Ein Weg aus dem Dilemma_Kriterien für gute Beratung
Die Mitarbeitenden in den Stellen der Allgemeinen Sozialberatung (ASB) bekommen täglich Anfragen von Menschen, die ihre Stromrechnung nicht zahlen können, eine neue Waschmaschine oder anderes Mobiliar brauchen und deren gesundheitliche Versorgung nicht sichergestellt ist. Häufig werden auch von Jobcentern oder Ehrenamtlichen, die sich mit der Situation überfordert fühlen, Menschen in existenziellen Nöten zur Allgemeinen Sozialberatung geschickt oder einfach nur zur Caritas.
Viele Fragen bleiben dabei ungeklärt: Wer entscheidet darüber, wer in Not und bedürftig ist? Wie kann diesen unterschiedlichen Nöten begegnet werden? Wer bekommt finanzielle Mittel aus Stiftungen oder Sammlungen? Wie wird ausgewählt, wer die Zeit verdient, die ein solcher Antrag bei einer Stiftung benötigt? Wie hoch sollte die finanzielle Soforthilfe sein, und darf jeder nur einmal kommen? Werden Menschen, die vom Jobcenter geschickt werden, weil diese Sanktionen verhängt haben oder kein Darlehen mehr vergeben wollen, wieder zurückverwiesen?
Die Mitarbeitenden in der Allgemeinen Sozialberatung im Erzbistum Köln haben einen Kriterienkatalog zur Orientierung für Professionelle und Ehrenamtliche entwickelt, der von der Bundesfachkonferenz Besondere Lebenslagen und Armutsfragen/Teilkonferenz Allgemeine Sozialberatung unterstützt und den Beratungsstellen zur Anwendung empfohlen wird.1 Die Kriterien sollen helfen, aus dem Bermudadreieck der Barmherzigkeit, des Ausfallbürgens für den Staat und sozialer Ungerechtigkeit herauszukommen und für mehr Transparenz zu sorgen.
Sie berücksichtigen außerdem den Kontext des armutssensiblen Handelns, dem die Haltung zugrunde liegt, Menschen in Notsituationen zu unterstützen und ihnen zu helfen, zukünftig ihr Leben selbstständig und eigenverantwortlich zu gestalten. Dies bedeutet, den Menschen nicht ihre Anliegen abzunehmen und diese für sie zu erledigen, sondern individuelle Schritte und Wege aufzuzeigen und Selbstständigkeit zu fördern. Wenn Formulare nicht verstanden werden, führt
das zum Beispiel dazu, dass die Berater(innen) die Klient(inn)en beim Ausfüllen schulen.
Den Nachfragenden zu verdeutlichen, dass sie Rechtsansprüche haben und diese mit ihnen durchzusetzen, vermittelt Wertschätzung und Respekt. Der häufig schambesetzten Situation, Hilfe annehmen zu müssen, Scheitern einzugestehen und sich in eine Bittstellerposition zu begeben, kann so begegnet werden. Die folgenden Kriterien sind deshalb grundlegend und bei jeder Anfrage zu berücksichtigen:
Beratungsgespräch führen
Das Gespräch dient der Abklärung: Sind alle sozialrechtlichen Ansprüche beantragt und in der richtigen Höhe gezahlt? Sind alle weiteren Problematiken (zum Beispiel Schulden, Lebenskrise, Scheidung, Pflege, Verlust des Arbeitsplatzes oder Gewalt), die der Entwicklung einer Lebensperspektive im Weg stehen, berücksichtigt?
Wille zur Veränderung und Klärung
Die weitere Existenzsicherung ist grundsätzlich zu regeln, und dies ist Voraussetzung für eine finanzielle Unterstützung. Zahlungen, die lediglich dazu führen, dass eine Notsituation entschärft wird, andere Problematiken aber nicht berührt werden, sind nicht zielführend, sondern führen zu Abhängigkeiten vom Hilfesystem.
Finanzielle Unterstützungen sind Nothilfen und nur zur Überbrückung
Notlagen sind vielfältig, immer individuell und sollen auch so wahrgenommen werden. Nothilfen zu gewähren, ist an besondere Umstände geknüpft: etwa an einen drohenden Wohnungsverlust, an Nichtzahlungen des Jobcenters, des Arbeitgebers oder die Ablehnung anderer Ansprüche, die nicht durch Darlehen der Behörden abgedeckt werden können. Auch persönliche Umstände wie Scheidung, Tod eines Partners oder Erkrankungen können im Einzelfall zu materieller Unterstützung führen, die auch mehrfach geleistet werden kann.
Auch wenn es schwierig ist, Hilfegesuche für eine Reise zu den Eltern, für eine Beerdigung oder eine Therapie für ein Kind in den USA abzulehnen, so ist auch hier zu klären, welche gesetzlichen Ansprüche vorliegen und weshalb die Krankenkasse oder andere Stellen den Antrag abgelehnt haben.
Hilfen für Menschen ohne laufende Ansprüche
Gesetze und gesetzliche Vorschriften lassen Anspruchslücken zu, die zu Notsituationen führen, wie zum Beispiel bei Bafög-Empfänger(inne)n, im Übergang vom Studium in den Beruf oder vom Beruf in die Rente. Hier kann durch einmalige Hilfen die Situation entspannt und damit Freiräume für weitere Schritte zur Selbstständigkeit geschaffen werden.
Anmerkung
1. Der Kriterienkatalog ist über die Autorin
Michaela Hofmann erhältlich.
Pflegekinderdienste ermöglichen ein sicheres Zuhause
„Vergessene“ frühere Heimkinder in der Behindertenhilfe
Verpflichtende Energieaudits für alle Unternehmen?
Mehr Menschlichkeit!
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