die Zeitschrift „Sozialcourage“ zur Verfügung gestellt hatten. 38 Prozent bejahten dies. Bei den Rechtsträgern betraf die Frage die in den Organen des Rechtsträgers tätigen Ehrenamtlichen. Die Antwort war mit 39 Prozent nahezu identisch.
Auf die Frage an die Orts- und Kreisverbandsebene, ob sie die Zeitschrift „Sozialcourage“ Ehrenamtlichen in caritativen Initiativen zur Verfügung stellte, antworteten 69 Prozent mit Ja. Die hohe Zahl relativiert sich aber, denn entgegen dem Ziel der Vollerhebung beteiligte sich knapp die Hälfte der Befragten nicht – darunter einige der Diözesan-Caritasverbände (DiCV), die auf eigenen Wunsch regelmäßig mit „Sozialcourage“-Heften beliefert werden: so beispielsweise DiCV X, in dessen Gebiet sich nur zwei von sieben örtlichen Verbänden an der Umfrage beteiligten, oder DiCV Y, bei dem nur neun von 23 örtlichen Verbänden in dieser Studie Auskunft gaben.
Wichtiger als die durch Vertriebszahlen bekannte bundesweite Verteilung der „Sozialcourage“ an die teilnehmenden DiCV war jedoch die Frage in der Studie, wie man Weitergabe und Wirkung dieser Zeitschrift einschätzt. Ein Drittel (34 Prozent) derjenigen Einrichtungen und Dienste, die die Zeitschrift ihren Ehrenamtlichen zur Verfügung stellen, sahen sie als geeignetes Bindungsinstrument an, um ihre ehrenamtlich Mitarbeitenden für eine längere Zeit zu motivieren und zu halten. In der Perspektive von Stadt-, Kreis- und Regional-Caritasverbänden, die das Magazin Ehrenamtlichen zur Verfügung stellen, stieg die positive Wirkungseinschätzung sogar auf 51 Prozent. Positive Bindungseffekte meldete auch die Befragtengruppe der Rechtsträger mit 41 Prozent.
Identifikations- und Inspirationsquelle für Ehrenamtliche
Was lässt sich aus den Zahlen ablesen? Ergebnis eins wäre, dass örtliche Caritasstrukturen eigentlich gute Erfahrungen machen mit der gezielten Weitergabe von „Sozialcourage“ zur Motivation und Bindung Ehrenamtlicher. Aber nicht alle örtlichen Strukturen setzen bisher „Sozialcourage“ ein.
Ergebnis zwei: „Sozialcourage“ wird per se nicht für die ehrenamtlichen Vorstände gemacht, an die die Rechtsträger das je druckfrische Heft in größeren Stückzahlen weiterreichen. Aber das Heft hilft durch die Art seiner Beiträge, durch seine ermutigenden Beispielgeschichten auch den Rechtsträgern dabei, Ehrenamtliche zu motivieren und an sich zu binden – auch wenn diese nicht alle dezidiert in ihren Ämtern und Funktionen angesprochen werden können.
Als drittes Ergebnis ist festzuhalten: Ein Drittel der anfänglich angesprochenen Einrichtungen und Dienste schied aus der Befragung sofort aus, weil sie nach eigener Einschätzung nicht mit Ehrenamtlichen arbeiteten. Bei den übrigen zwei Dritteln, bei denen Ehrenamtliche tätig sind, profitiert auch die Einrichtung oder der Dienst durch eine Weitergabe von „Sozialcourage“, wenngleich die Wirkung durch die Hauptamtlichen mit den oben genannten 34 Prozent hier für geringer gehalten wird als auf der Orts- und Kreisverbandsebene. Dienste und Einrichtungen unterscheiden sich stark, auch in der Frage, welchen Nutzen die Ehrenamtlichen-Arbeit bringt: von den Migrationsdiensten, die rein zahlenmäßig auf freiwillig Engagierte angewiesen sind, bis zu den Kindertageseinrichtungen, in denen Ehrenamtliche prozentual sehr geringe Arbeitsvolumen erbringen. Die können ungeachtet der nackten Zahlen dennoch wichtig sein, wie zum Beispiel bei der unersetzbaren Mitwirkung an einem höchst öffentlichkeitswirksamen Sommerfest. Die Schwierigkeit, Wirksamkeit objektiv zu erfassen, lässt sich an diesem Beispiel wohl gut ablesen.
Noch jede Menge Potenzial
Für die jüngste Ausgabe des Magazins (siehe Foto) wurden im Februar dieses Jahres 142.000 Exemplare gedruckt. Davon wird ziemlich genau die Hälfte per Einzelversand an die Adressen ehrenamtlich Engagierter geschickt. Die andere Hälfte wird von Caritasverbänden örtlich verteilt. Vergleicht man die Zahl der 71.000 direkten Dankeschön- Empfänger(innen) per Sozialcourage mit jener der „mehreren Hunderttausend Ehrenamtlichen“ laut neuer Studie, stellen sich Fragen, wie bekannt und verbreitet das Angebot des Ehrenamtlichen-Magazins „Sozialcourage“ tatsächlich ist beziehungsweise sein könnte.
Es ist allen, die sich für die Caritas engagieren, zu wünschen, dass Wertschätzung und Anerkennung für sie spürbar werden. Ob in Form des zugesandten Magazins oder aber des bekannten Blumenstraußes – der im Wert auf dem Niveau der viermal jährlich zugesandten „Sozialcourage“ mit Informationen vom jeweiligen Diözesan-Caritasverband liegt – oder in Form einer jährlichen Einladung zum Brunch mit dem Bischof, das bleibt den hauptberuflich Verantwortlichen und Ehrenamtskoordinator(inn)en überlassen. Mit Blick auf die Gegenwart und die absehbare Zukunft der Caritas sind dies lohnende und gerechtfertigte Kosten.
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