Prozessorientierte Behindertenhilfe fördert Teilhabe
Die Behindertenhilfe des St. Josefshauses Herten gliedert sich in die Kernbereiche Lernen, Wohnen und Arbeiten - dabei deckt die Großeinrichtung 80 Prozent des Wohnbedarfs der Menschen mit Behinderung im Landkreis Lörrach ab. Betreutes Wohnen, Eingliederung und Normalisierung sind stark wachsende Bereiche. Angesichts des aktuellen Paradigmenwechsels in der Behindertenhilfe - hin zu Selbstbestimmung und Teilhabe, Integration und Normalisierung - sowie einer wachsenden Zahl älterer Menschen mit Behinderung sind innovative Wohnformen und Angebote gefragt.
Um die Entwicklung von Lebensperspektiven und Teilhabe effizient zu gestalten, initiierte das Management des St. Josefshauses im Februar 2008 ein Veränderungsprojekt unter dem Arbeitstitel "Fit für die Zukunft" im Bereich Wohnen.
Mitarbeitende wissen, wo Potenziale liegen
Circa 30 Mitarbeitende analysierten in drei Projektteams die Kernprozesse verschiedener Wohnbereiche. Sie tauschten Erfahrungen aus, diskutierten und generierten Vorschläge, um die Abläufe zu optimieren. In anderthalb Monaten begründeten sie fast 200 Verbesserungsmöglichkeiten, von denen 170 binnen weniger Wochen zu kleinen und großen Resultaten im gesamten St. Josefshaus geführt haben. In der Folge kamen über 100 weitere Mitarbeiter(innen) ins Projekt, wobei Kleingruppen die verabschiedeten Maßnahmen engagiert umsetzten. Bezüge zu zahlreichen internen Dienstleistern - beispielsweise Gesundheitsdienst, Hauswirtschaft oder Verwaltung - wurden in Schnittstellen-Workshops übergreifend neu organisiert.
Von der Wohngruppe zum eigenverantwortlichen Team
Die Wohngruppenleiter(innen) entwickelten Ideen für mehr Handlungsspielraum und Entscheidungskompetenz, zu ausgedehnterer Personalverantwortung, zur Einführung von Vertrauensarbeitszeit. Mittlerweile setzt sich eine Organisationsstruktur durch, die auf Teams in der Größe von zwei bis vier ursprünglichen Wohngruppen beruht; anstelle der früheren 69 Gruppenleiter(innen) gibt es in der Teamstruktur 26 Teamleiter(innen). Diese führen große Teams, planen deren Personalbedarf und -einsatz, stellen neue Teammitarbeiter(innen) ein und verantworten die Personalentwicklung. Über Zielplanungskonferenzen sind sie in die Entwicklung des St. Josefshauses aktiv eingebunden, sorgen für das Controlling von Budgets und stellen in ihrem Team die gesamte Betreuung und Entwicklung der Menschen mit Behinderung sicher.
In der alten Organisationsstruktur war der Wohngruppenleiter so etwas wie der Kopf einer kleinen Familie. Die heutigen Teamleiter(innen) sind Familienoberhaupt, Personalentwickler und Manager in einem.
Die Bewohner(innen) profitieren vom Veränderungsprozess: Durch die Teamorganisation erweitert sich ihr persönliches Wohnumfeld erheblich. Mehr Kontakte, Freizeitoptionen und Freiräume können geboten werden. Das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderung wird unterstützt, so sind gemeinschaftsorientierte und individuelle Strukturen gleichermaßen möglich. Kontinuierlich und flexibel zugleich sind die angebotenen Assistenzleistungen.
Der Nutzen für das St. Josefshaus zeigt sich darin, dass jede(r) Mitarbeitende mehrere Prozesse aktiv mitgestaltet, so dass die Fachlichkeit bei den Mitarbeitenden steigt und Verbesserungen viel schneller Eingang in das Tagesgeschäft sowie die vorhandenen Systeme finden. Die gesamten Informations- und Kommunikationswege können aufgrund der Team- und gleichzeitigen Prozessorientierung verkürzt werden.
Als letzter Baustein wurden das Leitbild und die christlichen Werte der Einrichtung in einer Runde aus Führungskräften untersucht. Künftig werden zahlreiche christliche Angebote die Organisationsentwicklung zum Wohl der Menschen mit Behinderung unterstützen.